Sahra Wagenknecht ist nicht wegen Mobbing oder Sabotage aus dem linken Lager gescheitert, sondern weil ihr politischer Ansatz nicht auf der Höhe der Zeit ist, meint Michael Ferschke
Sahra Wagenknecht hat ihren Rückzug aus der Führung von »Aufstehen« sowie den Verzicht auf die Kandidatur für den Fraktionsvorsitz gesundheitlich begründet. Ich wünsche ihr gute Besserung und hoffe, dass Sahra sich weiterhin mit ihren Stärken – die zweifelsohne jenseits der hier kritisierten politischen Punkte bestehen – als bekanntestes Gesicht der LINKEN prominent einbringt. Ihr Rückzug ist aber auch ein Eingeständnis, dass sie mit ihrem zuletzt sehr umstrittenen Kurs in- und außerhalb der LINKEN gescheitert ist. Die Aufgabe, die sie und Oskar Lafontaine sich gestellt hatten, nämlich den Aufstieg der Rechten zurückzuschlagen, konnten sie mit ihrem verfehlten politischen Ansatz nicht lösen.
Eine fatalistische Fehlannahme
Sahra und Oskar erkoren die angeblich falsche Flüchtlingspolitik der LINKEN zur zentralen Ursache für ihre geringe Anziehungskraft auf enttäuschte SPD-Wähler. Aufgrund der fatalistischen Fehlannahme, dass der Aufstieg der Rechten zwangsläufiges Produkt von sozialen Abstiegsängsten gepaart mit großem Zustrom von Flüchtlingen sei, wurde dem antirassistischen Kampf gegenüber sozialpolitischen Fragen keine besondere Bedeutung gegeben. Statt der rassistischen Erzählung der Rechten Paroli zu geben, sprachen sich Sahra und Oskar selbst für eine Begrenzung der Migration aus. Sie konnten sich mit dieser Haltung nicht in der LINKEN durchsetzen.
Das Herangehen von Lafontaine und Wagenknecht in der Migrationsfrage war auch konstituierend für die Gründung von »Aufstehen«. Es war bezeichnend, dass die sogenannte Sammlungsbewegung bei ihrer Gründung im Sommer 2018 nicht Bezug nahm auf die großen antirassistischen Mobilisierungen (#ausgehetzt, #seebrücke) und Sahra Wagenknecht sich im Herbst vom #unteilbar-Bündnis distanzierte, welches 250.000 Menschen in Berlin auf die Straße mobilisierte.
»Aufstehen« blieb eine Luftbuchung
Vor diesem Hintergrund blieb die »Sammlungsbewegung« eine von den tatsächlichen fortschrittlichen Bewegungen auf der Straße losgelöste Trockenübung und konnte nicht abheben. Und auch die erhoffte Erwartung auf ein Zusammenwachsen von SPD, Grünen und LINKEN für einen neuen linken Aufbruch blieb eine Luftbuchung.
Somit ist es Sahra nicht gelungen, über den Aufbau von »Aufstehen« genügend Druck zu entfalten für eine Kursänderung der LINKEN in Fragen von Migration und Antirassismus. Mit einem solchen Ansatz wäre DIE LINKE im Kampf gegen rechts entwaffnet worden. Es ist eine Kapitulation vor der rassistischen und zunehmend auch faschistischen Rechten, »Verständnis« für Wähler der AfD zu äußern und in ihrer Zustimmung zur AfD lediglich fehlgeleiteten Sozialprotest zu sehen. Zwischen »Verständnis« und »Verstehen« liegen Welten.
Wagenknecht und der Kampf gegen Rassismus
Wir sollten keinerlei »Verständnis« dafür haben, wenn ein Arbeiter für eine Partei stimmt, die im Zuzug von Muslimen nach Deutschland den Untergang des deutschen Volkes sieht. Er wählt die AfD ja nicht, weil diese seine Klasseninteressen ausdrückt, sondern weil er einen Sündenbock sucht und weil die AfD ihm diesen anbietet. Wie kann man als Sozialist dafür »Verständnis« haben?
Anstelle Migration an sich »von links« zum Problem zu erklären – ganz im Sinne von Sahra Wagenknechts Credo »Wir sind keine Flüchtlingshelfer-Partei, sondern eine Fluchtverhinderungspartei« –, gilt es, den rassistischen Erzählungen der AfD dezidiert zu widersprechen und ihre Hetze gegen Migranten als Sündenbockideologie zu entlarven. Anstatt die Bedürfnisse von Geflüchteten in einen Gegensatz zu den Interessen der hiesigen Arbeiterklasse zu stellen, gilt es den gemeinsamen Kampf mit Zugewanderten für Umverteilung und gegen die herrschenden Verhältnisse zu organisieren.
Der russische Revolutionär Lenin schrieb 1913: »Nur wenn sie (die Arbeiterklasse) sich von allen barbarischen und dummen nationalen Vorurteilen befreit, nur wenn sie die Arbeiter aller Nationen in einem Verband zusammenschließt, kann die Arbeiterklasse zu einer Macht werden, dem Kapital widerstehen und eine ernste Verbesserung ihres Lebens erkämpfen.« Das gilt auch heute noch.
Mehr über die strategischen und politischen Fehler von Sahra Wagenknecht und ihrem Projekt »Aufstehen« erfährst Du in unserem marx21-Thesenpapier zum Start der »Sammlungsbewegung« im September 2018.
Foto: DIE LINKE
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