Politiker der LINKEN in Berlin wollen den Schulbau an eine GmbH auslagern. Moritz Wittler erklärt, warum das der falsche Weg ist
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Moritz, Du warnst, Berlin drohe die Schulprivatisierung. Kannst du das genauer erklären?
Im Rahmen der »Schulbauoffensive« will der Berliner Senat einen relevanten Teil der Berliner Schulgebäude in eine privatrechtliche GmbH übertragen. Damit werden entscheidende Schritte hin zur Privatisierung vollzogen.
Der Berliner Senat behauptet aber, die Schulbauoffensive sei »weder ein Ausverkauf noch eine Privatisierung öffentlichen Vermögens«. Im Gespräch ist doch nur die Gründung einer Tochter der Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die bekanntlich in Landesbesitz ist.
Die Howoge ist eine privatwirtschaftliche GmbH. Daran ändert auch eine Tochtergesellschaft nichts. Zudem: In den bezirklichen Hochbauämter liegt ein hoher Kenntnisstand über die schulischen Liegenschaften vor und die Hochbauämter können bei ausreichender finanzieller und personeller Ausstattung schneller mit der Instandhaltungs- und Neubautätigkeit beginnen, als beispielsweise eine noch zu schaffende Tochter der Howoge. Wenn die Liegenschaften der Schulen nicht mehr den Bezirken unterstehen, besteht die ernste Gefahr, dass nach einem möglichen Wechsel der Zusammensetzung des Senats der Verkauf der Schulgebäude erfolgt und die Bezirke im besten Falle nur noch Mieter der Schulen sind.
Der Landesvorstand der LINKEN scheint diese Entwicklung nicht zu sehen und unterstützt die Übertragung der Schulgebäude an die Howoge. Was sind deren Argumente?
In der Landespartei gibt es Hoffnungen, mit dieser Konstruktion die Schuldenbremse zu umgehen. Diese wird Berlin – wie allen Bundesländern – ab 2020 verbietet, neue Kredite aufzunehmen. Die rot-rot-grün Regierung meint, mit der »Schulbauoffensive« habe sie einen »kreativen Umgang« mit der Zwangsmaßnahme gefunden. Aber damit läuft man geradewegs in die Falle der Neoliberalen.
Warum?
Die Schuldenbremse und die EU-Maastricht-Kriterien sind geschaffen worden, um den Sozialstaat abzubauen und demokratische Institutionen zurückzudrängen. Genau das ist es, was auch mit dieser GmbH passieren kann und wird, weil sie kaum öffentlich zu kontrollieren ist. Staatliche GmbHs in Berlin sind oft ein Hort der Intransparenz und des Filzes. Ihre Geschäftspolitik ist darauf gerichtet, Profite zu erwirtschaften. An solche Gesellschaften werden nun die Schulgrundstücke übergeben, die den GmbHs als Sicherheiten für künftige Kreditaufnahmen dienen. Mit dieser Übergabe entsteht die Gefahr, dass die Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt an Private verkauft werden.
Aber warum sollte denn die Howoge überhaupt ein Interesse daran haben, Schulgebäude zu verkaufen?
Weil es gewinnbringend ist. Eine Arbeitsgruppe der SPD hat errechnet, dass Grundstücke und Gebäude zusammen einen Wiederbeschaffungswert von 11,65 Milliarden Euro haben. Die Howoge selbst hat jedoch nur einen Bruchteil des Kapitals, um diesen Gegenwert zu bezahlen.
Wichtige Bündnispartner wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin oder die Initiative »Gemeingut in BürgerInnenhand« lehnen die Gründung einer solchen GmbH ebenfalls ab.
Die Howoge bekommt die Schulen und Grundstücke also zu einem wesentlich niedrigerem Preis?
Das wird wohl so passieren. Hinzu kommt: Das Geld für Sanierungen und Neubauten bekommt die Howoge vom Land Berlin. Dann schließt sie Mietverträge mit den Bezirken, die öffentliche Hand zahlt also dafür, die Schulen nutzen zu dürfen. Ein sicheres Geschäft in einer wachsenden Stadt – und deshalb eben auch interessant für private Investoren. Das Management der GmbH kann außerdem zur Erfüllung der Schulbausanierungen oder Neubauvorhaben öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) mit großen Baukonzernen eingehen, ohne dass die Verträge über das Informationsfreiheitsgesetz zugänglich sind. Nicht umsonst lobt die Unternehmensberatung PWC in einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums den Berliner Weg.
Die Landesregierung meint, sich gesetzgeberisch absichern und so garantieren zu können, dass die betreffenden Schulen nach 25 oder 30 Jahren wieder in den Besitz der Bezirke übergehen.
Eine wasserdichte Absicherung ist schlicht unmöglich. Eine kommende Regierung, die eine Privatisierung anstrebt, hätte es bedeutend leichter, weil die dafür entscheidenden Schritte schon vorweggenommen wären. Vor allem droht mit der Gründung der GmbH eine fatale Dynamik: Durch die jahrelange Sparpolitik wurden die Hochbauämter in den Bezirken bereits geschwächt, es fehlt überall an Personal. Die GmbH hat mehr Flexibilität bei der Anstellung und Besoldung der Leute und wird den Bezirken das nötige Personal abwerben. Das Resultat wird sein, dass die Bezirke in ihrer Not immer mehr Sanierungsaufgaben an die GmbH abgeben. Damit schwächen wir die kommunale Selbstverwaltung und stärken privatrechtlich organisierte Strukturen. Und das war genau das Ziel bei der Einführung der Schuldenbremse; linke Politik ist das jedenfalls nicht. Schulbildung ist eine öffentliche Kernaufgabe und gehört daher in die öffentliche Hand.
Gibt es Alternativen?
Ja, natürlich. Statt auf Privatisierung zu setzen, sollte Rot-Rot-Grün die bezirklichen Hochbauämter soweit finanziell und personell ausstatten, dass sie den Aufgaben der Schulsanierung und des Neubaus von Schulen nachkommen können. Geld ist mehr als genug da: Nach der Steuerschätzung der Senatsverwaltung für Finanzen vom November 2017stehen für das Jahr 2018 328 Millionen Euro und für 2019 304 Millionen Euro mehr im Landeshaushalt zur Verfügung. Diese Mittel sollten vordringlich für die Verbesserung der schulischen Infrastruktur verwendet werden. Hier ist vor allem mehr Personal wichtig.
Warum mehr Personal?
Schon jetzt können die bereits für die Schulsanierung eingestellten Mittel im Haushalt von den Bezirken gar nicht in Gänze abgerufen werden, weil schlicht das Personal fehlt. Der Leiter des Fachgebiets Bauwirtschaft der TU Berlin, Prof. Matthias Sundermeier schätzt, dass für das Bauvorhaben des Senates insgesamt 900 Planer nötig wären und bezeichnet Personalmangel und Nachfragewucht als »das zentrale Problem«. Gemeingut in Bürgerhand rechnet bei einer Bausumme von 500 Millionen Euro jährlich, dass wenigstens 2000 Planer zusätzlich benötigt würden.
Hier zeigt sich, wie falsch die Massenentlassungen im Öffentlichen Dienst waren. Von Anfang der 1990er-Jahre bis 2016 wurde in Berlin die Zahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten fast halbiert – alleine die Bauverwaltungen ist um 40 Prozent zusammengekürzt worden. Klar ist: Auch die HOWOGE hat das Fachpersonal nicht, im Schulbau hat sie keine Erfahrung und Kompetenzen. Insofern ist die Behauptung, Privatisierung oder private »Partner« könnten das Problem lösen, eine Irreführung der Öffentlichkeit.
Und was ist mit der Schuldenbremse?
Als LINKE werden wir die Schuldenbremse nicht beseitigen, wenn wir in den Werkzeugkasten der Neoliberalen greifen. Es ist ja kein Zufall, dass gerade die Berliner FDP vom Grundsatz her keine Probleme mit den Plänen hat. Sie gehen den Liberalen nur nicht weit genug. Die LINKE sollte sich darauf konzentrieren, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich zu kippen und die Schuldenbremse politisch anzugreifen. Letztendlich werden wir unsere öffentliche Infrastruktur nur schützen können, wenn wir die Reichen und Vermögenden zur Kasse bitten.
Alles andere ist im besten Fall Flickwerk, und im schlimmsten Fall können sich diese verwaltungstechnischen Tricks im Nachhinein als Türöffner für den Ausverkauf der öffentlichen Infrastruktur herausstellen – nicht nur der Schulen und Autobahnen.
Wie geht’s es weiter?
Ich denke, dass der Landesvorstand der LINKEN und auch Rot-Rot-Grün im Abgeordnetenhaus, die Stimmung in der Berliner Bevölkerung unterschätzt: Viele lehnen Privatisierung ab und sind auch bereit sich zu engagieren. Schon jetzt lehnen wichtige Bündnispartner der LINKEN, wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin, Attac Berlin oder die Initiative »Gemeingut in BürgerInnenhand« die Gründung einer solchen GmbH ab. Wir müssen die drohende Privatisierung der Schulen überhaupt erst bekannt machen. Nur so kann eine Welle der Empörung in der Stadt entstehen, welche die Pläne des Senats noch zum stoppen bringen kann. Es wäre nicht das erste Mal, dass die »Privatisierungs-Träume« der SPD-Finanzexperten am Widerstand der Bevölkerung scheitern.
Das Gespräch führte Yaak Pabst
Zur Person: Moritz Wittler ist Mitglied des Bezirksvorstandes der LINKEN in Berlin-Neukölln.
Foto: onnola
Schlagwörter: Berlin, DIE LINKE, DIE LINKE Berlin, DIE LINKE Neukölln, GEW, Privatisierung, Schuldenbremse, Schule