Die Ermordung von George Floyd hat weltweit Proteste gegen rassistische Polizeigewalt ausgelöst. Auch in Wien: Die Mitinitiatorin der #BlackLivesMatter-Demonstration, Mireille Ngosso, rechnete mit 3000 Teilnehmenden. Dann kamen 50.000. Manfred Ecker berichtet aus Wien
Das hat alle überrascht. In Wien protestierten 50.000 Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Es zeigt: Die #BlackLivesMatter-Bewegung ist in Österreich angekommen (Lies hier der marx21-Artikel »Ferguson ist überall« von Keeanga-Yamahtta Taylor). Die Demo hatte noch gar nicht begonnen, da kamen schon tausende zum Auftaktkundgebungsplatz. Nach Demo-Beginn um 17 Uhr sind nach Presseangaben alle zehn Minuten 5.000 Menschen hinzugekommen. Die große Mehrheit davon war jünger als 18 Jahre.
Motivation der Proteste
Die vorherrschende Motivation auf den Protesten war Identifikation und Solidarität mit den Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA. »Ungerechtigkeit an einem Ort ist eine Bedrohung für die Gerechtigkeit überall«, so formulierte das eine Demonstrantin. Auf die Atemschutzmasken hatten manche Teilnehmer der Demonstration am Donnerstag geschrieben: »I can’t breathe!« – Ich kann nicht atmen. Das waren die letzten Worte von George Floyd, bevor er in der US-Stadt Minneapolis durch einen Polizisten ermordet wurde. Sie wurden in der vergangenen Woche zum Leitspruch weltweiter Proteste gegen strukturellen Rassismus und Polizeigewalt. Die Wut und Empörung über den Mord an George Floyd zeigten viele Protestierende durch selbst gemalte Schilder. »BlackLivesMatter«, »Justice for George Floyd» oder Silence is not an option« (»Schweigen ist keine Option«).
Ebenso wichtig war vielen der Protest gegen Donald Trump und alles wofür er steht: Rassismus, Menschenverachtung, die totale Ignoranz gegenüber der beginnenden Klimakatastrophe und vieles mehr. Deshalb war Demonstration auch von jungen Menschen geprägt, die in den letzten eineinhalb Jahren die Proteste für Klimagerechtigkeit aufgebaut hatten. Nicht erst jetzt haben sich Antirassismus und Ökologiebewegung vereint. Die Tatsache, dass der Klimawandel Millionen Menschen zur Flucht zwingt, war auch schon auf den Protesten von Fridays for Future und all den anderen Klimaprotesten präsent.
Struktureller Rassismus in Österreich
Als Startpunkt des zunächst als Kundgebung geplanten Protests, wählten die Initiatorinnen das Marcus-Omofuma-Denkmal. Marcus-Omofuma wurde 1999 bei seiner Abschiebung nach Sofia von drei österreichischen Polizisten getötet. Sie fixierten ihn mit Klebeband an seinen Sitz und klebten ihm während dem »Abschiebeflug« Flug von Wien nach Sofia seinen Mund und Nase zu. Er erstickte. Die Polizisten wurden mit acht Monaten Haft bestraft und durften im Mai 2001 wieder in den Dienst. Mireille Ngosso, stellvertretende Bezirksvorsteherin (SPÖ) im ersten Bezirk sagte in ihrer Rede: »Wir stehen heute hier am Menschenrechtsplatz, am Marcus-Omofuma-Platz. Omofuma ist einer der tragischsten Fälle von Polizeigewalt in Österreich. Er und viele andere sind ein Symbol für den strukturellen Rassismus, den es hier in Österreich gibt und der leider auch in brutale Gewalt ausarten kann. Wir sind heute hier, um gegen diesen strukturellen Rassismus aufzutreten«.
Das nicht nur in den USA, sondern auch in Österreich und anderen europäischen Ländern der Rassismus grassiert wollen die Menschen nicht mehr hinnehmen. Sie sind wütende darüber, dass Polizeigewalt, Rassismus und »Racial Profiling« auch in Österreich alltäglich sind. Zudem kommt, dass die politische Rechte und Boulevard-Medien Polizeigewalt verharmlosen, rechtfertigen und mit »Notwehr« gleichstellen. Dieser Protest ist hoffentlich der Anfang einer größeren Bewegung in Österreich.
Europaweite Proteste
Die Proteste in Wien sind Teil einer weltweiten Bewegung. Auch in London, Rotterdam, Paris, Frankfurt, Berlin und vielen weiteren Städten gingen Tausende auf die Straße, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. In London zogen Tausende in einem Protestmarsch vom Hyde Park zum britischen Parlament. Viele trugen Schilder mit Slogans wie »no justice, no peace« (keine Gerechtigkeit, kein Frieden).
Foto: Hasan Mahir
Schlagwörter: Polizeigewalt, Rassismus