Die einst machtvolle palästinensische Linke ist heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Doch nun will sie sich vereinen, um gegen die Spaltung Palästinas und für die Vision einer sozialen Gesellschaft zu kämpfen. Von Florian Wilde
Bei den für den 8. Oktober angesetzten Kommunalwahlen in der Westbank und dem Gaza-Streifen wird die palästinensische Linke erstmals vereint mit einer gemeinsamen Liste antreten. Dies wurde auf einer Pressekonferenz am Mittwoch vergangener Woche bekannt gegeben, meldete der lateinamerikanische Kanal TelesurTV unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Quds Press. Das Wahlbündnis mit dem Namen »Demokratische Allianz« umfasst die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die Demokratische Font zur Befreiung Palästinas (DFLP), die postkommunistische Palästinensische Volkspartei (PPP), die DFLP-Abspaltung Demokratische Union (FIDA) und die der »Sozialistischen Internationale« angeschlossene Nationale Initiative (PNI) um den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mustafa Barghouti.
Überwindung der Polarisierung
Auf der Pressekonferenz verlas der stellvertretende Vorsitzende der DFLP, Qais Abdul-Karim, eine gemeinsame Erklärung der das Bündnis tragenden Organisationen. Ziel der Allianz sei »die Überwindung der gegenseitigen Polarisierung zwischen Fatah und Hamas, sowie der daraus resultierenden Korruption.« Die Allianz sei daher dem Prinzip der Transparenz verpflichtet.
In einem Interview mit der PFLP-nahen Website hadfnews erklärte Kayed al-Ghul, Politbüro-Mitglied der Volksfront: »Die Spaltung Palästinas durch Hamas und Fatah hat die Linken dazu gebracht, sich zu vereinen und für die Vision einer sozialen Gesellschaft zu kämpfen, die allen Palästinensern hilft.«
Walid Awad, Politbüro-Mitglied der aus der palästinensischen KP hervorgegangenen PPP, beschrieb gegenüber dem Nachrichtenportal al-Monitor das Steuerprogramm der Wahlallianz: »Steuern müssen vor allem von den großen Unternehmen erhoben werden, um mit den Einnahmen Entwicklungsprogramme aufzulegen und Gerechtigkeit gegenüber den Arbeitern und den Armen üben zu können.« Man werde vor allem Frauen und junge Menschen dazu auffordern, auf der gemeinsamen Liste zu kandidieren, so Awad weiter.
Erste Wahlen in Palästina seit 2006
Die Kommunalwahlen sind auch deshalb von großer Bedeutung, weil aufgrund des Konfliktes zwischen der Fatah-geführten Autonomieregierung in der Westbank und der den Gazastreifen kontrollierenden Hamas seit den Parlamentswahlen 2006 keine Wahlen in Palästina mehr stattgefunden haben. Daher soll mit den Kommunalwahlen der institutionelle Wideraufbau in Angriff genommen werden. Am 24. Juli war von allen palästinensischen Parteien bereits eine »Charta der Ehre« unterzeichnet worden, mit der sie sich selbst verpflichteten, zu freien, geheimen und fairen Wahlen beizutragen und die Ergebnisse zu respektieren.
Ihre starke Zersplitterung ist einer der Gründe für die Schwäche der einst machtvollen palästinensischen Linken, die seit dem Oslo-Abkommen 1993 viel von ihrem früheren Einfluss eingebüßt hat. So herhielt die PFLP als stärkste linke Kraft bei den Parlamentswahlen 2006 nur 4,25 Prozent. Die beiden anderen antretenden linken Listen erhielten jeweils knapp drei Prozent.
Die Linke als ein alternativer, dritter Pol
Das neue Wahlbündnis könnte einen ersten Schritt zur Überwindung der Zersplitterung darstellen und dazu beitragen, die Linke als einen alternativen, dritten Pol stärker sichtbar zu machen – möglicherweise auch bei den nächsten Parlamentswahlen, deren Termin allerdings noch nicht fest steht.
In einer in der vergangenen Woche von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebenen Studie des palästinensischen Politikwissenschaftlers Tariq Dana über die Krise der linken palästinensischen Parteien mahnt dieser allerdings: »Die linken Parteien in Palästina werden erst dann wieder einen politischen Aufschwung erleben, wenn sie den sozialen Kampf wiederentdecken und neu zu schätzen lernen als grundlegende Voraussetzung für politische Befreiung und Selbstbestimmung.«
Von der Notwendigkeit, sich wieder stärker auf soziale Kämpfe zu orientieren, wird sich die palästinensische Linke auch durch Wahlallianzen nicht entbinden können.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Tageszeitung junge Welt und auf dem Blog von Florian Wilde wildetexte.
Schlagwörter: Fatah, Gaza, Hamas, Palästina, PFLP, Rosa Luxemburg Stiftung, Westbank, Westjordanland