Mit dem Buch »Desintegriert euch!« legt Max Czollek eine gelungene Polemik gegen den wieder salonfähigen deutschen Nationalismus, die »Leitkultur« und das »Gedächtnistheater« vor. Mona Mittelstein hat es für uns gelesen
Trotz all der angeführten Fakten und schweren Themen liest sich die Schrift so leicht wie eine Mischung aus Roman und Tagebucheintrag, und sagt der Normalität den Kampf an. Es ist die Aufforderung an Juden und Jüdinnen, sich der Erinnerungskultur des Gedächtnistheaters zu entziehen, in dem ihre einzige Rolle die des guten Opfers ist, das als solches der »Wiedergutwerdung der Deutschen« dient. Die deutsche Nachkriegsgeschichte hat das Erinnern politisch umgedeutet und war de facto keine »Entnazifizierung«, sondern eine Integration von Nazis.
Die Lüge des deutschen Integrationsdenkens
Das Integrationsdenken der deutschen Dominanzkultur enttarnt Czollek als eine Konstruktion, die verhindert, dass Phantasien von ethnischer Homogenität und kultureller Dominanz verschwinden können. Die dabei vielbeschworene »jüdisch-christliche Tradition«, die als Abgrenzung zum Islam fungieren soll, bezeichnet er als maximal verlogen, auch weil sich Juden und Muslime regelmäßig »im selben Druckkochtopf populistischer Politik« wiederfinden.
Max Czollek: Zur Kunst der Rache
Das Konzept der Desintegration hingegen soll neovölkische Vorstellungen unmöglich machen. Ein spannendes Kapitel ist der Rachekunst gewidmet, die als »Archiv des Widerstandes« gleichzeitig ein Ort der Trauer und der Selbstermächtigung ist. Es resultiert die ebenso traurige wie kämpferische Forderung, die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes um einen Zusatz zu erweitern:
»Es wird nie wieder alles gut.«
Sachbuch
Max Czollek
Desintegriert euch!
Hanser | 2018
208 Seiten | 18,00 Euro
Schlagwörter: Bücher, Buchrezension, Kultur, Nationalismus, Rassismus, Rezension