R2G alles Ok? Mitnichten. Assmann und Krause über rot-rot-grüne Stadtpolitik für mildtätige Milliardäre
In ihrem Rettungs-Rationalisierungs-Runterwirtschaftungs-Schleuderprozess landeten die Warenhausketten Karstadt und Kaufhof zuletzt bei René Benko, einem zwielichtigen Immobilienmilliardär aus Österreich mit seinem Unternehmen Signa. Dessen Interesse, neben der Förderung rechter Ekelparteien, liegt nicht im Verkauf von Gebrauchsgütern, sondern in der Verwertung der Immobilienstandorte, wie sich deutlich am Hermannplatz im Berliner Bezirk Kreuzberg zeigt. Dort will er das Karstadt-Kaufhaus abreißen und sich stattdessen für eine halbe Milliarde Euro mit einer Beton-Kopie eines 20er-Jahre Hochhauses ein Protz-Denkmal hinklotzen.
Vom Unglück zum Glücksfall
»Hypergentrifizierung – geil«, dachte sich die grüne Wirtschaftssenatorin, denn man gibt sich gern weltstädtisch, und die SPD verfiel sofort in einen Wir-sind-wieder-wer-Rausch. Doch die Anwohnenden protestieren, die LINKE Basis ist auch dagegen und der zuständige Bezirk Kreuzberg verweigerte die Baugenehmigung. Dann kam Corona. Benko, der auch sich selbst dieses Jahr nur bescheidene 100 Millionen Euro Dividende auszahlt, kündigte die verlustbedingte Schließung diverser Kaufhäuser in Berlin an – es sei denn, der Senat ließe ihn vier Milliarden Euro in bislang nicht genehmigte Hochhäuser versenken. So wurde aus dem Unglück doch noch ein Glücksfall: Benko gibt einigen der Beschäftigten durch den befristeten Weiterbetrieb sowieso profitabler Filialen ein Gnadenbrot und schenkt der Stadt dafür noch drei Leuchtturmprojekte. Den Stolz über den erfolgreichen Deal konnte dann auch LINKE-Senator Klaus Lederer nicht mehr verbergen.
Der mildtätige Milliardär
Der mildtätige Milliardär engagiert sich nicht nur für seine Angestellten und die Aufwertung von Problemkiezen, auch beim Klimaschutz ist Benko weit vorn. Ohne Gegenleistung spendete er Berlin bereits 80 Meter sicheren Radweg – durch den Innenhof von Karstadt. Die CO2-Bilanz seines Hochhausmonsters ließe sich leicht ausgleichen, wenn dafür der Autoverkehr vom angrenzenden Hermannplatz umgelenkt wird. Eine Idee, die die Lokalpolitik dankbar aufgreift. Dass Benkos Nachhaltigkeitskonzept so gut ankommt, ist kein Zufall. Schließlich hat ihn die Firma des bekanntesten ehemaligen Grünen-Politikers Joschka Fischer Consulting dabei unterstützt.
Impulse für den sozial-ökologischen Wandel
Der nächste Schritt zur Öko-Revolution bei Signa: In einer Ecke des Karstadt werden statt neuer bereits gebrauchte Waren verkauft. »I love Re-Use«, jubelt die grün geführte Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz auf Großplakaten über diesen Durchbruch. Nachdem Berlin auf Betreiben der Ökopartei bereits die Fahrradwege mit abwaschbarer Farbe grün angestrichen hat, die S-Bahn privatisiert wird und steigende Ticketpreise gleichbleibende Qualität im ÖPNV garantieren, braucht der Senat dringend neue Impulse, wie der sozial-ökologische Wandel noch weiter vorangetrieben werden kann.
Neue Perspektiven für R2G
Der Deal mit Benko eröffnet neue Perspektiven: Siemens hat sich als verlässlicher Partner Berlins erwiesen und bei der Umstrukturierung nicht alle Stellen gestrichen. Dafür sollte das Land den Konzern bei der Etablierung zukunftsfähiger Sparten unterstützen, für den Bereich Gesundheitstechnologie ständen ja zum Beispiel die landeseigenen Kliniken zur Verfügung. Google könnte sicherlich dafür gewonnen werden, die Digitalisierung der Berliner Verwaltung durchzuführen, wenn man dem Konzern dafür die Rathäuser und Verwaltungsgebäude überträgt und die Mitarbeiter aus dem sicheren Homeoffice arbeiten lässt – eine Win-Win-Situation auch für Gesundheits- und Klimaschutz, die auf Schulen übertragbar wäre. Das Ziel dabei muss natürlich bleiben, die Notwendigkeit solch mühseliger Deals zu überwinden. Stattdessen müssen die relevanten Entscheider frühzeitiger an Planungs- und Gesetzgebungsprozessen beteiligt werden. So würden wegweisende Projekte nicht länger zwischen den wechselnden Partikularinteressen protestierfreudiger Initiativen zerrieben.
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