Gestern hat der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages die Immunität der Abgeordneten Nicole Gohlke (DIE LINKE) aufgehoben, damit die Münchner Staatsanwaltschaft gegen sie ermitteln kann, weil sie vor drei Wochen die Fahne der PKK gezeigt hat. Sie protestiert gegen die Immunitätsaufhebung: Es zeuge von der Doppelzüngigkeit der Bundesregierung, weiter am PKK-Verbot festzuhalten. PKK und YPG/YPJ hätten unsere Solidarität verdient, nicht eine Verfolgung durch die Behörden. Hier ist ihre persönliche Erklärung:
Persönliche Erklärung zur Aufhebung meiner Immunität
Nicole Gohlke, MdB Die LINKE, am 07. November 2014
Gestern wurde durch den Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages meine Immunität aufgehoben, bzw. die Aufhebung meiner Immunität bestätigt, was es der Münchner Staatsanwaltschaft ermöglicht, gegen mich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Am 18. Oktober 2014 habe ich bei einer Kundgebung zur Solidarität mit der vom sogenannten Islamischen Staat IS umzingelten kurdischen Stadt Kobanê auf dem Rindermarkt in München eine Rede gehalten und mit den Worten geendet: »Ich fordere die Bundesregierung auf, Symbole wie diese hier nicht länger zu kriminalisieren, denn unter dieser Fahne wird in diesen Minuten ein Kampf für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie geführt. Weg mit dem Verbot der PKK!« Dabei habe ich die Fahne der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, hochgehalten.
Dafür wurde ich kurz darauf von Polizei und Staatsschutz in Gewahrsam genommen, meine Personalien wurden festgestellt, die Fahne wurde beschlagnahmt. Für die weitere Ermittlung wurde gestern nun der Weg frei gemacht durch die Aufhebung der Immunität.
Die aktuellen Geschehnisse im Nordirak und die dramatischen Wochen, die die Stadt Kobanê im Kampf gegen den zutiefst reaktionären IS erlebt, offenbaren jeden Tag aufs Neue die Doppelzüngigkeit und das heuchlerische Verhalten der Bundesregierung gegenüber den Kämpfenden in Kobanê und den Menschen in der Region Rojava.
Nach den Angriffen auf die Jeziden durch den IS in Sengal beschloss die Bundesregierung die Peschmerga der Kurdischen Regionalregierung im Nord-Irak mit Waffen zu beliefern. Dabei war es nicht die Peschmerga, sondern PKK und die mit der PKK verbündeten Einheiten der syrischen YPG/YPJ, die den Jeziden zu Hilfe kamen und einen humanitären Korridor freikämpften.
Und auch heute sind es YPG und YPJ, die in Kobanê im Kampf gegen den IS stehen.
Bis heute riegelt die türkische Regierung aber den Grenzübergang militärisch ab und unterbindet so die humanitäre und militärische Unterstützung von YPG/YPJ durch die PKK. Offenkundig bevorzugt es die türkische Regierung, dass die Stadt Kobanê in die Hände des IS fällt, als dass weiterhin eine kurdisch verwaltete Enklave an der syrisch-türkischen Grenze fortbesteht.
Zugleich hat die türkische Regierung das Kriegsrecht über kurdische Städte verhängt und Stellungen der PKK aus der Luft angegriffen.
All das toleriert die Bundesregierung, indem sie darauf verzichtet, Druck auf den NATO-Partner auszuüben. Vielmehr unterstützt sie die türkische Regierung militärisch, in dem sie eine Raketenstaffel (die Patriots) der Bundeswehr im Land unterhält. Und sie unterstützt die türkische Regierung politisch, indem sie weiterhin am Verbot der PKK festhält und so in Deutschland lebende KurdInnen stigmatisiert und kriminalisiert. Das PKK-Verbot ist nichts anderes als ein Instrument der Repression und der Versuch, eine große Minderheit in Deutschland einzuschüchtern.
Ich protestiere gegen die Aufhebung meiner Immunität.
Nicht weil ich Sonderrechte für mich als Abgeordnete fordere. Sondern weil die Aufhebung meiner Immunität und die strafrechtliche Ermittlung gegen mich genau das politische Exempel ist, das auch weiterhin Ermittlungen und Verurteilungen gegen hier politisch aktive KurdInnen rechtfertigt.
Ich bedaure nicht, die Fahne der PKK hochgehalten zu haben. Die PKK ist keine „Terror-Organisation“. Sie ist vielmehr die Organisation, die einen wichtigen Bündnispartner im Nahen Osten für eine demokratische Perspektive in der Region darstellt. Alle demokratischen Kräfte müssten ein Interesse an einem Austausch haben über die Ideen und Ansätze einer direkten kommunalen Demokratie und dem Zusammenleben jenseits kultureller, ethnischer und religiöser Grenzen, wie es aktuell in Rojava versucht wird.
Die PKK und die mit ihr verbündeten YPG/YPJ haben unsere Solidarität verdient, und keine Verfolgung!
Foto: linksfraktion
Schlagwörter: Bundesregierung, Bundestag, DIE LINKE, PKK, PKK-Verbot