Ein Symbol für Privilegien und Kolonialismus ist gerade gestorben. Die Königin und die Royals sind keine Freunde der Britinnen und Briten. Von Phil Butland
Am 8. September 2022 starb eine 96 Jahre alte Frau. Das ist nichts Ungewöhnliches. Im Durchschnitt sterben im Vereinigten Königreich jeden Tag 1.679 Menschen. Doch dieses Mal gaben alle, von den British Kebab Awards bis zu The Prodigy, überschwängliche, kriecherische Erklärungen ab. Großbritanniens idiotische Premierministerin im Wartestand, Liz Truss, nannte die Verstorbene »einen der größten Führerinnen der Welt«.
Während Großbritannien in ein zehntägiges Gedenken geschickt wurde, breitete sich der Wahnsinn auch in Deutschland aus. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte sie ein »Vorbild und eine Inspiration für Millionen«, während Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey sagte, dass die »Kraft ihrer großen Persönlichkeit uns Berliner:innen immer fasziniert hat«. Ihr zu Ehren wurde das Brandenburger Tor in den Farben der Unionsflagge erleuchtet.
Selbst John Lydon, der als Johnny Rotten einmal schrieb: »Gott schütze die Königin. Sie ist kein menschliches Wesen. Es gibt keine Zukunft in Englands Träumen«, mischte sich ein. Er postete die folgende Nachricht in den sozialen Medien: »Ruhe in Frieden Köngin Elizabeth II. Schickt sie siegreich. Von allen von johnlydon.com«.
Extinction Rebellion hatte ein sogenanntes Festival des Widerstands in London geplant. Sie gaben eine Erklärung ab, in der es heißt: »Aufgrund der heutigen Nachrichten über das Ableben von Königin Elizabeth haben das Rebellion-Planungsteam und andere beteiligte Gruppen die schwierige Entscheidung getroffen, das Festival des Widerstands an diesem Wochenende in London bis auf weiteres zu verschieben.« Es gibt also keine Zeit zu verlieren, um Widerstand gegen den Klimawandel zu leisten – es sei denn, eine privilegierte alte Frau stirbt?
Der Gewerkschaftsbund (TUC) hat seine Konferenz verschoben. Die Post- und die Bahngewerkschaft sagten geplante Streiks ab, obwohl interessanterweise die Anwälte weiterhin streiken werden. Der Vorsitzende der Eisenbahngewerkschaft RMT, Mick Lynch, erklärte: »Die RMT schließt sich der ganzen Nation an, um Königin Elizabeth die letzte Ehre zu erweisen.«
Dies ist derselbe Mick Lynch, der einige Tage zuvor stolz seine Liebe zu James Connolly erklärte. In einem Fernsehauftritt fragte er seinen Gesprächspartner: »Wissen Sie, wer James Connolly ist? Er war ein irischer sozialistischer Republikaner, er hat sich selbst gebildet und die nicht-sektiererische Gewerkschaftsbewegung in Irland gegründet. Und er war ein Held der irischen Revolution.«
James Connolly war in der Tat ein irischer Revolutionär, der Folgendes schrieb: »Ein Volk, das geistig durch die Bewunderung des Königtums vergiftet ist, kann niemals jenen Geist der selbständigen Demokratie erreichen, der für die Erlangung der sozialen Freiheit notwendig ist.« Leider zeigt Connollys berühmtester Unterstützer genau diese Art von Bewunderung.
Eine Königin genau wie wir?
Der Vorsitzende der Labour-Partei, Keir Starmer, twitterte: »Jenseits der politischen Auseinandersetzungen stand sie nicht für das, worüber die Nation kämpfte, sondern für das, worüber sie sich einig war« (die vollständige, abscheuliche Erklärung der Labour-Partei können Sie hier lesen). Aber wie sehr glich das Leben dieser privat ausgebildeten Frau mit 30 Schlössern dem einer normalen Rentnerin?
Eine der letzten Handlungen von Elizabeth Windsor war die Zahlung von 12 Millionen Pfund für die Gerichtskosten ihres Sohnes Andrew. Andrew wird beschuldigt, Virginia Giuffre als Teenager sexuell missbraucht zu haben, und die Beweise gegen ihn sind erdrückend. Es ist nicht einmal unumstritten, dass er regelmäßig mit bekannten Pädophilen und Sexhändlern verkehrte.
Andrew ist nicht der erste Sexualstraftäter, der königliche Paläste besucht. Der Serienvergewaltiger Jimmy Savile nutzte Besuche in Palästen, um sich junge Frauen zu schnappen und ihre Arme zu lecken. Als Prinz Charles und Prinzessin Diana Eheprobleme hatten, stellten sie Savile als Berater ein. Charles bat ihn, das Image der baldigen Ex-Frau seines Bruders, Sarah Ferguson, zu verbessern.
Wie viel?
Während viele britische Rentner:innen jeden Winter an Unterkühlung sterben, haben die Royals eine jährliche Gasrechnung von 2,5 Millionen Pfund. Es fällt ihnen nicht schwer, dies zu bezahlen. Das Magazin Forbes schätzte letztes Jahr den Wert der königlichen Familie auf 28 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr erhielten sie aus dem Sovereign Grant, der die Civil List ablöste, 86,3 Millionen Pfund, gegenüber 42,8 Millionen Pfund fünf Jahre zuvor. Dieses Geld wird von britischen Steuerzahler:innen bezahlt.
Wie Bailey Schulz in USA Today berichtete, hat das »persönliche Vermögen der Köngin aus Investitionen, Immobilien, Juwelen und mehr einen geschätzten Wert von 500 Millionen Dollar«. Das Herzogtum Cornwall von Prinz Charles erbt das gesamte Vermögen von Personen, die in Cornwall sterben, ohne ein Testament zu machen. Sein Nachlass im Wert von einer Milliarde Pfund geht nun auf Prinz William über.
Den Royals gehören 1,4 % aller Grundstücke in England, darunter fast die gesamte Regent Street und der größte Teil des britischen Meeresbodens. Sie haben ihren eigenen Zug, der mindestens 800.000 Pfund pro Jahr kostet, und einen Hubschrauber, der fast eine Million Pfund kostet. Eine neue königliche Jacht wird für 250.000 Pfund gebaut. Selbst Elizabeths Beerdigung wird die britischen Steuerzahler:innen sechs Milliarden Pfund kosten.
Zehn Millionen Pfund des Privatvermögens der Königin wurden in Offshore-Textparadiesen wie den Cayman-Inseln und Bermuda angelegt. Es ist ein Fortschritt, dass sie das Bedürfnis verspürt, ihre Steuern zu verstecken. Sie hat sich erst 1992 bereit erklärt, überhaupt Einkommensteuer zu zahlen, als die Popularität der Royals auf dem Tiefpunkt war.
Während der Corona-Pandemie erhielt die Königin eine Ausnahmeregelung vom Räumungsverbot und ließ ein Ehepaar aus einem ihrer zahlreichen Anwesen vertreiben. Der Grund? Sie benutzten eine Gemeinschaftssteckdose, um ihr Elektroauto aufzuladen. Im Jahr 2004 bat die Königin einen staatlichen Armutsfonds, der einkommensschwachen Familien hilft, die Heizkosten für den Buckingham Palace zu übernehmen.
Trotz ihres enormen Reichtums waren die Royals nicht bereit, sich um ihre eigene Familie zu kümmern. Im Jahr 1941 wurden Nerissa und Katherine Bowes-Lyon, Elizabeths Cousinen ersten Grades, in das »Royal Earlswood Asylum for Mental Defectives« eingewiesen. Sie hatten beide ein geistiges Alter von etwa drei Jahren und lernten nie sprechen.
Im Jahr 1961 wurden sie als verstorben gemeldet, obwohl Nerissa tatsächlich 1986 starb und in einem Armengrab beigesetzt wurde. Katherine starb im Jahr 2014. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, dass jemand sie besucht hat. Eine Krankenschwester berichtete: »Auch zu Weihnachten haben sie nie etwas bekommen, nicht einmal eine Wurst.« Die Royals schickten dem Krankenhaus 125 Pfund pro Jahr für ihre Pflege, erkannten ihre Existenz aber nie öffentlich an.
Das Erbe des Kolonialismus
Die britische Monarchie hatte schon immer eine enge Beziehung zu Kolonialismus und Imperialismus. Elizabeths Ururgroßmutter Victoria nannte sich selbst Kaiserin von Indien und leitete die Expansion des britischen Weltreichs.
Prinzessin Elizabeth erfuhr, dass sie Königin werden sollte, als sie in Kenia die kolonialen Interessen Großbritanniens vertrat. Später im selben Jahr schlugen britische Truppen die Mau-Mau-Rebellion im selben Land brutal nieder. Wie die New York Times berichtete: »Das harte Vorgehen gegen die Kenianer:innen, das nur wenige Monate nach der Thronbesteigung der Königin begann, führte zur Einrichtung eines riesigen Systems von Gefangenenlagern und zur Folterung, Vergewaltigung, Kastration und Ermordung von Zehntausenden von Menschen.«
Die Monarchin ist Oberhaupt der britischen Armee und hat das Recht, Soldat:innen zu rekrutieren, Offiziere zu ernennen und über die Stationierung britischer Truppen auf fremdem Boden zu verhandeln. Unter Elizabeths Aufsicht marschierten britische Truppen in Ägypten ein, nachdem Präsident Nasser in den Suezkanal eingedrungen war, erschossen 14 unbewaffnete Zivilist:innen in Derry und fungierten als Gepäckträger bei unzähligen imperialen Abenteuern der USA.
Die königliche Familie profitiert weiterhin von der Ausbeutung der Kolonialzeit. Die neue Königin Camilla wird die Krone erben, in der sich der Koh-i-Noor-Diamant befindet, der einen Wert von 400 Millionen Dollar hat und als unbezahlbar gilt. Der indische Wirtschaftswissenschaftler Utsa Patnaik schätzt, dass die von den Briten zwischen 1765 und 1938 gestohlenen Güter allein auf dem indischen Subkontinent einen Wert von 45 Billionen Dollar haben.
Die königliche Familie unterstützt weiterhin den Imperialismus. Als BAE Systems 72 Typhoon-Kampfflugzeuge an die saudi-arabische Diktatur verkaufte, tanzte Prinz Charles am Abend vor der Unterzeichnung des Vertrags mit saudischen Prinzen in Riyadh. Andrew Smith von der Campaign Against the Arms Trade meint dazu: »Es ist klar, dass Prinz Charles von der britischen Regierung und BAE Systems als Waffenhändler benutzt wurde«.
1975, als eine Mehrheit der Australier:innen die Kühnheit besaß, für den Labor-Politiker Gougb Whitlam. Es war der Vertreter der Königin, der Whitlam entließ und eine konservative Regierung ins Amt brachte. So viel dazu, dass die Royals über der Politik stehen würden.
Rassismus und die königliche Familie
Elizabeths Ehemann Philip war für seinen Rassismus bekannt, den die Medien kurioserweise als »Fauxpas« bezeichneten. Bei einem Staatsbesuch in China 1986 sagte er britischen Student:innen, dass sie, wenn sie im Land blieben, »schlitzäugig« würden. 1998 fragte er einen britischen Studenten in Papua-Neuguinea: »Sie haben es also geschafft, nicht gefressen zu werden?«. Vier Jahre später fragte er in Australien einen Aborigine: »Werfen Sie immer noch mit Speeren?« Philips Schwager war ein enger Mitarbeiter von SS-Chef Heinrich Himmler.
Philip war nicht der einzige Rassist in der Familie. Elizabeths Mutter nannte Schwarze gerne »Nig Nogs«. Als Stephen Fry der Schwester der Königin, Margaret, erzählte, dass er Jude sei, »drückte sie ihr Entsetzen aus, indem sie allen anderen an ihrem Tisch zurief: »Er ist ein Jude. Er ist ein Jude.« Margaret sagte einmal dem Bürgermeister von Chicago, dass »die Iren Schweine sind, alles Schweine«.
Oft wird uns die »tragische Geschichte« von Elisabeths Onkel Edward erzählt, der abdanken musste, weil er eine Geschiedene heiraten wollte. In Wahrheit war das Establishment eher besorgt, dass sowohl Edward als auch seine Verlobte offene Nazis waren, die im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs regelmäßig Hitler besuchten. Im Jahr 2015 veröffentlichte The Sun unter der Schlagzeile »Their Royal Heilnesses« exklusive Fotos von Edward, der einer jungen Prinzessin Elizabeth und ihrer Schwester den Nazigruß beibringt.
Mindestens bis in die 1960er Jahre verbot der Buckingham-Palast »farbigen Einwander:innen oder Ausländer:innen« die Arbeit. Auch heute noch ist der Monarch von mehreren Gesetzen ausgenommen, einschließlich derjenigen, die die rassische, ethnische oder sexuelle Gleichstellung betreffen.
Der Rassismus hält bis in die Gegenwart an. Als Meghan Markle den Enkel der Königin erwartete, äußerten Mitglieder des britischen Königshauses »Bedenken und Gespräche« darüber, wie dunkel die Haut ihres Sohnes sein würde. Ihr Ehemann Harry sagte, dass Rassismus ein »großer Teil« des Grundes war, warum das Paar das Vereinigte Königreich verließ.
Brauchen wir eine Galionsfigur?
Kurz nach Elizabeths Tod schrieb die Blair-nahe Journalistin Polly Toynbee einen ungeheuerlichen Artikel im Guardian, in dem sie erklärte: »Jede Nation braucht ein Aushängeschild, und so pervers der Zufall auch sein mag, in diese Rolle hineingeboren zu werden, sie hat sie mit bemerkenswertem Geschick und Würde ausgefüllt.« Mit anderen Worten: Kennt euren Platz, Plebs.
Aber brauchen die Britinnen und Briten wirklich eine Galionsfigur, hinter der sie sich vereinen können? Die Britinnen und Briten aus der Arbeiter:innenklasse haben mehr mit anderen Arbeiter:innen in Berlin und Kalkutta gemeinsam als mit einer Tory-Regierung, die behauptet, wir säßen alle im selben Boot, während sie gleichzeitig den Lebensstandard angreift und die Gewinne an ihre Freunde in der City weiterreicht. Wir brauchen keine vorgetäuschte Einigkeit mit den Leuten, die dafür verantwortlich sind, dass unsere Löhne niedrig und unsere Mieten hoch bleiben.
Wir werden aufgefordert, die Königin zu entlassen, weil sie eine alte Frau war, nur ein Symbol. Aber was sie symbolisiert, ist genau das Problem – das Empire, der Kolonialismus und die Tatsache, dass man, wenn man in die richtige Familie hineingeboren wird, garantiert einen gut bezahlten Job bekommt.
Ein Volk, das geistig durch die Bewunderung des Königtums vergiftet ist, kann niemals jenen Geist der selbständigen Demokratie erreichen, der für die Erlangung der sozialen Freiheit notwendig ist.
Die Monarchie kann ohne den rassistischen Glauben an das Geburtsprivileg nicht überleben. Wie John Mullen sagt: »Die Existenz eines Königs oder einer Königin steht für das Prinzip, dass eine Familie einer anderen von Geburt an überlegen ist – privilegierter, reiner, tugendhafter, aufgrund ihrer Abstammung. Dies ist die Idee, die die Menschheit von der antiken Sklaverei bis zu den Nazis geplagt hat«.
Es ist nicht nur so, dass die Royals ihre Posten aufgrund ihrer Geburt und nicht aufgrund ihrer Verdienste erhalten. Es ist viel schlimmer als das. Sie sind alle in Privilegien hineingeboren, haben eine private Ausbildung und verstehen nicht, wie die meisten von uns leben. Es ist kein Zufall, dass so viele von ihnen als rechtsextreme Rassist:innen enden. Sogar der »fortschrittliche«, der eine schwarze Frau geheiratet hat, ging »zum Spaß« in einer Nazi-Uniform zu einer Kostümparty.
Die Royals sind nicht repräsentativ für das Land als Ganzes. Sie sind Vertreter:innen ihrer Klasse. Als Paris Hilton twitterte, die Königin sei die »ursprüngliche Chefin«, hatte sie recht, auch wenn sie die Tragweite ihrer Aussage nicht verstand.
Es heißt, die Monarchie stehe über der Politik, ihre Rolle sei rein symbolisch. Wenn das stimmt, warum muss das britische Volk sie dann so hoch bezahlen? Warum dürfen Elizabeths Verwandte die teure Beute der kolonialen Enteignung behalten? Wenn die Opfer des Kolonialismus zu Recht die ihnen zustehenden Reparationen einfordern, sollte ihre erste Station nach dem Britischen Museum der Buckingham Palace sein.
Wie geht es nach der Königin weiter?
Was geschieht nun, da Großbritannien von einem Mann regiert wird, der weit weniger beliebt ist als seine Mutter, der jemanden beschäftigt, der ihm die Schnürsenkel bügelt, und der einmal davon träumte, der Tampon seiner Geliebten zu sein?
In der britischen Gesellschaft vollzieht sich ein Wandel, den wir nicht überbewerten sollten, der aber nicht unbedeutend ist. Eine statista-Umfrage aus dem Jahr 2022 besagt, dass »jüngere Altersgruppen die Monarchie zunehmend ablehnen, wobei 31 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sich stattdessen für ein gewähltes Staatsoberhaupt aussprechen.« Dies geschah unter der relativ beliebten Elizabeth. Eine andere Umfrage aus dem Jahr 2022 ergab, dass zwei Drittel der Britinnen und Briten nicht wollten, dass Charles die Nachfolge seiner Mutter antritt.
Die Unterstützung für die britischen Royals ist seit mehreren Jahrzehnten rückläufig. Aus diesem Grund versucht meine Freundin Jacinta Nandi, den Hashtag #THETIMEISNOW populär zu machen. Obwohl ich denke, dass die Zeit schon vor 1.000 Jahren war, bedeuten steigende Preise und eine wachsende Diskrepanz zwischen Arm und Reich, dass sich die Britinnen und Briten die Royals nicht mehr leisten können. Es ist Zeit für sie zu gehen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf »The Left Berlin« https://www.theleftberlin.com/the-queen-is-dead-republic-now/
Foto: William Warby
Schlagwörter: Großbritannien