Am 29. November stimmten 51,6 Prozent der Hamburger gegen eine Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Sommerspiele 2024. So verhinderten sie das Szenario von steigenden Mieten, Korruption, Umweltzerstörung und sich verschärfender sozialer Spaltung. Es lohnt sich also um Mehrheiten zu kämpfen, auch wenn die Opposition klein ist, meint Christoph Timann.
Monatelang war die mögliche Olympia-Bewerbung ein dominierendes Thema in der Hansestadt. Eine breite Koalition trommelte mit Millionenetat für die Bewerbung: SPD, Grüne, CDU, FDP, Handelskammer, DGB, Hamburger Abendblatt, Hamburger Morgenpost, Bildzeitung und auch die Vorstände vieler Sportvereine hatten sich vorgenommen, mit einer groß angelegten PR-Kampagne ein deutliches Votum für Olympische Spiele zu erreichen. Und sehr lange sah es auch danach aus, als ob diese Kampagne erfolgreich sein würde – in allen Umfragen bis kurz vor dem Referendum gab es Mehrheiten für Olympia, allerdings wurde der Vorsprung von Woche zu Woche kleiner. Zum Schluss stimmten 650.000 der 1,3 Millionen Wahlberechtigten ab. Davon sprachen sich 51,6 Prozent gegen eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2024 aus.
No-Olympia: David gegen Goliath?
Unter den politischen Parteien war DIE LINKE die einzige Oppositionskraft zu diesem Thema. Sie stand aber glücklicherweise nicht alleine da, denn viele Aktive aus dem Netzwerk Recht auf Stadt und der Verein Mehr Demokratie waren von Anfang an gegen Olympia. Für Recht auf Stadt spielte in erster Linie die durch Olympia drohende Verschärfung der Gentrifizierung eine Rolle. Mehr Demokratie störte sich in erster Linie an dem Demokratieabbau, den der Senat in die Wege geleitet hatte, um das von oben angesetzte Olympia-Referendum zu ermöglichen. So entstand das Bündnis NOlympia Hamburg.
Weitere wichtige Akteure waren der FC St. Pauli, dessen Fanclubs sich geschlossen gegen Olympia positioniert haben, und auch einige wenige Olympia-Kritiker in der Fanszene des HSV, dessen Vereinsführung sich ansonsten klar in den Dienst der Olympia-Werbekampagne gestellt hatte. Risse zeigten sich aber auch in der Wirtschaft, die nicht so geschlossen aufgetreten ist, wie Senat und Handelskammer sich das wohl gewünscht hätten. Die Hafenwirtschaft nämlich war wenig begeistert davon, dass von ihr erhebliche Teile hätten verlagert werden müssen, um auf dem Grasbroock die »Olympic City« zu errichten. Ein potenzieller Akteur war die Hamburger Grüne Jugend, die sich im Sommer erfreulicherweise gegen Olympia positioniert hat. Einen sichtbaren Wahlkampf hat die Grüne Jugend dann allerdings doch unterlassen.
Kurz gesagt: Einem Goliath mit millionenschwerem Budget stand ein David mit Herz und Leidenschaft und überschaubaren Finanzmitteln gegenüber – und mit den besseren Argumenten. Die Linksfraktion hatte extra eine NOlympia-Zeitung gedruckt, in der die wichtigsten NOlympia-Argumente zusammengestellt waren. Und im Internet waren die Kampagnenseite von NOlympia Hamburg – Etwas Besseres als Olympia und die Seite fairspielen.de jederzeit gute Quellen für aktuelle Informationen.
Pro-Olympia: Naivität und Gigantismus
Unverhoffte Unterstützung bekam die NOlympia-Kampagne jedoch von der Gegenseite. Denn die Pro-Kampagne zeichnete sich durch eine Mischung aus Naivität und Gigantismus aus, die ihr offenbar sehr geschadet hat. Der Glaube der SPD, der massive Mietenanstieg würde in Hamburg dank der »Mietpreisbremse« ausfallen, war ebenso naiv, wie die Hoffnung, die »Schuldenbremse« würde eine Kostenexplosion verhindern. Das wussten die Hamburger besser – denn der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist schon heute genauso offenkundig wie das Finanzdesaster der Elbphilharmonie.
Noch verheerender als die Schwäche der Argumente war aber wohl der Gigantismus der PR-Kampagne. Mit einer unerträglichen Penetranz wurde man in den letzten Monaten mit Olympia-Werbung überhäuft: In sämtlichen Bussen und Bahnen, an jedem Müllauto und an jedem Sparkassen-Automaten hing das Feuer-und-Flamme-Logo. Die Hamburger Zeitungen und ein privater Fernsehkanal wurden für den fraglichen Zeitraum komplett in den Dienst der Kampagne gestellt. Dazu kamen Peinlichkeiten wie ein Werbesong im 90er-Jahre-Dorfdisko-Sound und Ungeheuerlichkeiten wie Briefwahlstimmen einsammelnde Pro-Olympia-Werbestände in Einkaufszentren. Kurzum: Hier wurde eine kommerzielle Werbekampagne geführt und keine politische Kampagne. Bei kommerzieller Werbung sind Menschen es wohl gewohnt, dass sie nicht ernst genommen werden – in der Politik geht so etwas nach hinten los.
Wahlkampf gegen Olypmia
Entsprechend war die Erfahrung bei den vielen Straßen-Aktionen der LINKEN, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich freuten, dass endlich mal jemand was dagegen sagt. Seit im Frühjahr die Pläne für das Referendum bekannt wurden, stellten sich LINKE-Mitglieder unzählige Male in der gesamten Stadt auf die Straße, um Info-Material zu verteilen und mit Menschen über Olympia zu diskutieren – das war echter Wahlkampf. Unterstützt wurde dieser durch einen großen Strauß an Unterschriftenlisten, da etwa zeitgleich mehrere Volksinitiativen gegen Olympia und zur Rettung der Demokratie ins Leben gerufen wurden und den Wahlkampf bis zum Schluss begleitet haben. Mehrere Demonstrationen und viele weitere Aktionen wie das »NO« neben den bunten Ringen im Stadtpark, eine klare NOlympia-Positionierung im Millerntorstadion und das NOlympia-Transparent der Olympia-Gegner beim HSV haben ihren Beitrag dazu geleistet, dass die kleine Opposition dann doch eine unübersehbare Kampagne auf die Beine stellen konnte.
Etwas Besseres als Olympia
Hamburg hat gewonnen, weil ihm eine irrsinnige Kommerzveranstaltung erspart worden ist. Gewonnen haben alle, die sich für etwas Besseres als Olympia einsetzen – allerdings nicht abschließend. Denn die Probleme, die durch Olympia verschärft worden wären, bestehen ja trotzdem weiter. Nur weil Olympia ausfällt, sind die soziale Spaltung und der Trend der unerträglich steigenden Mieten nicht verschwunden. Aber die Ausgangsposition, um deutliche Verbesserungen einzufordern, ist gut – denn an Geld scheint es ja nicht zu mangeln. Spannend wird, ob es gelingt, den anti-olympischen Erfolg fortzuführen, indem der Einsatz für eine lebenswerte Stadt fortgesetzt wird, zum Beispiel für eine echte Willkommenskultur und gegen rassistische Hetze. Hier kann DIE LINKE eine gute Rolle spielen, wenn sie sich wie in den letzten Monaten weiterhin auch dann auf die Straße traut, wenn es zunächst so aussieht, als wäre eine klare Mehrheit auf der anderen Seite.
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