David Hockney war Teil der wilden Kunstszene der 1960er Jahre. Doch anders als die Pop-Art-Künstler entwickelt er bis heute neue Ausdrucksformen. Ein Dokumentarfilm zeigt sein Werk und dessen Hintergrund. Unser Autor Phil Butland hat ihn sich angesehen.
Gleichzeitig mit dem deutschen Kinostart von Randall Wrights Dokumentarfilm »Hockney« läuft die Ausstellung »Von Hockney bis Holbein« im Berliner Martin-Gropius-Bau. Die Aufmerksamkeit hat der leider unterschätzte Künstler aus Nordengland unbedingt verdient.
Der Film besteht hauptsächlich aus Interviews. Manche sind langweilig, andere liefern interessante kritische Analysen. Nichts aber ist erhellender als die ruhigen Momente, in denen David Hockney selbst seine Ideen und ihre Verwirklichung vorstellt.
Einige seiner berühmtesten Gemälde zeigen Swimming Pools in Los Angeles und ihre Besitzer. Vielleicht liegt es an den knalligen Farben dieser Bilder, dass der Künstler häufig mit der Pop-Art-Bewegung um Andy Warhol in Verbindung gebracht wird. Aber während Warhol und Konsorten das Konsumdenken feierten, blieb Hockney immer skeptisch. Im Film beschreibt der Kunsthändler John Kasmin: »David ist sich im Klaren darüber, dass sich alles sofort teuer verkauft, sobald er es signiert. Er will aber keine Maschine sein, die Objekte von hohem Kaufwert produziert.«
Picasso war sein Vorbild
Wie sein Vorbild Picasso verharrt auch Hockney nicht bei einer künstlerischen Ausdrucksform. Neben Gemälden schuf er zahllose Zeichnungen, Kulissen für Opern und Fotocollagen. Er bediente sich auch diverser neue Technologien wie Faxgeräte oder Smartphones. Moden lehnte er ab: Als Kritiker darauf beharrten, dass Kunst etwas repräsentieren müsse, begann er, beliebige farbige Linien in seine Zeichnungen einzufügen. Diese Linien repräsentieren sich selbst und sonst nichts.
Die Interviews im Film stammen aus verschiedenen Epochen und zeigen die Veränderung in Hockneys Methoden. Eins aber blieb konstant: sein Versuch, Kunst zu schaffen, die mehr leistet, als einen Augenblick der Wirklichkeit zu reproduzieren. Collagen sind sein Versuch, die Unzulänglichkeit der Fotografie zu überwinden, welche er als zu kurzlebig empfindet. Die Vielfalt von Fotografien einer Collage ermöglichen für ihn »die Zeit und die Illusion von Raum« zu erzeugen, die Einzelaufnahmen nicht bieten können.
Seine Vision erläutert Hockney anhand eines seiner bekanntesten Gemälde mit dem Titel »Bigger Splash«. Es zeigt den Moment, in dem ein Schwimmer in einen Pool springt. Farbe und Komposition übermitteln aber mehr als nur diesen Moment. Im Gegensatz dazu fehle den meisten Fotografien die notwendige Perspektive – sowohl wörtlich als auch metaphorisch.
Der Film hat etwas von einem Nachruf auf den mittlerweile fast 80-jährigen Hockney. Er feiert sein Leben als Schwuler in den 1960er Jahren, obwohl Homosexualität damals illegal war: »Ich war Teil der Boheme. Und die ist tolerant.«
Hockney feiert mit der Arbeiterklasse
Zugleich wird der Tod der Boheme betrauert – viele ihrer Vertreter wurden Opfer der Aids-Epidemie der 1980er Jahre. Der Künstler selbst erscheint auch in den jüngsten Interviews sehr lebendig, aber es drängt sich die Frage auf, ob seine Zeit nicht vorbei ist. Während der Kunstmarkt aktuell von den nichtssagenden »Young British Artists« wie Damien Hirst dominiert wird, ist es erfrischend, einem Künstler zuzuhören, der sich ernsthafte Gedanken macht. Eine von Hockneys Anekdoten beginnt so: »Im Jahr 1962 war ich bei einer Demo auf dem Trafalgar Square und beschloss, in die Nationalgalerie zu gehen, um mir die Fresken anzuschauen…« Ein andermal feiert er mit seiner Familie aus der Arbeiterklasse. Mit ihr fühlt er sich genauso wohl wie mit den Künstlerinnen und Tänzern der Boheme.
Dank stetig steigender Studiengebühren in Großbritannien ist es heutzutage sowieso fraglich, wie lange die Boheme Arbeiterkindern wie Hockney noch zugänglich ist. Umso wichtiger ist es, jetzt sein Leben und Werk zu würdigen.
Der Film: Hockney, Regie: Randall Wright, Großbritannien 2014, 113 Minuten, Arsenal Filmverleih, seit 15. Oktober im Kino
Die Ausstellung: Von Hockney bis Holbein: Die Sammlung Würth in Berlin, Martin-Gropius-Bau, Berlin, noch bis zum 10. Januar 2016
Foto: Arsenal Filmverleih
Schlagwörter: Homosexualität, Kultur, Picasso