In katholischen Heimen in Irland quälten und demütigten Ordensschwestern ihre Schützlinge. Die mittlerweile 796 gefundenen Skelette von Kleinkindern zeigen: Der Schrecken hatte System. Mord durch Vernachlässigung, Bigotterie und Klassenvorurteile – das sind die Zutaten, die hinter den schrecklichen Verbrechen von Tuam stehen. Von »Socialist Worker Ireland«
Niemand wird es wagen, die Verbrechen von Tuam zu verteidigen. Die »beiläufige« und »routinemäßige« Entsorgung von Hunderten toten Kleinkindern in einem Faulbehälter ist nicht zu verteidigen. Aber die Frage, auf die uns die Herrschenden keine Antwort geben werden ist: Wie konnte so etwas passieren und warum wurde es vertuscht?
Jede zweite Woche starb ein Kleinkind im »Bon Secours«-Heim für »gefallene Mädchen« – ledige Mütter – in der westirischen Kleinstadt Tuam. Wie war das möglich? Warum wurde das geduldet?
Kirche und Staat: Zwei Flügel einer Klasse
Die kurze Antwort ist, dass Kirche und Staat zusammengearbeitet haben, um die Verbrechen zu ermöglichen und zu vertuschen. Die Kirchen- und Staatsoberen sind zwei Flügel derselben Klasse, die seit der Niederlage der irischen Revolution im Bürgerkrieg 1922–23 über diesen Staat herrscht. Das ist die Klasse der Bosse und der Banker, der Großgrundbesitzer und der großen Vermieter, der Bauunternehmer und der Spekulanten – des gierigen »einen Prozents«.
Und die beiden Flügel dieser Klasse – personifiziert durch Eamonn De Valera, langjähriger irischer Ministerpräsident und von 1959 bis 1973 Präsident von Irland, sowie durch den Erzbischof von Dublin John McQuaid – betrachteten sich gegenseitig als Stützen, um das sündige gefährliche Volk unter Kontrolle zu halten.
Die verbotene Frucht des Geschlechtsverkehrs
Das Volk war in ihren Augen gefährlich, weil es mit der Erbsünde geboren wurde. Daher musste es zur Ordnung angehalten werden. Die Menschen wurden mit der Erbsünde geboren, weil Adam von der bösen Eva in Versuchung geführt wurde, Eva wiederum von Satan. Und was war diese Versuchung? Es war Sex – die verbotene Frucht des Geschlechtsverkehrs. Es passte alles zusammen.
Also waren unverheiratete Mütter doppelt sündig – Symbole der lüsternen unbändigen Wollust. Sie mussten versteckt werden. Und ihre unehelichen, »illegitimen« Kinder waren Produkte dieser doppelten Sünde, welche man ihnen mit Prügel und Hunger austreiben musste.
Arm, faul und sündig
Und wenn die Frauen und ihre unehelichen Kinder aus der Arbeiterklasse kamen und arm waren? Der wahrscheinliche Grund dafür war in den Augen der Herrschenden, dass sie faul und sündig seien. Und außerdem bedeutete eine Herkunft aus der Arbeiterklasse, dass sie keine mächtigen Verwandten oder Freunde hatten, die Theater machen oder heikle Fragen stellen könnten.
Also wurden die Leichen der Kinder, die nachdem man sie ihren Müttern weggenommen hatte durch Krankheit, Hunger und Vernachlässigung gestorben waren, im Faulbehälter auf dem Grundstück des Heimes entsorgt. Niemand stellte Fragen.
Die Erben der Verantwortlichen
Das alles ist nicht lange her – es ist nicht Teil eines »alten Irlands«, das mit McQuaid und De Valera – oder spätestens mit dem erfolgreichen Volksentscheid über gleichgeschlechtliche Ehen – gestorben ist. Nein, hinter den Kulissen lenken die politischen und sozialen Erben dieser Menschen weiterhin das Land. Es sind dieselben Menschen, die die Frechheit besitzen, uns über Abtreibung zu belehren und mit Händen und Füßen gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen kämpfen.
Und was ausschlaggebend ist, es sind dieselben Menschen, die sich bei der Rettung der Banken beeilten und die mit Apple bei der Steuerhinterziehung zusammenwirken, während Obdachlose auf der Straße verkommen und Kranke in den Kliniken auf fahrbaren Tragen im Gang stehen.
Tuam und die Macht der Kirche
Der »Bon Secours«-Orden, der das Heim in Tuam betrieben hat, ist heute, wie er auf seiner Webseite prahlt, »die größte unabhängige [private] Krankenhauskette in Irland mit über 2000 Mitarbeitern und 350 führenden Spezialisten«.
Der Einfluss der Kirche ist in Irland auch heute noch gewaltig. Nach wie vor übt sie die Kontrolle über das Bildungswesen aus. Wie kann es sein, dass eine Einrichtung, die für Skandale wie Tuam oder die Magdalenenheime verantwortlich ist und die Schuld am massenhaften sexuellen Missbrauch von Kindern hat, unsere Schulen betreibt?
Der Kirche muss die Kontrolle über das Bildungswesen entzogen werden. Die 8. Verfassungsänderung, die das Recht auf Abtreibung verbietet, muss sofort aufgehoben werden. »Lebensschutz« – das ist nichts als eine Lüge. Es ist ihnen egal, ob Frauen oder Kinder sterben. Wir brauchen eine vollständige Trennung von Kirche und Staat. Irland hat sich verändert – die Hinterwäldler klammern sich immer noch an die Macht und blockieren den Fortschritt. Es reicht!
Der Artikel erschien zuerst auf Socialist Worker Ireland. Übersetzt aus dem Englischen von Einde O’Callaghan.
Schlagwörter: Abtreibung, Irland, Kirche, Missbrauch