Der Sieg von Donald Trump ist kein Betriebsunfall, sondern Ausdruck der tiefen politischen und sozialen Krise in den USA. Doch die Gefahr von rechts kann gebannt werden, wenn die Linke die richtigen Konsequenzen zieht
Der Sieg von Donald Trump ist ein Schock für das politische Establishment in den USA. Die Demokraten, die Think Tanks der Großkonzerne, die Wall Street und das Militär wollten Hillary Clinton. Kaum ein Manager der einhundert größten Konzerne der USA hat für Trumps Wahlkampf gespendet. Entgegen der Umfragen hat Clinton verloren – unter den 17 Umfrage-Instituten war nur ein einziges, das einen Sieg von Trump prognostizierte. Jetzt ist das Establishment ratlos, entsetzt und wütend.
Trump und die Erosion des politischen Systems
Doch das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl 2016 zeigt, ähnlich wie die »Brexit-Wahl«, die zunehmende Erosion des politischen Systems. Donald Trump konnte gewinnen, weil Millionen Menschen ihr Vertrauen in das politische System der USA verloren haben. In Wahlumfragen erklärten zwei Drittel aller Befragten, dass sie genug von der Regierung in Washington haben. Clinton gewann von den sogenannten Swing-States lediglich Nevada, Virginia und Colorado. Vor allem in jenen Bundesstaaten die vom wirtschaftlichen Abstieg besonders betroffen sind, wie im Mittleren Westen, konnte Clinton nicht überzeugen.
Clintons schwache Kampagne
Clintons Kampagne hatte mit der Lebensrealität vieler Wählerinnen und Wähler nicht viel zu tun. Obwohl Millionen Menschen in Armut leben und schockiert über die seit Jahrzehnten grassierende Ungerechtigkeit, den sinkenden Lebensstand und die endlosen Kriege im Ausland sind, behauptete sie, Amerika sei »schon großartig«. Doch der »amerikanische Traum« ist schon lange tot. Die USA sind Spitzenreiter, was die Ungleichverteilung der Vermögen angeht. In der amerikanischen Gesellschaft sind sehr wenige sehr reich und sehr viele erschreckend arm. Die US-Statistikbehörde meldete im Jahr 2014 fast 47 Millionen arme Amerikaner. Die Kluft wächst unaufhaltsam. Die Lebensbedingungen haben sich für einen Großteil der Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten verschlechtert. Umfragen des US-Senders NBC News zeigen, dass für 52 Prozent der Wählerinnen und Wähler der Zustand der US-Wirtschaft das wichtigste Anliegen war – weit wichtiger als Terrorismus (18 Prozent), Außenpolitik (13 Prozent) und Immigration (12 Prozent).
Trump auf Anti-Establishment-Kurs
Donald Trumps Wahlkampagne setzte genau dort an. In einem der letzten Werbespots vor der Wahl erklärte er: »Unserer Bewegung geht es darum, ein gescheitertes und korruptes politisches Establishment mit einer Regierung zu ersetzen, die von euch, dem amerikanischen Volk, kontrolliert wird. […] Es ist eine globale Machtelite, die verantwortlich ist für die wirtschaftlichen Entscheidungen, die unsere Arbeiterklasse ausgeraubt, den Wohlstand unserer Nation zerstört und das Geld in die Taschen einer Handvoll großer Konzerne gesteckt haben. Das Einzige, was diese korrupte Maschine stoppen kann, seid ihr. Die einzige Kraft, die stark genug ist, unser Land zu retten, sind wir.«
Wütende weiße Arbeiterklasse?
Obwohl der Milliardär selbst unbestreitbar Teil der amerikanischen Machtelite ist, ist es ihm gelungen, sich als Stimme derjenigen darzustellen, deren wirtschaftliche und soziale Lage sich in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert hat und die Angst vor weiterem Abstieg haben. So konnte er auch innerhalb der Arbeiterklasse Millionen Stimmen für sich gewinnen. 78 Prozent der Trump Wählerinnen und Wähler gaben an, dass ihre finanzielle Situation heute schlechter sei als vor einigen Jahren. Allerdings ist es ein Mythos, dass Trump von der Mehrheit der weißen Arbeiterinnen und Arbeiter unterstützt wurde. Trotz der großen gesellschaftlichen Polarisierung ging beinahe die Hälfte der Stimmberechtigten überhaupt nicht wählen. Die These, dass der Sieg Trumps vor allem auf die Unterstützung der »wütenden weißen Arbeiterklasse« zurückzuführen sei, ist nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Aber erste Daten der Wahlanalyse sprechen eine andere Sprache: Hiernach wurde Trump nämlich insbesondere von Mittel- und Besserverdienenden gewählt. Bei den »working poor«, dem Dienstleistungsproletariat und den Niedrigverdienern liegt er klar hinten. Das verwundert nicht, da hier ein Großteil der Menschen selbst von Trumps rassistischen Ausfällen betroffen ist. Es waren insbesondere weiße, ältere Wählerinnen und Wähler aus ländlichen Gegenden, die Trump unterstützten. In den Großstädten und unter jungen Leuten liegt Clinton deutlich vorne. Doch ihr ist es nicht gelungen die Gegnerinnen und Gegner Trumps in ausreichendem Maße zu den Wahlurnen zu mobilisieren. Zu viele wollten sich offensichtlich nicht mit dem »kleineren Übel« zufrieden geben.
Bernie Sanders hatte Trump schlagen können
Trump ist es gelungen die Abstiegsängste von Teilen der Bevölkerung für sich zu instrumentalisieren. Die Schwäche Clintons, die wie keine andere Politikerin für die Fortsetzung des Status quo steht, hat es ihm leicht gemacht, die wachsende Unzufriedenheit für seine Kampagne zu nutzen. Bernie Sanders, genau wie Trump ein Ausdruck der wachsenden Ablehnung des politischen Establishments, hätte als demokratischer Kandidat wesentlich bessere Chancen gehabt, Trump zu schlagen. Dass der linke Außenseiterkandidat Sanders durch die Führung der Demokraten verhindert wurde, ist ein wesentlicher Grund für Trumps Sieg.
Trump ist eine Gefahr
Die Gefahr, die von einem Präsidenten Donald Trump ausgeht, darf nicht unterschätzt werden. Bereits sein Wahlkampf wurde begleitet von einer Zunahme rassistisch motivierter Gewalt gegen Migranten, Muslime, Schwarze und Latinos. Trumps Hetze ermutigt diejenigen, die bereit sind seinen Worten Taten folgen zu lassen. Als vergangenes Jahr zwei Männer in Boston einen obdachlosen Latino zusammenschlugen und hinterher angaben, Donald Trump habe recht, die »ganzen Illegalen gehören abgeschoben«, meinte dieser: »Ich kann nur sagen, dass meine Leute sehr leidenschaftlich sind.« Nun besteht zu befürchten, dass, wie auch nach dem Erfolg des Brexit-Votums in Großbritannien, die rassistische Gewalt weiter zunimmt und die politische Rechte weiter erstarkt.
Kampf gegen Rassimus
Doch genau hier kann die US-Linke ansetzen: Die »Black Lives Matter«-Bewegung hat dem Kampf gegen Rassimus in den letzten Jahren wieder eine mächtige Stimme verliehen. Sie hat das politische Establishment in die Defensive gedrängt und höchste Regierungsvertreterinnen und -vertreter dazu gezwungen, Veränderungen zu versprechen. Präsident Obama verhielt sich in der Diskussion über die fortdauernde Rassenungleichheit eher zurückhaltend, musste jedoch auch Zugeständnisse an die Bewegung machen, um sich in der schwarzen US-Bevölkerung nicht vollkommen zu diskreditieren. Unter einem Präsidenten Trump, der selbst die Speerspitze einer rassistischen Bewegung ist, wird es wesentlich schwieriger Protestbewegungen wie »Black Lives Matter von oben einzufangen und zu beschwichtigen. Die Bedeutung antirassistischer Kämpfe wird in Zukunft weiter wachsen. Hier liegt für die US-Linke und alle progressiven Kräfte des Landes eine wesentliche Herausforderung, aber auch eine Chance.
Trump steht keine einfache Amtszeit bevor
Und auch betriebliche Auseinandersetzungen und Streiks können im Kampf gegen Trump eine entscheidende Rolle spielen. Trumps Versprechen, die ins Ausland verlagerten Jobs zurückzuholen, wird sich schnell als leere Phrase erweisen. Seine Ankündigungen die Steuern zu senken und die Staatsausgaben zu kürzen, werden im Gegenteil die soziale Ungleichheit in den USA weiter verschärfen. Die Gewerkschaften, deren Führungen teilweise eng mit der Demokratischen Partei verbunden sind, könnten sich schon bald gezwungen sehen, gegen Trumps politischen Kurs mobil zu machen. Noch befindet sich die US-Wirtschaft in einem leichten Aufschwung, aber es ist die schwächste Erholung nach einer Krise seit den 1930er Jahren. Analysten der Investmentbank JP Morgan sehen die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Krisenausbruchs in den kommenden drei Jahren bei 92 Prozent. Die Gegenmaßnahmen von Regierung und Zentralbank sind jedoch bereits ausgeschöpft. Weder ist Geld für ein neues großes staatliches Investitionsprogramm vorhanden, noch können die Leitzinsen weiter gesenkt werden. Trump steht also alles andere als eine leichte Amtszeit bevor.
Video: Proteste gegen Trump’s Wahl
Wie weiter für die Linke?
Die entscheidende Frage für die US-Linke wird aber sein, ob es gelingt, die Millionen von vorwiegend jungen Menschen, die durch den Wahlkampf von Bernie Sanders elektrisiert wurden, für ein politisches Projekt zu gewinnen, das in der Lage ist, nicht nur die künftige Administration unter Trump, sondern das politische Establishment als Ganzes, unter Druck zu setzen und die Kämpfe gegen Rassismus, Ausbeutung und Unterdrückung in eine gemeinsame politische und soziale Bewegung zu überführen. Das Potenzial für eine Politik jenseits von Trump und Clinton hat sich im letzten Jahr deutlich gezeigt. Jetzt gilt es dies zu nutzen.
Reaktionen in Deutschland
Die Reaktionen auf Trumps Wahlsieg in Deutschland waren scharf. SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte Trump als »Vorreiter einer neuen autoritären und chauvinistischen Internationalen«. Und in der Tat: Auch in Europa ist die radikale Rechte auf dem Vormarsch: Österreich könnte mit Norbert Hofer schon bald einen Faschisten als Bundespräsidenten haben. Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich im Frühjahr 2017 würde Marine Le Pen, die Spitzenkandidatin des neofaschistischen Front National, nach derzeitigen Umfragen sicher in die Stichwahl kommen. Und auch in Deutschland droht bei der Bundestagswahl 2017 der Einzug der AfD in den Bundestag.
Ob USA, Frankreich oder Deutschland: Die Linke ist gefordert. Doch mit alten Rezepten lässt sich der Aufstieg der Rechten nicht bekämpfen. Linke Parteien, die wir brauchen, müssen vielmehr Katalysatoren für gesellschaftliche Kämpfe sein. Sie müssen Hilfe zur Selbsthilfe beim Aufbau von Widerstand leisten. Es müssen Protestparteien sein – aber nicht solche, die passiv die bestehende Unzufriedenheit widerspiegeln, sondern die Organisatoren eines Protests werden, der kapitalistische Ungerechtigkeit bekämpft.
Populismus von links
Genau wie in den USA, wird auch in Europa die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien und dem politischen System immer größer. Wenn die Linke gegen Rassisten und rechte Hetzer gewinnen will, muss sie auch den Widerstand gegen die neoliberale Umstrukturierung der Gesellschaft stärken und sich für ein grundlegend anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem einsetzen. Was wir brauchen, das hat nicht zuletzt die Sanders-Kampagne bewiesen, ist ein positiver Populismus von links, der die Interessen der lohnabhängigen Bevölkerung gegenüber den herrschenden Eliten artikuliert – und diese Aufgabe nicht den Rechten überlässt. Wenn die Linke als radikale Opposition gegen Kapital, Rassismus und herrschenden Politikbetrieb erkennbar wird, kann sie gewinnen – in den USA, wie auch hierzulande.
Foto: andersonlanham / twitter
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