Die Regierung in Irland weigert sich den Weltkonzern Apple zu besteuern, obwohl sie von der Bevölkerung harte Einschnitte verlangt. Der irische Parlamentsabgeordnete Richard Boyd-Barrett über den Steuerskandal in Irland und die Gegenmaßnahmen der Linken.
Die US-amerikanische Computerfirma Apple hat einen Sturm der Entrüstung wegen Nichtzahlung von Steuern in Irland ausgelöst. Die EU hat geurteilt, dass der Konzern, der zuletzt einem Besteuerungssatz von 0,005 Prozent unterlag, 13 Milliarden Euro an Nachsteuern schuldet. Der Staat hat im Zusammenhang mit den EU-Ermittlungen rund eine Milliarde Euro ausgegeben, um diesen Zustand beizubehalten. Nun will er weitere öffentliche Gelder ausgeben, um sicherzustellen, dass wir die 13 Milliarden nicht bekommen. Nicht einmal ein Märchenerzähler könnte sich eine solche Geschichte ausdenken.
Krise in Irland
Irland leidet unter einer erdrückenden Krise der öffentlichen Dienstleistungen und um sich greifenden Niedriglöhnen. Man könnte meinen, jede Regierung würde sofort zuschlagen. Diese Summe wird als »Zufallsgewinn« eingestuft. Das stimmt nicht. Das sind fällige Steuern, die eingezogen und für Soziales eingesetzt werden müssten. Damit könnte die Regierung die schockierende Last der Austeritätspolitik mildern.
Linke mobilisiert gegen Apple
Aktivisten und Aktivistinnen der linken Wahlallianz »Irland« mobilisieren auf der Straße mit der Forderung nach Eintreibung dieser Steuerschuld. Als es um die Einführung von Wassergebühren, der Grundsteuer und vielerlei Kürzungen ging, haben Politiker stets behauptet, es fehle an Geld. Die Menschen kochen vor Wut, vor allem die Armen und alle, die unter der Wohnungskrise und der Krise im Gesundheitswesen leiden, weil jetzt die Wahrheit ans Licht gekommen ist.
Steueroase Irland
Wenn es kein Geld gibt, liegt es daran, dass es von den Konzernen mit Zustimmung der Regierung abgezapft wurde. Dieser Skandal bestätigt, was die Linke in Irland schon seit Jahren sagt und die Regierung stets geleugnet hat: Die größten und profitabelsten US-amerikanischen Multis mit Sitz in Irland haben beharrlich, in Zusammenarbeit mit der Regierung und den Finanzbehörden, Abermilliarden an Steuern hinterzogen. Das ist Betrug im großen Stil und nun wurden sie dabei ertappt.
Die Verstrickungen des Establishments in Irland
Das gesamte Establishment, die Regierungspartei Fine Gael (FG), aber auch Fianna Fail (FF) und die Labour Partei, hatten ihre Finger in diesem Spiel doppelter Steuersätze. Sie haben stets die Reihen geschlossen, um die internationalen Konzerne zu schützen. Im Jahr 2013 habe ich im Sonderausschuss für Unternehmenssteuern den Antrag gestellt, Apple, Google, Facebook und andere, von denen man annehmen konnte, dass sie das doppelte Steuersystem Irlands nutzen, einbestellt und befragt werden. Fine Gael, Fianna Fail, Labour and einige rechten Unabhängigen schmetterten den Antrag einfach ab. Sie stimmten sogar dafür, die Kameras abzuschalten, damit die Öffentlichkeit die Debatte nicht mitkriegt. Die Regierung behauptet, es wäre gar nicht von Vorteil, die dreizehn Milliarden einzutreiben.
Die Argumente der Regierung
Als erstes behauptete sie, die Steuereinnahmen würden von der Zahlung der Staatsschuld verschluckt. Die EU wies darauf hin, dass das nicht stimmte. Dann behauptete der Finanzminister Michael Noonan, dass das Eintreiben der Steuer, und überhaupt der Versuch, die Konzerne zu höheren Steuern zu zwingen, das Gleiche wäre, wie wenn man die Saatkartoffeln verzehrte. Dies unglückliche Analogie ruft Erinnerungen an die 1840er Jahre hervor. Damals war die Landwirtschaft in Irland Abhängigkeit von nur zwei Kartoffelsorten die jedoch die Ausbreitung der Pfanzenkrankheit Mehltau begünstigte. Die Folge war eine totaler Ernteausfall und eine vernichtende Hungersnot.
Irland am Tropf der Auslandsinvestitionen
Heute setzt die Regierung alles auf das Pferd direkter Auslandsinvestitionen. Der Clinch unterstreicht, wie der Staat den Reichtum der Minderheit vor der großen Mehrheit, die ihn schafft, schützt. Sein gesamter Apparat ist darauf ausgerichtet, alles im Interesse der kapitalistischen Klasse zu organisieren. Es ist eine Regierung, die den Großkonzernen Schonraum bietet, nicht aber den Obdachlosen auf der Straße oder den 140.000 Wohnungssuchenden auf den Listen des Wohnungsamts.
Spekulanten und der Wohungsmarkt in Irland
Die Auswirkungen der Austerität sind vernichtend. Aber schon vor der derzeitigen Kürzungswelle hatte der Staat den sozialen Wohnungsbau effektiv eingestellt und den Wohnungsmarkt gänzlich privatisiert. Etwa 250.000 Häuser im Privatbesitz stehen leer, viele befinden sich in den Händen von Spekulanten und sogenannten Geierfonds. Diese nutzen die Krise, um ihren Reibach zu machen, und zahlen unter dem irischen Steuersystem keine oder nur geringe Steuern. Die Regierung hatte zuvor Steuererleichterungen auf Grundeigentum eingeführt, die gezielt auf Immobilieninvestoren und Geierfonds zugeschnitten waren. Und nach dem Krach kaufte sie das von den Banken gehaltene Grundeigentum wieder ab.
Die EU-Irland Verbindung
Die EU verdient kein Lob. Sie sah sich nur wegen des breiten öffentlichen Unmuts wegen der Steuerflucht der größten multinationalen Konzerne zu diesem Schritt genötigt. Dieser Unmut äußert sich in der Begeisterung für Bernie Sanders in den USA, in den Wahlergebnissen der radikalen Linken in vielen Teilen Europas und nicht zuletzt in der Unterstützung für Jeremy Corbyn in Großbritannien. Der EU ist bewusst, dass immer mehr Menschen das Spiel durchschauen und wissen, dass die Steuerflucht der Konzerne für die wachsende Ungerechtigkeit und die globale Armut mitverantwortlich ist. Daher meinte sie, sie müsse schon etwas tun.
»Feindliche Brüder«
Es ist aber auch Ausdruck eines Verhaltensmusters, das Karl Marx mit dem Begriff »feindliche Brüder« charakterisierte (siehe Hintergrund). Denn Kapitalisten bekämpfen sich auch untereinander, um Auslandsinvestitionen anzulocken. Sie waren verärgert, dass Irland mit seinem »doppelten Steuersystem« einen unverhältnismäßig großen Anteil an diesen Investitionen ergattern konnte. Der Regierungsplan, dieses Doppelsystem abzubauen und stattdessen Steuererleichterungen an Firmen zu gewähren, die ihr geistiges Eigentum nach Irland verlagern, hat das Ausmaß der Vermögen offenbart, um die es hier geht. Das Bruttoinlandsprodukt ist auf 26 Prozent jährlich gesprungen, während der Kapitalstock einschließlich geistigen Eigentums um mehr als das Siebenfache seiner gewöhnlichen Rate gewachsen ist.
Widerstand gegen die Regierung in Irland wächst
Im Nachgang zu diesen Enthüllungen ist es durchaus möglich, dass die zentrale Demonstration gegen die Wassergebühr am 17. September noch größer ausfällt als die vorherige. Denn die Entschlossenheit der Menschen, dieser Steuer und überhaupt der gesamten Austeritätspolitik den Garaus zu machen, hat dadurch einen kräftigen Anstoß bekommen. Es ist ein Schlüsselmoment unserer Geschichte.
Regierungen auf der ganzen Welt arbeiten Hand in Hand mit den Konzernen, um die große Mehrheit auszurauben. Das sollte uns in unserem Entschluss stärken, diesem grundsätzlich verdorbenen System die Stirn zu bieten, das Profite über alles andere stellt.
Hintergrund: Kapitalismus und Steuern
Große Firmen klagen laut wegen der Steuerlasten. Und die Regierungen behaupten, sie wären zu niedrigen Steuern gezwungen, um die Flucht von globalisierten Firmen zu stoppen. Aber der Fall Apple zeigt, dass Staaten und Firmen ihre Schritte gemeinsam aushecken. Ganz einfach weil ihre Interessen miteinander verflochten sind. Der Staat ist nicht neutral. In einer auf Ausbeutung gründenden Gesellschaft stellt er sich auf Seiten der Ausbeuter, um seine eigene Bürokratie und Verwaltungsapparat zu finanzieren. Und Kapitalisten brauchen ihrerseits den Staat.
Sie verlassen sich auf öffentliche Dienstleistungen, um die Arbeiterschaft gesund und gebildet zu halten, und auf die Polizei, um sie zu disziplinieren. Sie brauchen eine öffentlich finanzierte Infrastruktur wie Straßen und ein Stromnetz. Diese Interessenübereinstimmung äußert sich oftmals in persönlichen Seilschaften zwischen der Geschäftswelt auf der einen und Politikern und leitenden Beamten auf der anderen Seite. Nicht selten übernehmen die gleichen Leute mal die eine, mal die andere Rolle.
Aber das Steuergerangel ist genau so ein Zeichen ihrer Zerstrittenheit wie ihrer Eintracht. In seinem Werk »Das Kapital« beschrieb Karl Marx den »Gegensatz zwischen dem Interesse jedes einzelnen Kapitalisten und dem der Kapitalistenklasse«. Manchmal »agiert die Konkurrenz … als praktische Brüderschaft der Kapitalistenklasse, so dass sie sich gemeinschaftlich … in die gemeinschaftliche Beute teilt«, die sie den Arbeitern auspresst. Aber wenn es um die Aufteilung von Verlusten geht, kann die Kapitalistenklasse sich anders entscheiden. Welchen Anteil der Lasten von einzelnen Unternehmern oder Unternehmensgruppen geschultert werden muss, »wird dann Frage der Macht und der List, und die Konkurrenz verwandelt sich dann in einen Kampf der feindlichen Brüder«.
Marx bezog sich hier auf Wirtschaftskrisen. Aber die gleichen Spannungen begleiten die Frage der Finanzierung des Staats. Die Kapitalisten müssen diese Mittel wohl oder übel aufbringen. Also kommen sie zusammen im Steuersystem. Zugleich würden sie es lieber sehen, wenn es die anderen sind, die die Rechnung zahlen, und sie versuchen, sich davon zu stehlen. Dieser Wettbewerb kommt auch auf internationaler Ebene zum Vorschein. Verschiedene Staaten helfen verschiedenen Kapitalblöcken, die anderen zu übervorteilen. Der Streit zwischen der EU und Irland ist eine dieser Ebenen. Auf einer anderen Ebene sind es vernichtende Kriege. Sozialistinnen und Sozialisten führen Kampagnen, um die Reichen zur Zahlung ihrer Steuern zu zwingen. Aber im Endeffekt können diese systematischen Betrügereien nur durch den Sturz dieser Bande von Betrügern gestoppt werden.
Zum Artikel: Der Text erschien zuerst auf Englisch bei Socialist Worker. Aus dem Englischen von David Paenson.
Schlagwörter: Irland, Kapitalismus, Karl Marx, Linke, Steuerhinterziehung, Steuern