Berlin verbietet Mitte Mai alle geplanten Veranstaltungen zum palästinensischen Nakba-Tag. Das Verbot verdeutlicht die zunehmende staatliche Repression gegenüber Palästina-Solidaritätsbewegungen in Deutschland. Ein Kommentar von Karim Khoury
In Berlin hat die Polizei alle angemeldeten Demonstrationen zum 74. Jahrestag in Gedenken an die palästinensische Nakba verboten. Das Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht des Landes haben trotz Beschwerde die Verbote weiter aufrechterhalten. Die Entscheidung ist falsch und gefährlich. Das Verbot sollte alle alarmieren, die sich für demokratische Freiheitsrechte, Antirassismus und Menschenrechte einsetzen, öffnet es doch die Tür für weitere staatliche Repression.
Der Staat hebelt Grundrechte aus…
In der Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung markiert das Verbot eine neue Qualität, weil das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht nur eingeschränkt, sondern für mehrere Tage völlig ausgehebelt ist. Die Begründungen der Verbote haben es in sich:
Polizei und Gerichte argumentieren es bestünde die Gefahr, dass es zu »volksverhetzenden, antisemitischen Rufen, Gewaltverherrlichung und Gewalttätigkeiten« komme. Anstatt den Grundlagen rechtsstaatlichen Handelns zu Folgen und nur zu bestrafen, wenn eine Tat auch wirklich begangen wurde, reicht hier die Vermutung einer Behörden im Vorfeld, um ein Demonstrationsverbot durchzusetzen.
Palästinenser:innen werden dem Generalverdacht des Antisemitismus und der Gewalttätigkeit ausgesetzt. Dabei trifft das Verbot ebenso die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«.
Des Weiteren sei mit Blick auf die derzeitige Situation in Nahost mit Unmut zu rechnen. Ebenso könnte Pyrotechnik eingesetzt werden, Flaschen- und Steinwürfe seien nicht auszuschließen.
…weil er die Auseinandersetzung nicht will
Mit dieser Begründung kann so gut wie jeder Protest verboten werden. Denn Demonstrationen sind ja per se dafür da, Unmut über gesellschaftliche Verhältnisse zu äußern. Pyrotechnik, Flaschen- und Steinwürfe gibt es im bei anderen Demonstrationen zuhauf und trotzdem werden diese zu recht nicht verboten.
Die scheinheiligen Begründungen verdeutlichen, dass es darum geht, dem Staat und der deutschen Mehrheitsgesellschaft die Auseinandersetzung mit Palästinenser:innen und ihren Protesten zu ersparen: Es gab am Wochenende in Berlin kein öffentliches Gedenken an die Nakba. Für die deutsche Staatsräson »Solidarität mit Israel« wird die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausgesetzt.
Die Verbote in Berlin reihen sich ein in die kontinuierliche Einschränkung von Palästinenser:innen, den Ausschluss palästinensischer Menschen aus dem öffentlichen Raum und die Zensur, die seit Jahren in Deutschland zunimmt.
Ein Präzedenzfall öffnet die Tür
Es ist zu befürchten, dass diese Verbote als Präzedenzfall genutzt werden, um zukünftig Demonstrationen leichter zu untersagen. Dass die Berliner CDU in einem Positionspapier geringere Schwellen für Demonstrationsverbote durch Behörden und somit in der Konsequenz eine Aufweichung der Gewaltenteilung fordert, sind alarmierende Schritte in diese Richtung. Unabhängig davon, wie Linke zum Thema dieser Demonstrationen stehen, braucht es gemeinsame Anstrengungen zur Verteidigung der Versammlungsfreiheit und für das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Bild: Montecruz Foto
Schlagwörter: Demonstration, Internationalismus, Nakba, Palästina, Repression, Solidarität, Vertreibung