Der Londoner Grenfell Tower wurde für die Bewohner zur Todesfalle. Was sind die Ursachen dieser Katastrophe und wie ist es um den Brandschutz in Deutschland bestellt? Der Architekt Jürgen Ehlers gibt Antworten.
Deregulierung und Kostendruck sind die beiden Ursachen für die vielen Todesopfer beim Londoner Hochhausbrand. Bauvorschriften sind wider besseres Wissen nicht verschärft worden, so konnte eine brennbare Außendämmung verwendet werden, die billiger ist und das Fehlen eines zweiten Rettungswegs war für die Bauaufsichtsbehörde offenbar kein Problem. Die Liste der Versäumnis ist noch länger, aber diese beiden Faktoren allein haben schon ausgereicht, um das Haus zu einer Todesfalle zu machen.
Debatten über Brandschutz in Deutschland
Die Diskussion in Deutschland wird davon bestimmt, dass es hier strengere Bauvorschiften gibt, um das Ausbreiten eines Brandes auf ein ganzes Haus zu verhindern und deswegen keine Gefahr bestünde. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Bei dem in London zur Fassadendämmung verwendeten Material handelt es sich um Polystyrol, das auch zu Verpackungszwecken verwendet wird. Auch in Deutschland kann dieses Material bis zu einer Gebäudehöhe von 22 m eingesetzt werden.
Branschutz mit Polystyrol?
Polystyrol ist leicht brennbar und darf deswegen nur eingesetzt werden, wenn es vorher vom Hersteller mit einem brandhemmenden Mittel behandelt worden ist und wenn in bestimmten Abständen sogenannte Brandriegel aus nicht brennbaren Materialien eingebaut werden. In der Praxis hat sich immer wieder gezeigt, dass diese Vorgaben nicht immer sicherstellen, dass die Feuerwehr und die Einwohner beim Brandfall nicht doch gefährdet werden. Sicher ist dagegen, dass das Material in jedem Fall beim Brennen giftige Dämpfe absondert.
Dämmstofflobby nicht das einzige Problem
Trotz dieser offensichtlichen Nachteile werden aus Gründen der Kostenersparnis große Mengen dieses brennbaren Dämmstoffes an Fassaden verbaut. In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf eine Dämmstofflobby verwiesen, die es geschafft hätte, unsinnige Vorgaben zur Energieeinsparung durchzusetzen, um ihre Produkte profitabel absetzen zu können. So einleuchtend das Argument zunächst klingt, so falsch ist es. Auch die Hersteller der alternativen Materialien, wie beispielsweise der nicht brennbare Mineralwolle; betreiben eine rege und erfolgreiche Lobbyarbeit. Die Vorgaben zur Reduzierung der Energie, die zum Heizen benötigt wird, haben angesichts der Klimaerwärmung ihre grundsätzliche Berechtigung.
Profit und Sparzwang
Aber die Auseinandersetzungen um den Klimaschutz sind nicht nur beim Hausbau, aber da eben auch, reichlich verlogen. Was völlig fehlt, ist eine kritische Bewertung der Energiebilanz, die den Nutzen, beispielsweise einer Fassadendämmung, in Relation zum Energieaufwand stellt, der für die Herstellung, den Transport, die Montage und die spätere Entsorgung aufgewendet werden muss. Diese Betrachtung würde zeigen, wenn dann noch der soziale Aspekt dazu kommt, dass viele gesetzliche Vorgaben nicht vorrangig dem Umweltschutz dienen, sondern nur der politischen Imagepflege. So sind die Vorgaben für Neubauten zwar sehr streng. In Neubauten ist in der Regel der Wohnflächenverbrauch pro Kopf aber mehr als doppelt so hoch, als in einer Sozialbauwohnung. Da Sozialbauwohnungen kaum noch gebaut werden, unterläuft der immer weiter steigende Wohnflächenverbrauch in den teuren freifinanzierten Neubauwohnungen, teilweise die Bemühungen um den Klimaschutz. Der Brand in London zeigt einmal mehr, wie notwendig eine verantwortungsvolle Wohnungsbaupolitik ist, die der Daseinsvorsorge für alle Menschen dient, und die nicht dem Profit oder einem Sparzwang unterworfen ist.
Foto: Catholic Church (England and Wales)
Schlagwörter: Energie, Inland, Klimaschutz, London, marx21, Wohnungspolitik