Der Berliner Schriftsteller und Soziologe Horst Bosetzky ist 80-jährig am 16. September 2018 verstorben. Ein Nachruf von Klaus-Dieter Heiser
Horst Bosetzky, am 1. Februar 1938 in Berlin geboren, in Nord-Neukölln aufgewachsen und von Haus aus Soziologe, verstand sich als »Altachtundsechziger«. Früh fand er den Weg in die Sozialdemokratie, in der er sich stets mit einer Portion kritischer Haltung loyal engagierte. Er war Mitglied im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS), einem Teil der Gewerkschaft ver.di, und vom Mai 2000 bis Juni 2014 dessen Vorsitzender in Berlin.
Als 1971 der erste Kriminalroman »Zu einem Mord gehören zwei« unter dem Autorenkürzel -ky erschien, gab es ein großes Rätselraten: Wer verbirgt sich dahinter? Soziologische Präzision in diesem und den folgenden rororo-Bänden ließ Fantasien über den Autor blühen. 1981 legte Horst Bosetzky sein Pseudonym offen: Professor für Soziologie an der Berliner Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege mit dem Schwerpunkt Organisationssoziologie. Er wollte es möglichst vermeiden, dass seine Hochschultätigkeit und seine Arbeit als Romanautor vermischt werden.
Bosetzky erfindet den Sozio-Krimi
Horst Bosetzky gilt als Erfinder des Sozio-Krimis. »Muss ein guter Kriminalroman denn immer auch die gesellschaftliche Wirklichkeit miteinbeziehen?« wurde er in einem rbb-inforadio-Interview aus Anlass seines 80. Geburtstages im Januar 2018 gefragt.
-ky erinnert: »Als ich angefangen habe zu schreiben, fehlte das soziale Element in den Krimis. Sie waren eher seichte Unterhaltung – ohne meine Kolleginnen und Kollegen kritisieren zu wollen. Hansjörg Martin, Richard Hey, Michael Molsner, Fred Breinersdorfer und ich haben dann versucht, soziale Wirklichkeit hineinzubringen. Damals lebte ich in Bremen, wollte Karriere machen bei Hans Koschnick im Stab und deshalb die Stadt nicht belasten. Deshalb habe ich den Ort Bramme erfunden, der aber die soziale Wirklichkeit von Bremen hat.«
Zwei sozialdemokratische Kriminalkommissare
Als -ky entwickelte er die Serienfigur des Kriminaloberkommissar Mannhardt in der Rolle des Ermittlers, ein unangepasster Beamter. Mehrere seiner Romane wurden verfilmt, so 1984 »Feuer für den großen Drachen«. Mannhardt ermittelt vor allem in Berlin und macht Karriere. Aber auch als Kommissar a.D. bleibt er bis zuletzt Hauptfigur in Bosetzkys Gegenwarts-Kriminalromanen.
Liest man heute diese in mehr als 40 Jahren geschriebenen Storys, so entsteht ein Panorama gesellschaftlicher Entwicklungen, nicht zuletzt weil stets neben jeweils aktuellen Ereignissen auch politische Bezüge hergestellt werden. So legt er, um ein Beispiel zu nennen, seinem Kriminalkommissar a.D. Mannhardt 2015 anlässlich einer Psychotherapiesitzung über positives Denken in den Mund: »Soll ich mich vielleicht freuen, dass ich seit Ewigkeiten in der SPD drin bin, es aber bei der nächsten Wahl nicht mehr fertigbringe, meine eigene Partei zu wählen?«
In den letzten Jahren entwickelte Horst Bosetzky als weitere Figur den Kommissars Fokko von Falkenrede, einen Kriminalisten, der während des Ersten Weltkrieges in Berlin ermittelt. Den Rahmen für seine Fälle bildet die vorrevolutionäre Situation in Berlin, der Hunger der Stadtbevölkerung, der Gegensatz von Massensterben an der Front und akribischer Mordermittlung in der Hauptstadt. Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen Hansjürgen Mannhardt und Fokko von Falkenrede: Beide sind Sozialdemokraten, eher auf dem linken Flügel.
Vielschreiber und Familiensaga
Bosetzky galt unter Schriftstellerkollegen als Vielschreiber. Auch darin folgte er seinem Vorbild Theodor Fontane, der berühmt wurde durch seine »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«, aber auch Verfasser historischer Romane und sogar von Kriminalgeschichten war. Die Liste der Veröffentlichungen Horst Bosetzkys ist lang: Neben den Krimis finden sich darin weitere Romane, Kurzprosabände zum Beispiel über den Berliner Nahverkehr, Kinder- und Jugendliteratur, Herausgeberschaften von Anthologien, Sachbücher und eine umfangreiche Bibliografie soziologischer Fachbücher und Fachartikel.
Eine besondere Rolle in Bosetzkys Werk spielt seine 1995 begonnene mehrbändige Familiensaga, die den Zeitraum der Jahre 1717 bis 2005 umspannt. Großen Erfolg hatten vor allen die drei mit autobiographischen Elementen verbundenen Neukölln-Bände um Manfred Matuschewski: »Brennholz für Kartoffelschalen« (1995), Erfahrungen aus den Nachkriegsjahren in Nord-Neukölln. Bosetzky konnte voll aus seinen Erinnerungen schöpfen: von 1946 bis 1951 besuchte er die Rütli-Schule. »Capri und Kartoffelpuffer« folgte zwei Jahre später, über die Jahre 1952 bis 1957. In »Champagner und Kartoffelchips« (1998) werden Lesende bis ins Jahr 1970 mitgenommen, als viele Entwicklungen begannen, die bis heute unser gesellschaftliches Leben prägen.
Bosetzky, der West-Berliner
Horst Bosetzky war ein West-Berliner Schriftsteller aus Neukölln, auch wenn er lange Jahre im nobleren Ortsteil Frohnau im Norden der Stadt wohnte. »Der West-Berliner weiß«, schreibt er 2005 leicht ironisch in »West-Berlin. Erinnerungen eines Inselkindes«, »dass er zu einer aussterbenden Spezies gehört. Rein biologisch mag es noch bis ins Jahr 2090 Menschen geben, die im alten West-Berlin zur Welt gekommen sind, aber schon im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausend wird es nur noch wenige geben, die mit Stolz verkünden: ›Ich bin ein West-Berliner!‹« Horst Bosetzky hat aufgeschrieben, was das bedeuten kann. Es lohnt sich, seine Romane zu lesen, um es herauszufinden.
Web-Hinweis:
Eine ausführliche Bibliografie findet sich hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Bosetzky
(Foto: Gabriele Senft)
Schlagwörter: 68er, Berlin, Krimi, Kriminalroman, Kultur, Sozialdemokratie, Soziologie, SPD