Trainer, Spieler und Fans haben mit ihren Protesten die Super League vorerst gestoppt. Doch die Fußball-Konzerne werden versuchen zurückzukommen. Von Hans Krause
»Wir haben den Fußball gerettet« riefen am 20. April über 1000 Fans zusammen vor dem Stadion »Stamford Bridge« in London. Zu Beginn ihrer Demo sah es noch so aus, als würde ihr Verein FC Chelsea zusammen mit elf anderen Spitzen-Klubs den europäischen Profi-Männerfußball radikal verändern.
Doch weil Fans in ganz Europa und sogar viele Spieler der Vereine die Pläne scharf ablehnten, zog sich im Laufe des Abends ein Klub nach dem anderen zurück. Die Super League ist wohl das am schnellsten gescheiterte Sportprojekt der Geschichte.
Super League nur mit Einladung
Zwei Tage zuvor hatten sechs englische, drei spanische und drei italienische Vereine veröffentlicht, was sie vorhaben und das hatte es in sich: Insgesamt 20 der besten Mannschaften sollten die jetzige Champions League verlassen und stattdessen in der Super League spielen. Aufgeteilt in zwei Zehnergruppen mit Hin- und Rückspiel. Die besten drei jeder Gruppe erreichen das Viertelfinale. Der Fünfte und Selchste spielen eine Play-off-Runde um die restlchen beiden Viertelfinal-Platze.
Was auf den ersten Blick wie dasselbe in Grün aussieht, wäre in Wirklichkeit ein grundsätzlicher Wandel. Denn erstens sollten sich die Vereine nicht mehr wie für die jetzige Champions League durch ihre Platzierung in der nationalen Liga qualifizieren. Stattdessen sollten 15 Vereine immer teilnehmen und jedes Jahr fünf weitere nach den Wünschen der Gründungsmitglieder eingeladen werden.
Vollständig privatisieren
Wenn Eintracht Frankfurt sensationell deutscher Meister wird und Bayern München Zweiter, spielt in der Super League trotzdem München und Frankfurt nicht. Ein Blick auf die aktuellen Tabellenstände zeigt, wie einschneidend diese Regel wäre. Allein dieses Jahr werden sich die für die Super League vorgesehenen Vereine Dortmund, Tottenham, Liverpool und Arsenal London voraussichtlich nicht für die Champions League qualifizieren.
Außerdem sollte die Super League nicht mehr vom Europäischen Fußballverband UEFA ausgetragen werden, sondern ein Unternehmen im Privatbesitz der zwölf Gründungsmitglieder sein. Dann würde nicht nur viel zu wenig, sondern kein Cent der Gewinne an Fußballverbände in armen Ländern wie der Republik Moldau oder Ukraine gehen.
Raus aus den Ligen
Und am wichtigsten: Die Super League hätte mittelfristig zum Austritt der teilnehmenden Vereine aus den nationalen Ligen und Pokalen geführt. Zwar sollten die Spiele werktags stattfinden. Angeblich um am Wochenende »den traditionellen Kern der heimischen Ligen zu schützen«.
Doch mit dem geplanten Modus hätte jede Mannschaft pro Saison mindestens 18 Super-League-Spiele bestritten. Die beiden Endspielteilnehmer 23 oder 25. Zum Vergleich: In der jetzigen Champions League spielt jede Mannschaft mindestens sechs, die Endspielteilnehmer 13 mal.
Bundesliga ohne Bayern
Mit dieser Zahl an Super-League-Spielen hätten die Vereine in den natioalen Wettbewerben entweder mit einer Reserve-Mannschaft oder gar nicht mehr antreten müssen. Kein noch so austrainierter Profi kann dauerhaft am ersten Mittwoch gegen Manchester United spielen, am folgenden Mittwoch gegen Inter Mailand und am Samstag dazwischen ein Spiel im nationalen Pokal mit Verlängerung einschieben.
Schon dieses Jahr stellte Manchester Citys Trainer Pep Guardiola im englischen Pokal selbst im Halbfinale gegen Chelsea acht Ersatzspieler auf und verlor 0:1. Super League hieße englische Liga ohne Liverpool, spanische Liga ohne Madrid und Bundesliga ohne Bayern München und Dortmund. Auch Auf- und Abstieg zwischen Super League und nationalen Ligen war nicht vorgesehen.
Fußball dem Profit verpflichtet
Der Grund warum die Vereinsvorstände den Profifußball umwälzen wollten, ist, Sie ahnen es, sehr viel Geld. Die Spitzenvereine sind international arbeitende Unternehmen mit jährlich hunderten Millionen Euro Umsatz. Sie sind teils an der Börse wie Dortmund oder Juventus Turin, teils als Anlageobjekt im Besitz von Milliardären, aber auf jeden Fall dem Profit verpflichtet.
Mit der Umwandlung der Liga in Privateigentum, der garantierten Teilnahme für die Spitzenvereine und dem mittelfristigen Rückzug aus den nationalen Ligen ließen sich die Gewinne deutlich erhöhen. Die Super-League-Gründer selbst schätzten die jährlichen Einnahmen auf 10 Milliarden Euro. Deutlich mehr als in der jetzigen Champions Leauge, verteilt auf weniger Klubs. Die Bank JP Morgan Chase plante, zum Start 3,5 Milliarden in das Projekt zu investieren.
Gegen Mailand schauen Chinesen zu
Möglich gemacht werden sollten solche Summen durch eine radikalere Ausrichtung der Spiele auf Profit. Während sich die Zahl der Fußball-Zuschauer in Europa kaum noch steigern lässt, bieten Übertragungen in China, Indien, Indonesien riesige Wachstumschancen. Selbst in den USA werden die europäischen Fußballmannschaften immer beliebter.
Dafür müssen zum Beispiel die Uhrzeiten der Spiele verändert werden. Anstoß um 14 Uhr, weil es dann in Shanghai 20 Uhr ist oder um 2 Uhr nachts für die Übertragung in New York.Vor allem aber müssen dafür die Spitzenmannschaften möglichst viel und möglichst ausschließlich gegeneinander spielen. Wenn München gegen Mailand spielt, schauen mehr Chinesen als Deutsche zu; gegen Mainz eher nicht.
Nicht an Regeln halten
Gelingt es diesen Konzernen, die Spiele der Kontrolle der Fußball-Verbände zu entziehen, muss man sich auch buchstäblich nicht mehr an deren Regeln halten. Spiele mit vier Vierteln statt zwei Halbzeiten wären möglich, um mehr Pausen für Werbung zu haben. Oder Time Outs für Zwischenbesprechungen der Mannschaften, in denen ebenfalls Werbung gezeigt würde.
Genau diese Regeln wurden vor Jahren im Basketball eingeführt. Nicht für die Spieler oder Fans, sondern um mehr Geld zu verdienen.
Wegen der riesigen Profit-Möglichkeiten sind die Vorstände der Spitzenvereine den Konflikt mit den eigenen Trainern, Spielern und den Fans eingegangen und haben diesmal verloren. Doch genau wegen dieser Möglichkeiten werden sie es wieder tun. Wahrscheinlich besser vorbereitet, in Absprache mit Regierungen, Fußball-Verbänden und Spitzenspielern, die auswendig gelernt haben, warum ein neues Super-League-Modell viel, viel schöner für alle sei. Der Präsident des FC Barcelona Joan Laporta hat nur zwei Tage nach ihrer Auflösung gesagt, die Super League sei »weiter nötig« und der Präsident von Real Madrid Florentino Perez, sie sei „nicht tot, sondern nur auf Stand-By“.
Für die Liebe zum Fußball
Vielleicht können wir beim nächsten Versuch die endgültige Privatisierung und Kommerzialisierung des Fußballs ein weiteres mal verhindern und vielleicht auch nochmal. Doch um nicht doch noch den Kürzeren zu ziehen, sollten wir so bald wie möglich auch ein Wirtschaftssystem in Frage stellen, das alles, aber auch alles zu einer Ware macht und den Sport dem Streben nach Profit unterwirft.
Denn es gibt sehr viele Gründe, den Kapitalismus zu stürzen. Und die Liebe zum Fußball ist einer davon.
Das Foto zeigt die Allianz-Arena 2019, vor den coronabedingten Kontaktbeschränkungen.
Foto: flickr.com/Ungry Young Man (CC 2.0 BY)
Schlagwörter: Fußball