Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel gekippt – ein politisches Urteil, das nicht ohne Folgen bleiben wird. Ein Kommentar von Daniel Anton
1844 wusste Friedrich Engels schon Bescheid. In »Die Lage Englands« schreibt er über die Justiz: »Die Friedensrichter wie die Geschwornen sind selbst reich, sind aus der Mittelklasse genommen und daher parteilich für ihresgleichen und geborne Feinde der Armen. Und wenn der soziale Einfluß des Besitzes […] in Betracht genommen wird, so kann sich wahrlich kein Mensch über einen so barbarischen Stand der Dinge wundern.«
Klassenjustiz gegen Mietendeckel
Andere Zeiten, ja. Aber dass so etwas wie Klassenjustiz auch heute noch relevant ist, das beweist die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zum Berliner Mietendeckel. Nicht nur wurde die Kompetenz des Landes in der Frage der staatlichen Deckelung der in absurde Höhen schnellenden Mieten gekippt, sondern auch die schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Die eingesparten Mieten sollen komplett an die Eigentümer zurückgezahlt werden.
Geklagt hatten CDU/CSU und FDP im Bundestag. Der 2. Senat des Verfassungsgerichts, der die Entscheidung zum Mietendeckel getroffen hat, gilt als besonders konservativ. Der Vorsitzende war früher CDU-Innenminister in Thüringen. Konkret ausgedrückt: Die Bundesrichterinnen und -richter stoßen eher mit Champagner mit den Eigentümerinnen und Eigentümern an, als dass sie auch nur im entferntesten die Sorgen und Nöte von Mieterinnen und Mietern teilen oder überhaupt kennen. Ein Urteil unter Freunden.
Druck der Mietenbewegung
Bereits für heute Abend ist in Berlin Protest geplant und er wird auch in den kommenden Monaten bitter nötig sein. Für hunderttausende Menschen in Berlin hatte der Mietendeckel reale Auswirkungen im Geldbeutel. Laut einer Umfrage der Berliner Sparkasse haben 47 Prozent derjenigen, die vom Mietendeckel profitiert haben (rund 700.000 Personen) keine Rücklagen angelegt, vermutlich aus gutem Grund. Man war schlicht froh über die Einsparungen in einer Zeit in der die Mieten seit Jahren stiegen und die Löhne im besten Fall stagnieren.
Die Landesspitze der LINKEN reagierte mit einer schwachen Erklärung auf das Urteil. Dort ist anstatt von einer Stinkwut von »großem Bedauern« die Rede. Anstatt auf den nun umso dringender notwendigen Druck der Mietenbewegung zu setzen, der den Mietendeckel überhaupt erst möglich gemacht hat, wird ein »konsequenter Politikwechsel« eingefordert. Man fragt sich bei wem eigentlich. Der CDU?
Unsere Antwort: Enteignung
Immerhin gibt es einen positiven Bezug auf die Kampagne »Deutsche Wohnen und Co enteignen«. Die rückt durch das Urteil umso mehr in den Vordergrund.
Der Mietendeckel war ein Konstrukt auf Zeit und Franziska Giffey und andere Eigentümerfreunde in der SPD hatten bereits angekündigt, diesen nicht über die angelegten 5 Jahre zu verlängern, falls er Bestand gehabt hätte. Darüber müssen sie sich jetzt keine Sorgen mehr machen. Umso mehr müssen wir sie nun jedoch erzittern lassen vor einer Enteignung und Vergesellschaftung der Wohnungen der großen Immobilienkonzerne. Diese hält im besten Fall ein Leben lang.
Für heute Abend sind bereits Proteste angekündigt: Kommt zur angemeldeten Spontan-Demo um 18 Uhr zum Hermannplatz. Bringt (Topf-)Deckel mit! Mehr Infos gibt es auf mietenwahnsinn.info
Auch DIE LINKE Neukölln ruft zu den Protesten auf. Hier findest Du das Flugblatt:
Foto: Uwe Hiksch
Schlagwörter: Inland, Mieten, Mietenbewegung