Die Vereinigten Staaten sind ein gefährlicher Ort für Frauen. Mit einer Flut von Gesetzen wurden seit Donald Trumps Amtseinführung vor zweieinhalb Jahren die bestehenden Rechte auf Schwangerschaftsabbruch geschleift. Die britische Sozialistin Sarah Bates berichtet
Seit Jahresbeginn haben nicht weniger als dreizehn Bundesstaaten die Fristen für eine legale Abtreibung auf bis zu sechs Wochen heruntergesetzt. Ein neues Gesetz in Alabama, das Abtreibung unter fast allen Umständen verbietet, hat die Lage noch weiter verschärft.
Jan, Aktivistin in Michigan, sagte der britischen Zeitschrift »Socialist Worker«, dass diese Gesetzesverschärfungen Teil eines breiter angelegten Angriffs darstellen: »Viele Staaten haben Gesetze gegen Abtreibung auf den Weg gebracht. Sie verfolgen die Strategie, Gesetze zu verabschieden, die dann von untergeordneten Gerichten wieder kassiert werden. Das eröffnet den Weg, diese Entscheidungen vor dem Obersten Gerichtshof anzufechten. Ihr Plan ist es, das Grundsatzurteil von Roe gegen Wade [Roe v. Wade]) aus dem Jahr 1973 zu kippen.«
Republikaner gegen Obersten Gerichtshof
Terri Collins, republikanische Vertreterin im Repräsentantenhaus von Alabama, hat offen zugegeben, dass das ihr Ziel ist: »Ich versuche, diesen Fall vor das Verfassungsgericht zu bringen, damit Roe gegen Wade gekippt werden kann.«
Das Urteil Roe gegen Wade von 1973 war ein Meilenstein für Frauen. Der Oberste Gerichtshof legalisierte damit Abtreibungen. Seitdem kämpfen Rechte unablässig dagegen an. Aber die rechten Gegner sind sich nicht einig. Einige wollen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren eigenen Körper komplett abschaffen. Sieben von zehn Amerikanerinnen und Amerikanern meinen jedoch, dass Abtreibung legal bleiben muss.
Daher verfolgen andere Rechte die Strategie, bestehende Abtreibungsrechte schrittweise anzugreifen. Sie scheiterten mit ihren Versuchen, »Herzschlaggesetze« zu verabschieden, die beinhalten, dass Abtreibung verboten sein soll, wenn ein Herzschlag des Fötus festgestellt werden kann.
Hürden für Schwangerschaftsabbruch
Anti-Choice-Politikerinnen und Politiker fügen diesen Gesetzesvorlagen andere Klauseln hinzu wie eine Beratungspflicht vor einem Schwangerschaftsabbruch. Auch wenn der »Herzschlag«-Teil abgelehnt wird, können diese einschränkenden Klauseln Gesetzeskraft erlangen. Der Zugang von Frauen zu Kliniken, in denen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wird, ist ohnehin sehr eingeschränkt. In Alabama, einem Staat, in dem 2,5 Millionen Frauen leben, gibt es nur drei Abtreibungskliniken.
Schikanen gegen Frauen
Yanica Robinson ist medizinische Leiterin der Frauenberatungsstelle Alabama Women’s Centre for Reproductive Alternatives. Sie sagt, dass viele Frauen »mit vielen Hürden allein wegen ihrer Postleitzahl und ihrer finanziellen Lage« konfrontiert sind. Viele Frauen haben eine sechs- oder achtstündige Fahrt hinter sich, bevor sie die Klinik erreichen. Viele übernachten in ihren Autos im Parkhaus, weil das Gesetz in Alabama eine Beratungspflicht 48 Stunden vor einer Abtreibung vorschreibt.
Yanica beschreibt deren Kampf, »ihre Fehlzeit auf der Arbeit, das Besorgen der nötigen Finanzen und die lange Fahrt zu organisieren«. Diese Frauen sind keine Ausnahme. Etwa 59 Prozent aller Frauen in Alabama leben in Landkreisen ohne Abtreibungsklinik. Im republikanisch kontrollierten Süddakota sind es gar 79 Prozent.
In den USA müsste ein Viertel aller Frauen im gebärfähigen Alter mindestens 50 Kilometer fahren, um die nächste Abtreibungsklinik zu erreichen. Das trifft die Ärmsten am härtesten.
Die Aktivistin Freya in New Jersey sagte »Socialist Worker«, dass »Frauen, die arm sind und zur Arbeiterklasse gehören, weder die Mittel noch die Zeit haben, für einen Schwangerschaftsabbruch in einen anderen Staat zu reisen«.Die Kosten für die medizinische Versorgung werden durch das zentrale Medicaid-Programm für die ärmsten Bevölkerungsschichten nicht übernommen. Und 26 Bundesstaaten schränken die medizinische Versorgung ein für Frauen, die im Rahmen des Gesetzes für eine bezahlbare Versicherung zu günstigeren Konditionen versichert sind.
Nicht erst Trump
Die Angriffe auf Abtreibungsrechte begannen nicht erst unter Trump. In den Jahren 2010 bis 2018 wurden 424 einschränkende Klauseln in den einzelnen Bundesstaaten verabschiedet. Aber es überrascht nicht, dass unter Trump – einem Milliardär, der sich damit brüstet, bei Frauen sexuell übergriffig zu sein – schwere Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen eingeleitet wurden. Trump forderte, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, »dafür eine Strafe verdienen«.
Einer seiner ersten Erlasse war die Streichung von Regierungsgeldern für internationale Organisationen, die über Abtreibung informieren oder sie durchführen. Er ist umgeben von widerwärtigen Abtreibungsgegnern und -gegnerinnen. Sein Vize Mike Pence ist einer von ihnen. Trump hat auch die Bundesjustizbehörden mit Anhängern bestückt, die den Zugang zu Abtreibung einschränken oder gänzlich abschaffen wollen. Serra Sippel, Präsidentin des Zentrums für gesundheitliche und Gendergerechtigkeit sagte »Socialist Worker«, Trump habe »den Prozess der Richterernennung gekapert. Das ist eine direkte Gefährdung viel zu vieler Frauenleben. Wir werden dagegen mit allen Mitteln vorgehen.«
Die beiden von Trump ernannten Richter am Obersten Gerichtshof gehören dem rechten Flügel der Republikaner an. Seit der Ernennung von Neil Gorsuch im Jahr 2017 und Brett Kavanagh im darauf folgenden Jahr hat das Gericht eine Anti-Choice-Mehrheit.
Fiona, Kampagnenaktivistin in New Jersey, sagte Socialist Worker, »Gorsuch und Kavanagh werden die Lage von Frauen nachhaltig verschlechtern. Diese weißen konservativen Männer werden ihren Posten am Verfassungsgericht bis ans Lebensende behalten, dabei sind sie erst in ihren Fünfzigern.«
Kavanaghs Ernennung spornte die Eiferer an. Die Anti-Choice-Gruppe Ohio für das Recht auf Leben weigerte sich jahrelang, eine »Herzschlag«-Gesetzesvorlage zu unterstützen mit dem Argument, sie hätte keine Chance. Aber bald nach Kavanaghs Ernennung trat sie vehement für die Verabschiedung eines solchen Gesetzes ein, weil »die Zeiten viel günstiger« seien.
Das Gesetz von Alabama
Das Gesetz von Alabama ist das Erste, das das Urteil Roe gegen Wade direkt angreift. Und es kommt zu einer Zeit, in der die Anti-Choice-Minderheit Rückenwind verspürt. Aber es gibt eine lange Geschichte des Widerstands gegen Angriffe auf Abtreibungsrechte in den USA.
Der Kampf für Abtreibungsrechte war Teil der Befreiungskämpfe der 1960er Jahre. Frauen errichteten ihre eigenen Abtreibungsdienste. Es war der Druck von Aktivistinnen und Aktivisten, der Roe gegen Wade möglich machte. Und der Kampf hat seitdem nicht aufgehört.
Nur Stunden nach der Verabschiedung des Gesetzes in Alabama charterten Gruppierungen für das Recht auf Abtreibung ein Flugzeug, das über der Hauptstadt Montgomery ein Banner hinter sich herzog, auf dem stand: »Abtreiben ist okay!« Die bundesweite Hilfseinrichtung Network of Abortion Funds erhielt in nur zwei Tagen über 95.000 Euro an Spenden. Das sind 20 Prozent aller Spenden des Jahres zuvor.
Strengere Gesetze töten Frauen
Strenge Gesetze verhindern Schwangerschaftsabbruch nicht, sie machen diesen nur gefährlich. Falls Alabamas Gesetz in Kraft tritt, werden Frauen sterben. Deshalb muss alles unternommen werden, um das Recht von Frauen, auf Selbstbestimmung zu verteidigen und auszuweiten.
Hintergrund 1: Ein Angriff auf das Grundsatzurteil Roe gegen Wade
Roe gegen Wade ist das Gerichtsurteil von 1973, das Abtreibungsgegner kippen wollen.
Das neue Gesetz in Alabama ist ein Angriff auf die unter dieser Rechtsprechung garantierten Rechte.
Vor Roe gegen Wade entschieden die Einzelstaaten über ihre jeweiligen Abtreibungsgesetze. Das stellte Frauen vor die Alternative einer illegalen Abtreibung im Hinterzimmer oder einer Hunderte Kilometer langen Fahrt in einen anderen Bundesstaat, in dem Abtreibung legal war. Oder aber sie mussten ein ungewolltes Kind zur Welt bringen.
Im Jahr 1971 strebte Norma McCorvey, bekannt als Jane Doe in den Akten, ein Gerichtsverfahren gegen den Bezirksstaatsanwalt Henry Wade an. Wade hatte die Umsetzung eines Gesetzes des Bundesstaats Texas, das Abtreibung in allen Fällen außer bei Gefahr für das Leben der Frau verbot, erzwungen. Der Oberste Gerichtshof urteilte mit sieben gegen zwei Stimmen, dass das Recht einer Frau auf eine Abtreibung durch den 14. Verfassungszusatz, der die Privatsphäre regelt, gedeckt sei. Es urteilte, dass eine Frau das Recht auf Zugang zu einer Abtreibung in jedem Stadium ihrer Schwangerschaft habe, dass aber die Bundesstaaten eigene Gesetze verabschieden dürfen. Zum Zeitpunkt ihrer Klage war McCorvey schwanger. Später gab sie das Baby zur Adoption frei.
Hintergrund 2: Was bedeutet das »Herzschlag«-Gesetz?
Das neu erlassene Gesetz in Alabama stellt Schwangerschaftsabbruch unter Strafe, es sei denn, die Schwangerschaft stellt ein »ernsthaftes Gesundheitsrisiko« dar. Es gibt keine Ausnahme hiervon, auch nicht bei Vergewaltigung oder Inzucht. Ärzte, die einen Abbruch vornehmen, riskieren eine Gefängnisstrafe von 99 Jahren. Das Gesetz soll in sechs Monaten in Kraft treten.
Das Gesetz wurde durch die Staatsgouverneurin Kay Ivey unterzeichnet. Sie sagte, es sei ein »mächtiges Zeugnis des in Alabama tief verwurzelten Glaubens, dass jegliches Leben ein heiliges Geschenk Gottes ist«. Ivey räumte ein, dass das Gesetz wegen Roe gegen Wade wahrscheinlich nicht in Kraft treten könne. Aber die Gegner des Rechts auf Selbstbestimmung sind offen bezüglich ihrer wahren Motive: Terri Collins, eine der Sponsorinnen, stellte es in Zusammenhang mit Anstrengungen, Abtreibung zu kriminalisieren. »Der Kampf, um ein in meinen Augen schlechtes Urteil zu kippen, das es Menschen erlaubt, ungeborene Kinder zu töten, ist ein lohnenswerter Kampf«, sagte sie.
Sogenannte Herzschlag-Gesetze verbieten Abtreibung, wenn ein Herzschlag des Fötus hörbar ist. Vier Staaten haben solche Gesetze verabschiedet, aber in keinem Fall hatten sie Bestand vor Gericht.
Steve Aden ist der Chefrechtsberater der Anti-Choice-Gruppe »Americans United for Life«. Er meinte, diese Rückschläge wiesen darauf hin, dass wir »unsere Anstrengungen darauf richten sollten, Fälle vor Gericht zu bringen, die diese verwenden können, um Roe aufzuweichen oder gar zu Fall zu bringen«.
Hintergrund 3: Wütende Eiferer werden immer wieder gewalttätig
Die Gewalt und die Belästigung vor Abtreibungskliniken nahmen im Jahr 2017 stark zu. Die National Abortion Federation stellt fest: »Von 2016 bis 2017 hat sich die Zahl der Hausfriedensbrüche mehr als verdreifacht, die der Mord- und Gewaltdrohungen fast verdoppelt und die der Fälle von Zutrittsbehinderung ist von 580 auf 1700 gestiegen.«
Mellissa ist Begleiterin zur einzigen Klinik in Mississippi. Sie sagt, Abtreibungsgegner »tun alles, um Frauen zu beschämen, sie in Verlegenheit zu bringen und aus ihrer Entscheidung eine unnötig belastende Erfahrung zu machen«.
Die neuerlichen Angriffe auf Abtreibungsrechte in den USA werfen weltweit ihren Schatten. Eine Krankenschwester eines Familienplanungszentrums in Großbritannien sagte Socialist Worker, »die Entscheidung in Alabama wird Abtreibungsgegner auch hierzulande bestärken. Vor manchen unserer Kliniken haben wir mittlerweile beinahe täglich Proteste von Abtreibungsgegnern. Ich habe sogar gehört, dass manche Kolleginnen auf ihrem Nachhauseweg verfolgt und bedroht werden. All das wird sich noch verschlimmern.«
Der Artikel erschien ursprünglich im Socialist Worker, 19. Mai 2019, Ausgabe 2655. Übersetzung von David Paenson
Schlagwörter: Donald Trump, Schwangerschaftsabbruch, USA