Waving the Guns verbinden auf ihrem neuen Album punkige Attitüden mit einer Kampfansage an den deutschen Zeigefinger-Rap. Von Martin Seidel
Deutscher Rap war wahrscheinlich noch nie so erfolgreich und auch noch nie so langweilig wie derzeit. Ein Rapper, der von ganz unten kommt und es nach ganz oben schafft, um dann der Meute zuzuschreien: »Erfolg ist kein Glück«. Im Grunde die musikalische Begleitung des neoliberalen Zeitgeistes. Was an Rap vielleicht mal rebellisch war, ist heute einem Leistungsprinzip gewichen und wird noch unterstrichen von konservativen Ansichten über Familie, Ehre, Frau und Mann und gerne auch Verschwörungstheorien über Chemtrails und den 11. September.
Kritischer Rap klingt allzu oft belehrend
Dagegen gibt es nun seit einiger Zeit Widerstand und immer mehr Rapper*innen versuchen andere Perspektiven zu zeigen – mit mittlerem Erfolg. Kritischer Rap auf Deutsch klingt oft wie ein Lehrer, der seinen Schülerinnen sagt, anstelle Graffitis an die Wand zu klatschen, könnten sie die Bilder doch lieber ins Schulheft malen.
Waving the Guns: Rücksichtslos und anschaulich
Waving the Guns machen es anders: Rapper Milli Dance bezeichnet sich als »biertrinkenden Bizeps des Politraps« und genau so klingt er auch. Eine punkige Attitüde, die keine Rücksicht nimmt, immer die richtige Sprache zu wählen, aber dennoch sehr präzise die richtigen Feindbilder wählt: Leistung, Erfolg, Unterdrückung – Werte nach denen Waving the Guns nicht streben. Das neue und mittlerweile 5. Album »Das muss eine Demokratie aushalten können« knüpft nahtlos an die Vorgänger an. Milli Dance bringt es selbst auf den Punkt: »Ich hab nie facettenreiche Themen, doch kann einige wenige Themen facettenreich darstellen«. Insofern überraschen die Songs auf dem Album nicht wirklich, wenngleich die Darstellung dafür sorgt, dass die Inhalte nicht langweilig werden.
Ein Abgesang auf die Tugenden der kapitalistischen Demokratie
Bei WTG werden nicht wahllos Minderheiten abgewertet und der eigene Erfolg zelebriert. Nein, »Das muss eine Demokratie aushalten können« ist ein Abgesang auf die Tugenden der kapitalistischen Demokratie und eignet sich ironisch den Spruch an, (dass eine Demokratie das aushalten müsse) – der sonst gerne mit Verweis auf rechte Bewegungen verwendet wird.
Waving the Guns treten nach oben
Die Überspitzung und das prollige Abgrenzen machen Spaß, vor allem, weil dabei nach oben getreten wird und nicht nach unten. Sowohl rechte Wutbürger kriegen ihr Fett weg, denn »sie fühlen sich in die rechte Ecke gedrängt, als hätten sie sich nicht von selbst zu den Deppen gesellt.« Aber auch für entpolitisierte Karrieristen hat WTG kein Verständnis. Stattdessen ist es »hier unten ok« Nach oben wollen sie nur, um dort alles kurz und klein zu schlagen.
Sinnloser Materialismus ist nicht drin
In einer Hip-Hop-Landschaft voller Gucci, AMG und Ferrari ist es ein Segen, dass dieser falsch verstandene Materialismus ironisch in Frage gestellt wird: »Du hast nicht besseres zu tun als mit wertvollen Uhren in der Gosse zu prahlen. Doch jeder Schluck der Verkostung schmeckt schal. Du bist ein Boss? Dann bezahl‘.« Mittlerweile hat sich Rapper Admiral Adonis aus der Gruppe verabschiedet, so dass Milli Dance – abgesehen von Features – alleine das Micro hält. Vielleicht ist das Album dadurch einen Tick persönlicher als die Vorgänger. Insbesondere im Outro fällt die Sturmmaske einen kleinen Augenblick. Und zwischen all der Abgrenzung findet sich eine deutliche Aufforderung, nicht dem Nihilismus zu verfallen: »Wer die Wirkung seines Handelns stets als obsolet begreift. Kann auch gleich auf sein Leben scheißen. Tun wir also was uns möglich ist, solange es noch möglich ist, das zu tun« Ausverkaufte Shows im ganzen Land und Platz 22 in den Charts machen Hoffnung, dass hier noch länger was getan wird!
Das Album:
Waving the Guns
Das muss eine Demokratie aushalten können
CD 15,00 €
Audiolith
März 2019
Schlagwörter: Album, Deutschrap, Rap