marx21-Autorinnen und -Autoren stellen ihre Lieblingsbücher zum Thema Ökologie und Klimakrise vor
SACHBUCH
Daniel Tanuro
KLIMAKRISE UND KAPITALISMUS
Neuer ISP Verlag
2015
181 Seiten
19.80 Euro
Auf knapp 200 Seiten benennt der belgische Umweltaktivist Daniel Tanuro die Ursachen für den Klimawandel klar und deutlich: Wettbewerb und Überproduktion, deren Ursprung unmittelbar in der kapitalistischen Wirtschaftsweise liegen. In verständlicher Sprache und mit einem logischen Aufbau zeigt der Autor, vor welch gewaltiger Herausforderung wir stehen, die wohl größte Krise der Menschheitsgeschichte zu überwinden.
In seiner historischen und mit vielen Daten und Zahlen unterfütterten Darstellung wird deutlich, wer die Klimazerstörer waren und sind. Diese Erkenntnisse werden im Anschluss in die aktuelle Debatte um Klimagerechtigkeit eingebettet. Dabei analysiert Tanuro sowohl, welche Potenziale oder Risiken in der Konsumkritik zu sehen sind, als auch, warum die Klimafrage eng mit der sozialen Frage verwoben ist.
Doch trotz der dramatischen Beschreibung der Probleme verfällt der Autor nicht in Pessimismus. Es ist nicht die vermeintlich unveränderliche egoistische Natur des Menschen, die unsere Umwelt und unser Klima zerstört, sondern der Kapitalismus, mit dem ihm innewohnenden Zwang zu unbegrenztem Wachstum – ihn gilt es zu stürzen.
SERGEN CANOGLU
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ROMAN
Assaf Gavron
HYDROMANIA
Luchterhand Literaturverlag
2009
288 Seiten
nur antiquarisch
Der Nahe Osten im Jahr 2067: Es herrscht weitgehende Dürre und Wasserknappheit. Der Nahostkonflikt wurde durch das Eingreifen Chinas beendet. Die Palästinenser bewohnen einen Großteil des Landes, die Israelis wurden in den Gazastreifen gedrängt und leben hauptsächlich auf künstlichen Inseln im Meer. Das knappe Wasser wird von Großkonzernen aus Japan, China und Ungarn kontrolliert. Um die Menschen zu zwingen, ihr Wasser zu exorbitanten Preisen zu kaufen, kontrollieren diese Konzerne auch das Wetter.
Als das Gerücht die Runde macht, dass es demnächst regnen soll, bricht die »Hydromania« los. Jeder ist sich selbst der Nächste und möchte möglichst viel von dem kostenlos vom Himmel fallenden Nass für sich einstreichen. In diesem Chaos beschließt die schwangere Maya, dass es so nicht weitergehen kann und nimmt den Kampf gegen die Wasserkonzerne auf.
Der preisgekrönte Science-Fiction-Roman des israelischen Autors Assaf Gavron zeichnet eine düstere und staubtrockene Vision der Wirklichkeit, in der sich die Konzerne für ihren Profit auch die Klimazerstörung zum Verbündeten machen. Damit macht Gafron schmerzlich deutlich, dass der Kapitalismus so dreist ist, erst die Lebensgrundlagen zu zerstören und dann die Lösung des Problems zu verkaufen.
LISA HOFMANN
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ESSAY
Eduardo Galeano
DIE OFFENEN ADERN LATEINAMERIKAS: DIE GESCHICHTE EINES KONTINENTS
Peter Hammer Verlag
2008 (20. Auflage), zuerst veröffentlicht 1972
416 Seiten
20 Euro
Das wohl bekannteste Werk des uruguayischen Journalisten und politischen Aktivisten Eduardo Galeano erzählt in kompakter Weise und mitreißendem Stil die Geschichte Lateinamerikas seit dem Beginn der Kolonisation. In wortgewaltiger und fesselnder Sprache und mit unglaublicher Detailkenntnis weist Galeano nach, wie der Reichtum an Ressourcen dem Kontinent zum Verhängnis wurde: Der Reiz des Goldes und anderer Edelmetalle, die günstigen Produktionsbedingungen für Kaffee, Kakao und Zucker oder das in Massen vorhandene Erdöl. Der Reichtum der Natur und der Ressourcen ließ den Kolonisatoren Südamerika als ein Paradies auf Erden erscheinen – doch sie verwandelten es in eine Hölle. Der Beginn des Kapitalismus in Europa ging einher mit der hemmungslosen Ausbeutung Südamerikas, dem Massenmord an indigenen Völkern, dem tausendfache Tod durch Arbeit und der Zerstörung der Natur in den Silberminen von Potosi und auf den Zuckerplantagen der Karibik.
Ein Klassiker, der zeigt, wie ökonomische Ausbeutung, Kolonialismus und Umweltzerstörung miteinander einhergehen, und sich dennoch mehr wie Poesie liest als wie eine politische Streitschrift.
LOU ANTON DORMANN
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ROMAN
Ernest Callenbach
Ökotopia. Notizen und Reportagen von William Weston aus dem Jahre 1999
Rotbuch Verlag
1978 (Erstauflage)
224 Seiten
nur antiquarisch
Im Jahr 1980 spalten sich Teile des Nordwestens der USA ab, um sich vom »American Way of Life« zu verabschieden. Der neue Staat Ökotopia isoliert sich von äußeren Einflüssen und etabliert ein kollektives, nachhaltiges Gesellschaftsmodell. Erst 1999 darf der Reporter William Weston als erster US-Amerikaner überhaupt Ökotopia bereisen. Sein fiktives Tagebuch ist die Form, die der US-Autor Ernest Callenbach seinem Roman Ökotopia gegeben hat.
1975 erschienen, markiert Ökotopia einen Meilenstein der US-amerikanischen Umweltbewegung. Interessant daran ist vor allem, dass Callenbach darin nicht die moderne Technik an sich verdammt, nach dem Motto »Zurück zur Natur«. Vielmehr spinnt er die Entwicklung der Technik – Stand 70er-Jahre – nach dem Kriterium der ökologischen, aber auch sozialen Nachhaltigkeit weiter.
Callenbach lehnte seinen Titel bewusst an Thomas Morus’ Werk »Utopia« an. Wie Morus auch beschreibt er nicht, wie diese Gesellschaft entstanden ist, sondern ihre Funktionsweise. Lesenswert ist das Buch jedoch nicht als politisches Programm, sondern wegen seiner optimistischen Grundhaltung, dass eine andere, nachhaltige Welt möglich ist.
JAN MAAS
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SACHBUCH
Hoimar von Ditfurth
SO LASST UNS DENN EIN APFELBÄUMCHEN PFLANZEN – ES IST SOWEIT
Rasch und Röhring
1985 (Erstauflage)
432 Seiten
nur antiquarisch
Obwohl bereits vor mehr als 30 Jahren geschrieben, besticht das Buch des Wissenschaftsjournalisten Hoimar von Ditfurth durch außerordentliche Aktualität: Ob Wasserknappheit, Artensterben, Bodenerosion oder atomare Bedrohung – die ökologischen Folgen menschlichen Handelns, wie wir sie heute erleben, weist von Ditfurth bereits in den 1980er-Jahren mit wissenschaftlicher Genauigkeit nach.
Der Autor macht unmissverständlich klar: Ohne einen grundlegenden Wandel ist das Überleben der gesamten menschlichen Spezies bedroht. Es ist menschliches Handeln, das für die Zerstörung unserer Umwelt verantwortlich ist. Doch von Ditfurth will nicht den einzelnen Mensch hierfür zur Verantwortung ziehen. Die nötige Bewusstseinsveränderung sei vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Oberflächliche Reformen wie das »Verursacherprinzip« oder gesetzlich festgelegte Grenzwerte für Schadstoffe würden das Problem nicht lösen, da sie angesichts der Bedrohungslage viel zu kurz greifen.
Auch wenn von Ditfurth, trotz scharfer Kritik der Verhältnisse, noch an eine Lösung der globalen Umweltkatastrophe im Rahmen des Kapitalismus glaubte, ist sein Buch auch für Sozialistinnen und radikale Linke eine sehr bereichernde Lektüre.
EWALD HEIMANN
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SACHBUCH
Weert Canzler, Andreas Knie
TAUMELNDE GIGANTEN. GELINGT DER AUTOINDUSTRIE DIE NEUERFINDUNG?
Oekom Verlag
2018
160 Seiten
13 Euro
Mit einem Anteil von acht Prozent am Bruttoinlandsprodukt, einer Ausfuhrquote von 78 Prozent und zwei Millionen Beschäftigten ist die Automobilindustrie das Zugtier des deutschen Exportkapitalismus. Gleichzeitig sind Industrie und Verkehrssektor zusammen die größten CO2-Emittenten – Tendenz steigend. Trotzdem gehen betrügende Konzernbosse mit Rekordrenten in den Ruhestand und die Autofirmen werden weiterhin vom »politisch-industriellen Komplex« hofiert und mit Subventionen geschützt. Doch die Giganten taumeln: Globale Überkapazitäten sorgen für Umsatzeinbuße, Trumps Zolldrohungen lassen ihre Aktienkurse sinken und junge urbane Umweltbewegte fordern ein Ende der automobilen Dominanz. Grund genug, sich die deutsche Autoindustrie einmal vorzuknöpfen.
Canzler und Knie machen deutlich: Es braucht saubere und leise, aber auch weniger Autos und die notwendige Infrastruktur für eine grundlegende Verkehrswende. Leider gehen sie jedoch der Frage aus dem Weg, welche Auswirkungen die Krise der Automobilität für die zwei Millionen Beschäftigten mit ihren tariflichen und gut bezahlten Jobs haben wird. Denn sicher ist: Die nächste Wirtschaftskrise wird um Deutschland keinen Bogen machen.
TILMAN VON BERLEPSCH
Schlagwörter: Buchrezension, Klima, Klimakrise, Ökologie, Umwelt