Warum die GDL unsere Solidarität verdient –und sie dringend braucht. Von Violetta Bock
Stehst Du gerade am Bahnhof und ärgerst dich, dass der Zug nicht kommt? Bedanke dich bei der DB AG und schreibe doch einen Brief an den Vorstand und die GDL, indem Du deine Solidarität mit den Eisenbahner:innen ausdrückst. Die Hetze in den bürgerlichen Medien war von Beginn an enorm. Da ist von »Geiselhaft« die Rede, von einem »Schlag ins Gesicht«, der Bahn-Personalchef spricht gar von einer »Attacke auf das ganze Land«.
Bahnstreik: Wer attackiert hier wen?
Attackiert werden wir – von der Bahn AG. Verzicht für die Beschäftigten, während Gelder im Konzern von unten nach oben verteilt werden? Schlechtere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte auf der Schiene trotz der notwendigen Verkehrswende? Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte, obwohl wir gerade jetzt starke Gewerkschaften brauchen? Dieser Tarifkampf geht uns alle an. Es geht darum, eine Nullrunde für die Kolleg:innen abzuwehren, die trotz Pandemie seit über einem Jahr dafür sorgen, dass der Zug rollt. Und nicht zuletzt geht es um Respekt. Es geht darum, jenen den Rücken zu stärken, die wagen zu sagen: Es reicht.
Bahnstreik: Was sind die Forderungen
Seit Monaten ringt die GDL um ein Ergebnis. Die Bosse der DB AG bietet bisher lediglich einen Abschluss auf Höhe des »Notlagen-Tarifvertrags« für die Beschäftigten des Flughafens. Was haben Flugzeuge und Züge gemeinsam? Beide befördern Personen. Das war es dann schon mit der Gemeinsamkeit.
Zugverkehr in der Pandemie
Im letzten Jahr der Pandemie blieben viele Flugzeuge am Boden, während der systemrelevante Zugverkehr zu 90 Prozent aufrechterhalten wurde. Für die Kolleginnen und Kollegen bedeutet das vergiftete Angebot eine Nullrunde oder sogar eine Minusrunde für das Jahr 2021, und das bei einer von der Bahn AG gewünschten Laufzeit von 40 Monaten. Man mag vom Abschluss der Flughafenbeschäftigten halten, was man will, er ist jedenfalls kein passender Referenzrahmen für die Schiene.
Bahnstreik: Systemrelevant aber Lohnverzicht?
Tatsächlich hat die GDL im Sinne der Gleichbehandlung der systemrelevanten Arbeiter:innen Ende Mai ihre Forderungen, schon schmerzhaft runtergeschraubt. Statt ehemals 4,8 Prozent sind ihre Forderungen nun auf Höhe des allgemeinen Abschlusses des öffentlichen Dienstes: plus 1,4 Prozent im April 2021 (mindestens 50 Euro) und eine Corona-Beihilfe in Höhe von 600 Euro und zum April 2022 eine weitere Erhöhung um 1,8 Prozent bei einer Laufzeit von 28 Monaten. Während bei Wettbewerbsunternehmen der Deutschen Bahn in den letzten Wochen diese Abschlüsse erzielt wurden, bleibt die Bahn AG stur. Sie will sogar die kleine Betriebsrente in Höhe von 150 Euro um 50 Euro kürzen und verlangt zur Finanzierung jetziger Tarifforderungen einen Solidarbeitrag durch die Beschäftigten selbst.
Bahnstreik: Das Leben der Bahnbosse
Wenn Manager eines bundeseigenen Unternehmens das Wort Solidarität in den Mund nehmen, heißt das meist: Zahlen sollt ihr! So lautet die Ansage der Bahn an die GDL: Wenn ihr mehr als 1,5 Prozent wollt, muss sie diese selbst finanzieren durch Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Damit würde den Beschäftigten aufgedrückt, was absurde Zielvorgaben des Bunds und das Missmanagement der letzten Jahre verursacht haben. Und das in einer Zeit in der im Unternehmen Boni in Höhe von 220 Mio. Euro ausgezahlt wurden – an die Führungsebenen wohlgemerkt!
Warum die GDL angegriffen wird
Manche werden sich vielleicht noch an die Auseinandersetzung 2014/15 erinnern. Damals zeigten die Eisenbahner:innen, dass ohne sie nichts läuft. Begleitet wurde der Streik von einer Medienhetze gegen die GDL und ihren Vorsitzenden. Doch woher kommt eigentlich diese Härte? Der Kampf wird bestimmt durch drei Grundbedingungen:
Das Tarifeinheitsgesetz
Erstens: das Tarifeinheitsgesetz und das Streikrecht. Die GDL hat den Ruf als kämpferische Gewerkschaft und die Bahn AG wäre sie nur zu gern los. Schließlich wurde nicht zuletzt deshalb 2015 das Tarifeinheitsgesetz beschlossen. Demnach gilt in einem Betrieb nur der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft. Dies war und ist ein Angriff auf die im Grundgesetz geregelte Koalitionsfreiheit. Das macht diese Tarifrunde für die Gewerkschaften allgemeinentscheidend. Schon jetzt wird die Tarifrunde juristisch intensiv begleitet, wirft neue Fragen auf – zu Ungunsten der Beschäftigten, wenn der Kampf scheitert. Umso dringender ist eine breite Unterstützung aller, die sich kämpferischen GewerkschafterInnen verbunden fühlen.
Die Ungerechtigkeit des Bahn-Vorstandes
Zweitens: Wer füllt sich die Taschen? GDL-Vorsitzender Weselsky betont bei jeder Pressekonferenz die Ungerechtigkeit des Bahn-Vorstandes, in die Taschen der kleinen Leute zu greifen und sich die eigenen zu füllen. Dieses Prinzip gilt nicht nur bei der Bahn. Seit eineinhalb Jahren befinden wir uns in einer globalen Pandemie, in der von Beschäftigten alles verlangt wird, während Unternehmen bedingungslos Milliarden Steuergelder erhalten. Die Führungskräfte unserer Wirtschaft predigen allen Verzicht – außer sich selbst. Ein Streik auf der Schiene ist nicht zu verheimlichen. Im September wird der Bundestag gewählt. Was, wenn sich Beschäftigte in anderen Branchen ein Beispiel an den Streikenden nehmen und die einseitige Verzichtslogik nicht länger hinnehmen?
Verkehrswende und Klima
Drittens: Verkehrswende und Klima. In einer Zeit, in der das Gewinnstreben von Konzernen die Klimakatastrophe weiter anheizt, Wasser und Feuer über die Kontinente jagen, darf die Verkehrswende nicht auf den St.Nimmerleinstag verschoben werden. Zug ist Zukunft. Doch dafür müssen die Beschäftigten in den Werkstätten, in der Infrastruktur, in der Führerkabine attraktive Arbeitsbedingungen vorfinden.
Genau deshalb werden die Mitglieder der GDL so hart attackiert. Anders als 2014/15 sollte es uns diesmal gelingen zu zeigen, dass die öffentliche Meinung nicht der veröffentlichten entspricht. Deshalb: Schreibe doch als erstes eine kurze Solidaritätsnachricht. Jetzt bist Du am Zug!
Zum Text: Der Artikel von Violetta Bock erschien zuerst in der Streikzeitung – Solidarität mit der GDL
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Bild: Daniel Abadia / Unsplash
Schlagwörter: Bahnstreik, GDL