Das schwarze Selbstbewusstsein hat ein neues Album. Peter Stolz erklärt, warum und weshalb der erste Tonträger der Hip-Hop-Supergroup BSMG so subversiv ist.
Irgendwann im Frühjahr 2017 war ich auf einem Hip-Hop-Konzert in Berlin. Auf dem Heimweg traf ich durch Zufall den Rapper Megaloh. Wir kamen ins Gespräch und redeten über besagtes Konzert. Unsere Unterhaltung vertiefte sich im Laufe der gemeinsamen S-Bahnfahrt und Megaloh plauderte nebenbei aus dem Nähkästchen: Ein neues Album solle bald erscheinen, ein Black-Power-Album. Es ist zwar traurig, aber nicht überraschend, dass Megaloh sich daraufhin sofort in einer Verteidigungshaltung sah und mir erklärte, warum Black Power nicht das schwarze Pendant zur rassistischen White-Power-Bewegung ist. In einem Land, in dem ein Schwarzer einem Weißen erklären muss, dass Black Power kein Gegenrassismus ist, ist das nun erscheinende Album leider bitter nötig.
BSMG: Brüder schaffen mehr gemeinsam
Jetzt ist es offiziell: Megaloh, Musa und Ghanaian Stallion sind zusammen BSMG und veröffentlichen ihr erstes Album »Platz an der Sonne«. Dabei hat der Name der Gruppe mehrere Bedeutungen. Mal heißt er Black Superman Gang, mal heißt er Brüder schaffen mehr gemeinsam. Mit letzterer Bedeutung beginnt das Album.
Der Track »B.S.M.G.« ist eine Ode an die Organisierung und gleichzeitig eine Einführung in das durch und durch politische Album. Mit Zeilen wie »Sie maximieren die Grenzen, die uns trennen sollen« sprechen die Musiker Rassismus in der Klassengesellschaft an. Außerdem scheint in Zeilen wie »Ein R vor der Evolution« ihr Bewusstsein der Lösungen durch, die es braucht, um sich von den Ressentiments zu befreien. Das ist auch der Grund, warum das Album so gut ist. Das Rezept: Beschreibung der rassistischen Verhältnisse, Zusammenhänge der Klassengesellschaft und Emanzipation durch Kämpfe ergeben »Platz an der Sonne«.
Radikale Kritik am Eurozentrismus
In diesen Tönen geht das Album weiter und ich bin erstaunt, wie gut das funktioniert, ohne mit dem Zeigefinger zu schwingen. Es geht um Entwurzelung, ihre afrikanische Heimat, und das Gefühl, als Schwarzer in Deutschland aufzuwachsen. Wenn man dann knapp drei Viertel des Albums gehört hat, stößt man auf den Track »N-Wort«, mit einem einleitenden Zitat von Harald Schmidt. Dieser fühlt sich frei das N-Wort zu benutzen und macht sich über »die kleinen…« lustig. Als das Publikum daraufhin klatscht und lacht, fühlt man nichts als Scham und Übelkeit.
Ein weiterer Track, der im Ohr bleibt, ist »Geschichtsunterricht« mit Chima Ede und Amewu. Letzterer wurde übrigens einmal in einem Interview von hiphop.de gefragt, ob er meine, dass es noch Rassismus in Deutschland gebe. Ein weiterer Grund, der das durchweg schwarze Album nur umso dringlicher macht. Besagter Track ist eine radikale Kritik am Eurozentrismus und Postkolonialismus. Die vier Rapper schaffen es auf diesem Stück, ohne populistisch zu sein, klipp und klar zu machen, dass die Geschichte der Menschheit nicht weiß war. Sie verweisen auf Kämpfe ihrer Brüder und Schwestern, die nicht dafür gekämpft haben, dass die Schädel ihrer Vorfahren in deutschen Museen ausgestellt werden und auch nicht dafür, dass Hollywood die Geschichte mit Weißen besetzt.
Afrikanische Melodien und moderne Beats
Doch wie erwähnt bleiben die Künstler nicht in einer Schockstarre über die aktuellen Verhältnisse, sondern sie bieten Lösungen oder wie im Falle »Lang lebe Afrika« eine internationalistische und selbstbewusste Hymne. Sie hört sich ein Stück weit auf eine positive Weise selbstgerecht an. Und man ist direkt froh, mit dem inneren Ohr sozusagen tausende Fans aller Hautfarben »Lang lebe Afrika« mitsingen zu hören.
Musikalisch klappt der Rückgriff auf die afrikanischen Wurzeln ziemlich gut. Der Beatproduzent der Gruppe, Ghanaian Stallion, schafft es, traditionelle afrikanische Melodien und Instrumente mit modernen Hip-Hop-Beats zu mixen. Dazu muss man allerdings sagen, dass das momentan sehr in Mode ist. Er hat das Rad nicht neu erfunden, aber er hat dem Rad einen Reifen mit Profil und Felgen verpasst.
Das Album ist in seiner Form einzigartig und notwendig. Endlich gibt es einen emanzipatorischen Tonträger im doch oft sehr konservativen Rapkosmos. Es geht um Kämpfe, die »mit allen notwendigen Mitteln« geführt werden müssen, um den Kolonialismus des Westens, um Selbstermächtigung und um Afrika. Diese Lieder könnten viele junge, orientierungslose Deutsche mit afrikanischer Abstammung abholen und sie politisieren. Fernab von den Vorurteilen, unter denen sie und ihre Vorfahren Jahrhunderte leiden mussten.
Foto: Universal Music
Schlagwörter: Afrika, Album, Deutschrap, Hip Hop, Rap