Im Zentrum einer neuen Graphic Novel steht ein Untergrund-Krankenhaus im syrischen Kriegsgebiet. Neben dem täglichen Überlebenskampf zeigen die Bilder auch die verworrene Lage im Land. Von Lisa Hofmann
Eine Stadt irgendwo in Syrien. Bomben fallen. Raketen und Gewehre werden abgefeuert, Menschen und Gebäude getroffen. Es ist Krieg. Die Gewalt, die Brutalität und das Grauen des Kriegs springen einen förmlich an beim Lesen und Betrachten der Graphic Novel »Freedom Hospital« von Hamid Sulaiman.
Der Autor zeigt in schlichten Schwarz-Weiß-Bildern den Alltag des Kriegs in Syrien. Er zeichnet nicht nur Kampfhandlungen und Hinrichtungen, sondern auch Demonstrationen und das Leben der Patientinnen und Patienten, Aktivistinnen und Aktivisten des »Freedom Hospitals«. Dabei handelt es sich um ein selbstorganisiertes Krankenhaus, das die aus dem Exil zurückgekehrte Friedensaktivistin Yasmin mit einigen Verbündeten betreibt. Sie versuchen, verwundete Rebellen und Zivilisten zu versorgen und damit eine minimale medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten.
Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
Die Lage im »Freedom Hospital« ist katastrophal. Den Helferinnen und Helfern mangelt es an allem. Weder gibt es ausreichend medizinische Ausstattung noch genügend Medikamente. Keine internationale Hilfsorganisation unterstützt das Krankenhaus. Die Aktivistinnen und Aktivisten haben so wenig Nahrungsmittel, dass sie sich irgendwann gezwungen sehen, aus der von allen geliebten Katze eine Suppe zu kochen. Sie lassen sich aber weder durch den Verlust der Katze, noch die fortwährenden Kampfhandlungen und auch nicht durch die Todesfälle, auch unter den Unterstützern von Yasmins Projekt, entmutigen.
Sulaiman fängt die Verzweiflung, aber auch die Hoffnungen von Yasmin in eindrücklichen Bildern ein. Dabei wechseln sich Flucht vor Bomben, Gespräche mit Unterstützerinnen und Unterstützern und romantische Abende ab. Durch diese Gegenüberstellung wirken die teilweise sehr drastischen Kriegsszenen noch erschütternder. Sulaiman erzählt mit seiner Graphic Novel nicht nur vom Mikrokosmos des »Freedom Hospitals«, sondern unternimmt auch den Versuch, die unübersichtliche Lage der verschiedenen in Syrien Krieg führenden Fraktionen und Nationen darzustellen. So wird bei jeder Waffe, die im Buch auftaucht, benannt, aus welcher Quelle sie stammt und von welcher Fraktion sie aktuell verwendet wird. Dadurch gewinnt man einen Überblickt über die Parteien, Nationen und Unternehmen der Rüstungsindustrie, die an diesem Krieg verdienen.
Kampf gegen ehemalige Freunde
Je weiter die Handlung voranschreitet, desto verworrener erscheint die Situation. Die Gräben zwischen den Kriegsparteien werden im Laufe der Zeit auch immer mehr zu Rissen in der Gemeinschaft der Aktivistinnen und Patienten des »Freedom Hospitals«. Zu Beginn der Graphic Novel diskutieren die Aktivisten der Friedensbewegung und die internationalen Journalisten friedlich und offen mit Sunniten, Muslimbrüdern und Alawiten. Sie erklären einander ihre jeweilige Sicht auf den Konflikt in Syrien, hören sich gegenseitig zu und machen sogar Witze mit- und übereinander. Mit der Zeit spitzen sich allerdings die Konflikte sowohl innerhalb der Gruppe als auch in Syrien insgesamt immer weiter zu. Der Islamische Staat (IS) beginnt, Kämpfer zu rekrutieren und Gebiete zu erobern. Manche verlassen das Krankenhaus, andere schließen sich dem IS an und bekämpfen ihre ehemaligen Freunde.
Hamid Suleiman kämpfte selbst gegen Assad. Er wurde inhaftiert und gefoltert und lebt heute in Frankreich im Exil. Mit »Freedom Hospital« ist ihm ein eindrückliches Panorama des Kriegs in Syriens gelungen. Wem die drastischen Darstellungen nicht zu brutal sind, sei die Graphic Novel sehr empfohlen.
Das Buch: Hamid Sulaiman: Freedom Hospital, Hanser Berlin 2017, 288 Seiten, 24 Euro
Foto: © Hamid Sulaiman / Hanser Berlin
Schlagwörter: Assad, Bücher, Buchrezension, Graphic Novel, IS, Islamischer Staat, Kultur, Revolution, Syrien, Syrienkrieg