Die US-Rapper Kendrick Lamar und Joey Bada$$ haben nun mit »DAMN.« und »All-Amerikkkan Badass« zwei neue Erzählungen über die USA unter Trump vorgelegt. Von Peter Stolz und Kasper Ange
Dass die USA in den vergangenen Jahren aufsehenerregende Fälle von rassistischer Polizeigewalt und mit Black Lives Matter eine neue antirassistische Massenbewegung erlebt haben, ist auch am Hiphop nicht spurlos vorübergegangen. Und spätestens seit Donald Trump die Genrelegende Snoop Dogg auf Twitter angriff, nachdem dieser ein Double des US-Präsidenten in einem Musikvideo symbolisch erschossen hatte, ist auch die Konfliktlinie zwischen Hiphop-Community und der neuen Regierung klar gezogen. Kendrick Lamar und Joey Bada$$ haben nun mit »DAMN.« und »All-Amerikkkan Badass« (KKK für Ku-Klux-Klan) zwei neue Erzählungen über die USA unter Trump vorgelegt.
Kendrick Lamar aus Compton
Kendrick Lamar ist tief in der Hiphop-Geschichte verwurzelt. Er stammt aus Compton, jenem Vorort von Los Angeles, der 1988 durch das Debut der Rap-Gruppe »N.W.A.« zur Legende wurde. Jenem Vorort, in dem es fast 30 Jahre später immer noch kein Kino gab, das den 2015 erschienenen Film »Straight Outta Compton« (marx21 Rezension) über jene Rap-Gruppe hätte zeigen können. Denn Compton mit seinen knapp 100.000 Einwohnern gilt als »Low Income Area«, da lohnt es sich einfach nicht, ein Kino aufzumachen.
Musikalisches Genie
Auch wenn Lamar mit seiner politischen Haltung auf sich aufmerksam gemacht hat, ist es in erster Linie das musikalische Genie, das den 29-Jährigen abhebt. Spätestens mit seinem zweiten Album »Good Kid, M.a.a.d. City« war er in aller Munde und erlangte weltweite Berühmtheit. Er schaffte es, musikalische Trends zu setzten, sich ein großes Publikum zu erarbeiten und sich zugleich von überproduzierten Hit-Alben abzusetzen. Gerade auf »To pimp a Butterfly« benutzte er bewusst Jazz-Elemente als Bezug auf schwarze Kultur. Auf seinem neuesten Album »DAMN.« geht er mit der Zeit und beweist wieder, dass er sein Fach beherrscht. Er verbindet die lyrisch-politische Raffinesse, für die er gefeiert wird, und den modernen Rap, der momentan eine ganze Generation begeistert. Im Vergleich zu Kendrick Lamars letztem Album »To Pimp a Butterfly« klingt »DAMN.« dabei zunächst etwas weniger politisch. Das Leben als Schwarzer in den USA, Gott, innerliche Konflikte – das sind seit seinem Debut »Section.80« seine Leitthemen, und Ersteres tritt hier in den Hintergrund.
Kendrick Lamar sieht nach Innen
»DAMN.« ist nach dem aktivistischen »Butterfly« eine Innenwendung. Programmatisch klingen die Zeilen »It was always me versus the world/ until I found it‘s me versus me«. Und so rappt er sich über mal aggressive, mal sanft-psychedelische Beats durch sämtliche Widersprüche seines Seelenlebens. Das klingt hier überheblich (»If I quit this season I‘ll still be the greatest«), dort verzweifelt (»I feel like the whole world want me to pray for them/ But who the fuck prayin‘ for me?«), dann wieder nach dem Versuch, nach Jahren des Superstar-Lebens die Bodenhaftung nicht zu verlieren (»I‘m talking fear, fear of losin‘ creativity (…) fear of losin‘ loyalty from pride«).
Joey Bada$$
Joey Bada$$ dagegen hat für langes Psychologisieren keine Zeit und probt ohne Umschweife den Aufstand, die große Auflehnung der Jungen gegen das alte, korrupte, rassistische System.
Seine Sprache ist dabei so direkt, dass sie gegen Kendricks Vielschichtigkeit und technische Finesse naiv wirken könnte, wäre die wütende Ernsthaftigkeit des erst 22-Jährigen nicht so verdammt einnehmend: »Obama just wasn‘t enough, I need some more closure/ and Donald Trump is not equipped to take this country over (…) and everything I do and say today is worthwhile/will for sure inspire action«. Unter dem Strich lässt sich »All-Amerikkkan Badass« auf »Wacht auf, ihr Schafe!« herunterbrechen. Vielleicht ein bisschen zu simpel, um sich damit als Stimme der Generation gegen Trump zu bewerben, aber ein gutes Album bleibt es dennoch.
Lamar nimmt Kulturpessimisten auseinander
Auch wenn Kendrick Lamar nicht die Rede zur Lage der Nation hält, die »Butterfly« war, ist doch ein durch und durch politisches Album. Nur klingt das hier um einiges pessimistischer als seine Demo-Hymnen »HiiiPower« oder »Alright«. So erinnert er sich an den Schock nach Trumps Wahlsieg, die stolzen Demonstrationen und schließlich die um sich greifende Apathie: »Revertin’ back to our daily programs«. Trotzdem bleibt Kendrick Lamar einer der Wenigen, der Kulturpessimisten die Argumente nimmt. Das bewies er zum Beispiel bei den Grammys 2016. Mit seinen 11 Nominierungen und 4 Auszeichnungen ist er der große Gewinner des Abends. Im Gegensatz zu seinen Kollegen und Kolleginnen nutzt er die Bühne nicht, um kitschige Balladen zu trällern. Nein, er thematisiert Unterdrückung und propagiert eine schwarze Identität von unten.
Black Lives Matter
In der Performance zeigt er sich mit seinen Brüdern im Gefängnis, angekettet in Reih und Glied. Kurz bevor er sich aus den Ketten befreit, rappt er: »My hair is nappy, you know that it‘s big, my nose is round and wide/ You hate me don‘t you?/ You hate my people, your plan is to terminate my culture/ You know you‘re evil I want you to recognize that I‘m a proud monkey«.
Die Show endet mit seiner Hymne auf Black Lives Matter »Alright«, die eigens für die Grammys einen dritten Part bekommen hat. Dieser ist eine Wutrede über die Lage der Schwarzen in den USA. Dort heißt es: »Situation is heavy, I‘ve got to prove/ On February twenty sixth I lost my life too (der Tag, an dem Trayvon Martin von einem Polizisten ermordet wurde)/ It‘s like I‘m here in a dark dream/ Nightmare, hear screams recorded«.
Aktivismus und Musik
In dieser Verbindung mit dem Aktivismus liegt der große Unterschied zwischen Kendrick Lamar und den meisten seiner Kollegen. Während Rapper wie Drake es sich in der teuren Upper Eastside von New York gemütlich gemacht haben, kommt Lamar und wirft ihnen genau das vor. Derzeit ist es bei ihnen Mode, einen Anti-Trump-Song zu machen. Das ist zwar löblich, doch bei den meisten bleibt es dabei. Und es bleibt der fade Beigeschmack, dass es sich dabei um Promo handeln könnte, um das Album zu vermarkten. Bei Kendrick Lamar geht es nicht um bloße Vermarktung und die Kritik an einer einzigen Person. Lamars Stärke ist ohnehin eher die Verknüpfung von eigener Biographie und Sozialpanorama. Im letzten und besten Song erzählt er die wahre Geschichte der Begegnung seines Vaters Ducky mit seinem heutigen Labelchef Anthony »Top Dawg« Tiffith. Dieser überfiel vor zwanzig Jahren den Fastfood-Laden, in dem Ducky arbeitete und ersparte ihm aus Mitgefühl einen frühzeitigen Tod. Und die Moral von der Geschicht’: »Whoever thought the greatest rapper would be from coincidence?/ Because if Anthony killed Ducky Top Dawg could be servin‘ life/While I grew up without a father and die in a gunfight.« Da können wir dem Schicksal nur danken.
Das Album: Kendrick Lamar | »DAMN.« | Interscope (Universal Music) | 2017
Das Album: Joey Bada$$ | »All-Amerikkkan Badass« | Cinematic Music Group | 2017
Foto: Kmeron
Schlagwörter: Album, Album des Monats, Black lives matter, Donald Trump, HipHop, Kultur, Musik, Rap, Rassismus, Rezension