In »Through the Darkest of Times« managen die Spielerinnen und Spieler den Widerstand gegen die Nazi-Diktatur. Mit der Zeit etwas eintönig, aber für Strategie-Fans lohnenswert, meint Hans Krause
»Als Adolf Hitler 1933 zum Kanzler ernannte wurde, jubelten die Massen. Aber wir nicht. Wir wussten, dass nun schlimme Zeiten anbrechen würden. Wir wussten, dass die Drohungen der Nazis keine leeren waren. Wir mussten etwas tun! Wir durften nicht schweigen! Aber wir wussten auch: Es kann uns den Kopf kosten.«
Trailer »Through the Darkest of Times«
»Through the Darkest of Times«: Um was geht es?
So beginnt »Through the Darkest of Times«, ein rundenbasiertes Strategie- und Managementspiel für Windows und macOS. Kurz nach der Machtergreifung der Nazis gründet die Spielerin oder der Spieler in Berlin eine fünfköpfige Widerstandsgruppe. Im Hinterzimmer einer Kneipe legt man jede Woche neue Aktivitäten fest. Ein Mitglied der Gruppe sammelt Spenden bei Arbeiterinnen und Arbeitern oder in einer Kirchengemeinde. Jemand anders kauft unauffällig große Mengen Papier oder Farbe. Gelingt das, kann die Gruppe damit Flugblätter herstellen oder Parolen gegen die Nazis an Wände schreiben. Später kommen schwierigere Aufgaben dazu, wie Uniformen aus SA-Wachen zu stehlen oder Bomben zu bauen. Damit kann man später vielleicht sogar …
Mit Hakenkreuzen spielt man nicht?
Als das Spielestudio »Paintbucket Games« 2018 die ersten Bilder veröffentlichte, zeigte sich der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff schockiert darüber, dass zum ersten Mal in Deutschland in einem Computerspiel Hakenkreuze erlaubt wurden. Familienministerin Franziska Giffey veröffentlichte dazu den dämlichen Satz: »Mit Hakenkreuzen spielt man nicht.« Offensichtlich hatten beide übersehen, dass es hier um den Widerstand gegen die Nazis geht und nicht um ein Schießspiel, in dem man beide Seiten wählen kann.
»Through the Darkest of Times«: Der Widerstand als Strategiespiel
Während die meisten Filme und Serien über die Nazi-Diktatur sich auf Zweiten Weltkrieg und Holocaust konzentrieren, behandelt »Through the Darkest of Times« den Widerstand in Deutschland. Allerdings nicht den der Offiziere um Carl von Stauffenberg, der selbst ein Nazi war und Hitler nur töten wollte, weil er den Krieg nicht gewinnen konnte. Vielmehr handelt das Spiel von den tausenden Kommunistinnen, Sozialdemokraten, Gewerkschafterinnen, Arbeitern, Künstlerinnen oder Wissenschaftlern, die Rüstungsbetriebe sabotierten, Flugblätter schrieben oder Verfolgten zur Flucht verhalfen.
Um die Vielfältigkeit des Widerstands darzustellen, hat die Spielerin oder der Spieler einen Vorteil, wenn sie die Mitglieder der Gruppe von der Kommunistin bis zur konservativen Nazi-Gegner möglichst vielfältig auswählt. Die Gewerkschafterin ist erfolgreicher im Gespräch mit Arbeitern, der Geschäftsmann sammelt Spenden für den Widerstand unter Seinesgleichen.
Was »Through the Darkest of Times« richtig gut macht
Eine große Stärke von »Through the Darkest of Times« ist, das Leben in Nazi-Deutschland greifbar zu machen. Das Spiel wird im Stil einer Visual Novel gezeigt, mit wenigen schwarz-weiß-Bildern und viel gut geschriebenem Text. Die Spielaktionen werden oft unterbrochen von Schilderungen realer Ereignissen der Nazi-Herrschaft in Berlin wie der Bücherverbrennung, aber auch weniger bekannten Verbrechen wie der »Köpenicker Blutwoche« im Juni 1933, als die SA in Berlin-Köpenick etwa 500 Gegner der Nazis gefangen nahm, folterte und mindestens 23 von ihnen ermordete.
Zudem bekommen die Spielenden einen Eindruck davon, was das Leben in einer Widerstandsgruppe bedeutet hat. Ein Mitglied soll mit der Polizei gesprochen haben, bestreitet dies aber. Was tun? Der Ehemann einer anderen ist der NSDAP beigetreten. Ist sie deshalb nicht mehr vertrauenswürdig? Und spätestens wenn die Polizei das erste Mitglied der Gruppe verhaftet und gefoltert hat, stellt sich die Frage: Ist es das überhaupt wert? Was können wir schon ausrichten? Sollte man sich nicht besser ruhig verhalten, insbesondere als die alliierten Armeen auf Deutschland vorrücken?
Und das Gameplay?
»Through the Darkest of Times« gelingt es grafisch und erzählerisch sehr gut, die Spielenden in die Welt der Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer eintauchen zu lassen. Leider kann das Spiel selbst nicht ganz mithalten. Denn hauptsächlich verbringt man seine Zeit mit der Übersichtskarte von Berlin, auf der man wie bei einem Brettspiel seinen Gruppenmitgliedern Aktionen zuweist.
Doch selbst gefährliche Unternehmungen, wie das befreien eines Gruppenmitglieds aus dem Gefängnis, werden nur mit einem einfachen Bild und wenigen Sätzen beschrieben, gefolgt von der Nachricht, ob man erfolgreich war oder nicht. Zudem müssen Aktionen wie Spenden sammeln und Gegenstände kaufen in fast jeder Runde erledigt werden. Weil diese aber immer gleich ablaufen, droht nach einigen Stunden Langeweile.
Ein Spiel über den Widerstand gegen Nazis und Massenmord ist eine ebenso interessante wie lehrreiche Ausnahme
Ebenfalls etwas demotivierend ist der historisch realistische Umstand, dass meine kleine Widerstandsgruppe den Lauf der großen Geschichte nicht ändern kann. Egal wie viele antifaschistische Bücher ich ins Land schmuggle oder Informationen an die Alliierten liefere: Meine Aktionen können meinen Spielcharakter zwar buchstäblich Kopf und Kragen kosten, aber nicht die Nazi-Herrschaft insgesamt gefährden. Dadurch entsteht die etwas eigentümliche Mechanik, dass ich die Aktionen spieltechnisch nur brauche, damit die Unterstützerinnen und Unterstützer weiter spenden und die Gruppe bestehen bleibt, nicht aber, um die Hitler-Diktatur zu stürzen. »Paintbucket Games« hat allerdings angekündigt, später mit einer kostenlos runterladbaren Nachbesserung einen alternativen Verlauf der Geschichte zu ermöglichen.
Die Comupter-Spiele-Charts werden von Call-of-Duty- und Star-Wars-Spielen angeführt, in denen das Töten hunderter Menschen so selbstverständlich ist wie eine Internetsuche mit Google. Gerade deshalb ist ein Spiel über den Widerstand gegen Nazis und Massenmord eine ebenso interessante wie lehrreiche Ausnahme.
Zwar wäre spielerisch mehr drin gewesen. Für 13 Euro lohnt sich »Through the Darkest of Times« jedoch für alle, die Strategiespiele mögen oder sich für den Widerstand gegen die Nazi-Diktatur interessieren.
Das Spiel
Through the Darkest of Times
Paintbucket Games
Download für Windows und macOS
Sprachen: Deutsch und Englisch
13 Euro
2020
Schlagwörter: Antifaschismus, Computerspiel, Kultur, Rezension