Die dänische Malerin Lili Elber war einer der ersten Menschen, der sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog. »The Danish Girl« bringt ihre Lebensgeschichte nun auf die Leinwand. Es bleiben allerdings Fragen. Von Hai-Hsin Lu
Diesen Winter wird die dramatische Lebensgeschichte der transgeschlechtlichen Malerin Lili Elbes erstmals auf die große Leinwand gebracht. Mit Regisseur Tom Hooper und Oscar-Preisträger Eddie Redmayne hat der Film eine erstklassige Besetzung und ist schon für diverse Filmpreise nominiert. Dank einer erstaunlich ruhigen, aber nichtsdestotrotz gewaltigen Bildsprache ist den Machern in Sachen Cinematographie schon viel Lob sicher. Ob der Film jedoch das emanzipative Potential in der Darstellung trans- und intergeschlechtlichen Menschen aufbringen kann, bleibt zwischen den stillen, blaustichtigen Szenen ein großes Fragezeichen.
Zu Beginn der Geschichte lernen wir das glücklich verheiratete Künstlerehepaar Einar und Gerda Wegener kennen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Kopenhagen lebt und arbeitet. Einar ist zurückhaltend und beschäftigt sich vornehmlich mit Landschaftsmalerei, inspireriert durch seinen Heimatort Vejle. Seine Frau, die im Stile des art nouveau weibliche Figuren kreiert, bittet ihn, für sie Modell zu sitzen. Ab diesen Zeitpunkt beginnt für Einar eine intensive Auseinandersetzung mit seiner geschlechtlichen Identität. Die Frauenkleidung erweckt in ihm ein tiefes Verlangen, sein authentisches Ich in Erscheinung treten zu lassen. Die beeindruckende Frau, die auf Gerdas Leinwand zum Leben erweckt und spaßeshalber Lili genannt wird, ist für Einar ein Spiegelbild seines innersten Selbst. Einar, von Eddie Redmayne als scheuer und verunsicherter Charakter dargestellt, blickt immer wieder in sein Spiegelbild. Das mit Lippenstift betupfte, geschminkte Gesicht, das unter einer Perücke hervorschaut, ist zuerst freudig verwirrt, dann vor innerer Verzweiflung ganz starr.
Eine unkonventionelle Liebe
Beeindruckend ist die Transformation der Beziehung zwischen Einar/Lili und Gerda, die sie trotz sich wandelnder, stets unterschiedlicher Bedürfnisse aufrecht erhalten können. Die Unkonventionalität der Liebe, die trotz geschlechtlicher Umwandlung bestanden bleibt, sprengt zweifelsohne das normative Bild der heterosexuellen Paarbeziehung, das sie noch am Anfang des Films darstellen. Lili wird zu Gerdas größten Muse, während diese sich in ihrer steten Umwandlung an Gerda als Wegbegleiterin und Partnerin orientiert. So verlangt sie vor einer zweiten Geschlechtsumwandlungsoperation, dass Gerda mit ihr nach Deutschland fährt. Im Gespräch mit dem deutschen Arzt Kurt Warnekros, der die chirurgische Leitung bei der Operation übernimmt, gibt Einar zu verstehen: »Ich glaube, dass ich eine Frau bin.« – worauf Gerda seine Hand ergreift und bestätigt: »Das glaube ich auch«. Das Ehepaar bleibt bis zur Schlussszene miteinander im Einklang.
Der Film portraitiert das bohemisch anmutende Künstlerleben, das das Ehepaar führt, hervorragend. Ob in Kopenhagen oder Paris, die Schauspieler bewegen sich stets in makellos kompositionierten Räumlichkeiten. Einars Transformation zu Lili wird mit Kostümen und Schminke passend untermalt.
Die Geschichte des Films basiert auf dem gleichnamigen Roman aus dem Jahr 2000, der die fiktionalisierte Lebensgeschichte Lili Elbes erzählt. Als einer der ersten Menschen, die sich einer chirurgischen Geschlechtsumwandlung unterziehen sollte, war Einar Wegener oder Lili Elbe für die zeitgenösische Gesellschaft ein Faszinosum. Schon Anfang der 1930er Jahre, kurz nach ihrem Tod, wurde ihr biographisches Werk publiziert. Das Interesse an Elbe ist nun mit diesem großformatigen Film wieder aufgelebt. Während in Deutschland nur zaghaft darauf zugegangen wird, gibt es in den USA schon länger einen steigenden Trend, Transmenschen in den Mainstreammedien zu thematisieren. Die Erfolgsserie »Orange is the new black« und die von Amazon produzierte Serie »Transparent« sind nur zwei von vielen Beispielen, in denen die Thematik aufgegriffen wird.
Die Emanzipation bleibt stecken
Kann »The Danish Girl« nun als emanzipatorischer Erfolg gefeiert werden? Nicht ganz. Während der Film sowohl schauspielerisch als auch cinematographisch glänzt, ist der Fokus fast ausschließlich auf Lili und Gerda gelegt. In einigen Szenen sucht Einar vor seiner Transformation Ärzte auf, die ihn allesamt pathologisieren. In einer weiteren Szene erfährt er erschütternde Gewalt durch zwei junge Männer, die ihn unter den Frauenkleidern als männlich zu erkennen meinen. Jedoch begrenzt sich die gesamtgesellschaftliche Verortung auf eben diese Szenen. Einars Verunsicherung, seine persönliche Lebenskrise und der lange Weg zu seiner Identität als Lili spielen sich fast ausschließlich im familiären Rahmen ab. Die breite öffentliche Reaktion, die es damals gab, wird im Film nur marginal rezipiert. Dementsprechend ist es ohne entsprechendes Vorwissen auch schwierig, Lili Elbe als die mutige Pionierin warhzunehmen, die sie war.
Ferner ist die Entscheidung fraglich, einen heterosexuellen, cis-männlichen Schauspieler (»cisgender« bezeichnet Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, Anm. d. Red.) für die Rolle zu engagieren. Denn so sehr wie Eddie Redmayne hier brilliert, hat er nie die Erfahrung von Ausgrenzung gemacht, wurde nie als anders markiert und erfuhr dementsprechend auch keine diesbezügliche Gewalt in jeglicher Ausformung. So wird die Geschichte eines transgeschlechtlichen Menschen von cis-geschlechtlichen Akteuren erzählt, die in ihrer gesellschaftlichen Dominanz auch das Narrativ der transgeschlechtlichen Selbstermächtigung besetzen und reproduzieren. Das ist genauso ein Machtinstrument wie die systematische Nicht- oder Fehlrepräsentation von sämtlichen Minoritäten in der breiten Medienlandschaft. Dementsprechend ist es wichtig zu schauen, wer die Geschichten erzählt. Sonst läuft ein Film Gefahr, eine bloße künstlerische Darbietung einer historischen Kuriosität zu werden, die mainstreamtauglich gemacht wird und in keinerlei gesellschaftlichen Zusammenhängen eingebettet ist.
Insgesamt aber stellt »The Danish Girl« einen großen Schritt dar, den öffentlichen Diskurs nachhaltig zu beeinflussen. Gleichzeitig ist der Film in einen Medientrend miteinzubeziehen, der sich vermehrt mit nicht-heteronormativen Geschlechtsidentitäten auseinandersetzt. Gerade deswegen ist es umso wichtiger sich kritisch mit diesen Fragen auseinanderzusetzen: Von wem wird Lili Elbes Geschichte neuerzählt? Wie wird sie rezipiert? Kann aus der Sichtbarmachung dieser Persönlichkeit progressive Schlüsse gezogen werden? Dies sind Fragen, die wir uns zukünftig hoffentlich immer wieder stellen werden.
Der Film: The Danish Girl, Regie: Tom Hooper, USA/Großbritannien/Deutschland 2015, Universal Pictures, 120 Minuten, seit 7. Januar in den Kinos
Schlagwörter: Gender, Kino, Kultur, Transgender