Die Erinnerung an die Bürgerkriegsverbrechen der Faschisten in Spanien ist immer noch ein umkämpftes Thema. Eine baskische Aktivistin berichtet vom Verdrängen, neuen politischen Allianzen dagegen und von der Macht der Kunst
marx21: Am 26. April vor achtzig Jahren wurde die baskische Stadt Guernica, heute baskisch Gernika, durch Bomben der deutschen Wehrmacht zerstört. Ist die Bombardierung heute noch ein Thema?
Ana Barrena Lertxundi: Ja, die Bombardierung ist ein traumatisches Kapitel unserer Geschichte. Pablo Picassos Gemälde »Guernica« verhinderte, dass dieses Ereignis verdrängt wurde. Außerdem war die deutsche Wehrmacht für den Luftangriff verantwortlich. Das zeigt die internationale Bedeutung des Spanischen Bürgerkriegs.
Leider werden beim Gedenken häufig die Hintergründe der Bombardierung verschwiegen. So erscheint die Zerstörung als ein abgeschlossenes Stück Geschichte, das nichts mit uns zu tun hat.
Die Initiative für die Auseinandersetzung mit der Bombardierung kommt immer von der Opferseite, also von Familienangehörigen der Opfer des Franquismus oder Bürgerinitiativen von unten.
Und wie wird im Baskenland daran erinnert? Gibt es inzwischen Mahnmale für Gernika?
Ja, viele Mahnmale erinnern an die Bombardierung. Außerdem ist das Thema schon seit Langem und immer noch sehr präsent in der Kultur.Es gibt viele Bücher zum Thema aber eben auch auch TV-Serien und Filme, wie der 2016 erschienene Streifen »Gernika« von Koldo Serra
Baskische Aktivistinnen und Aktivisten bemühen sich auch international um Aufmerksamkeit für diese Erinnerung. In vielen Hauptstädten der Welt gibt es eine »Euskal Etxea«, ein baskisches Kulturzentrum. Sie entstanden zur Zeit des Bürgerkriegs mit dem Hauptziel, Baskinnen und Basken bei der Flucht zu unterstützen. Heute organisieren sie Kulturveranstaltungen und klären über die Vergangenheit auf.
Glaubst du, dass Deutschland eine Verantwortung für Gernika gegenüber der spanischen und baskischen Bevölkerung hat?
Internationale Interessen spielten im Spanischen Bürgerkrieg eine Rolle. Ohne das Eingreifen Deutschlands hätte es die Bombardierung nie gegeben. Also trägt Deutschland die Verantwortung. Die komplizierte Frage ist, was aus dieser Verantwortung folgt. Meine Antwort lautet, dass auch die deutsche Regierung etwas gegen das Vergessen tun muss. Außerdem sollte die Erinnerung an die Zerstörung Gernikas auch ein Ausgangspunkt sein, um andere Kriege und Konflikte in Europa kritisch aufzuarbeiten.
Eine letzte Frage an dich. Welchen Einfluss hat die Erinnerung an Gernika auf deine politische Praxis?
Die Erinnerung an Gernika, sowohl durch historische Aufarbeitung als auch durch die Kunst, steht für mich für die Hoffnung auf politische Veränderung.
Die Erinnerung an die Bombardierung Gernikas durch Picassos Gemälde zeigt für mich die Kraft der Kunst, konkretes Geschehen zu verallgemeinern. Das Bild stellt Gefühle dar, die alle Menschen angesichts einer Bombardierung empfinden würden. Die Zerstörung wird nicht als einzigartiges historisches Ereignis dargestellt. Das Erinnern ermöglicht über alle nationalen Identitäten hinweg, gemeinsam für eine Sache zu streiten.
Im Kontext des internationalen Aufschwungs der extremen Rechten und der Zunahme imperialitischer Kriege ist eine Erinnerung an die Barbarei des Krieges wichtiger denn je. Gegen die Politik des Vergessens Kann Kunst Widerstand leisten.
(Interview: Phil Butland)
Zur Person:
Ana Barrena Lertxundi stammt aus den Baskenland. Sie ist Mitglied von Podemos und der LINKEN und wohnt zurzeit in Berlin.
Schlagwörter: Baskenland, Bürgerkrieg, Guernica, Kunst, Picasso, Spanien, Spanischer Bürgerkrieg, Wehrmacht