Den Kapitalismus besser verstehen, um ihn wirkungsvoller zu bekämpfen: Dazu möchte Ralf Krämer mit seinem neuen Buch einen Beitrag leisten. Thomas Walter hat es gelesen.
Die kapitalistische Weltwirtschaft kommt nicht zur Ruhe. Ralf Krämer, Sekretär beim ver.di-Bundesvorstand und Mitglied des SprecherInnenkreises der Sozialistischen Linken in der LINKEN, nimmt dies zum Anlass, in einem neuen Buch die marxistische Kapitalismuskritik auf das Hier und Heute zu aktualisieren.
Krämer beginnt mit dem Kapitalismus als Klassengesellschaft: Kapitalisten beuten die Arbeiterklasse aus. Dies ruft immer wieder den Widerstand der Arbeiter und Arbeiterinnen hervor. Ihr Kampf kann umso besser geführt werden, je genauer der Kapitalismus verstanden wird. Dazu will Krämer mit seinem Buch beitragen.
Er stellt als eine zentrale Eigenschaft der kapitalistischen Wirtschaft das Marxsche Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate vor. In diesem Zusammenhang erklärt er, dass diese Tendenz mit Kapitalkonzentration einhergeht – große Konzerne bleiben also übrig, die Kleineren werden wegkonkurriert. Das führt zu Stagnation und Arbeitslosigkeit.
Abbildungen und Statistiken bewahren vor zu viel grauer Theorie. Bei der Profitrate beispielsweise scheint seit den 1980er Jahren eine gewisse Stabilisierung eingetreten zu sein. Auch die Konzentrationstendenz läuft nicht immer in dieselbe Richtung. Zuletzt, seit den 1990er Jahren, nahm sie aber wieder zu.
Auf dem Weg in die Industrie 4.0?
Hinter den Kulissen fordern diese Tendenzen die »Staatseinmischung« heraus, wie Krämer Marx zitiert: Die staatlichen Zentralbanken leihen privaten Banken zinslos Geld, um die Wirtschaft vor einem Absturz zu bewahren. Die Konzerne handeln – am Markt vorbei – gleich mit der Regierung aus, wo es lang geht. »Staatlicher Monopolkapitalismus«, wie es früher genannt wurde, breitet sich aus.
Ralf Krämer zeigt die Aktualität von Marx am sogenannten »Maschinenfragment« aus Marx’ Buch »Grundrisse«. Marx sagte dort sozusagen ein »Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen« (so der Titel eines Buches von Elmar Altvater) voraus, wenn Arbeit durch Maschinen ersetzt wird oder sie den eigentlichen Produktionsprozess nur noch indirekt überwachend und steuernd begleitet. Heute schwärmen deutsche Eliten von »Industrie 4.0«, einer neuen industriellen Revolution. Kündigt dies das Szenario des »Maschinenfragments« an? Krämer ist skeptisch. Allerdings diskutieren auch bürgerliche Ökonomen immer häufiger die Frage der »Stagnation«.
Was kann die Linke tun? Angesichts flacher Profitraten bleibt den Zentralbanken nichts anderes übrig als Geld zu drucken, um die Zinsen niedrig zu halten. Ralf Krämer fordert hingegen wie der Deutsche Gewerkschaftsbund, dass die Europäische Zentralbank nicht Banken, sondern staatliche Ausgaben gegen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung finanzieren soll. Statt Profite zu stabilisieren, indem immer mehr gesellschaftliche Bereiche der Kapitallogik unterworfen werden, sollte zum Beispiel die Altersvorsorge nicht privaten Versicherungsunternehmen überlassen werden, sondern wie früher voll staatlich geregelt sein.
Nebenbei erteilt Krämer auch dem »bedingungslosen Grundeinkommen« (BGE) eine Absage. Die Arbeiterklasse sei zentral im Kapitalismus, und an ihr müssen soziale Kämpfe anknüpfen. Beim BGE-Konzept bleibe unklar, welche Klasse die Kosten trage.
Die Europäische Union müsse völlig neu begründet werden, weil sie ein Projekt der Konzerne ist. Längerfristig schwebt Krämer ein »demokratischer Sozialismus« vor: »Wirtschaftsdemokratie auf allen Ebenen«. Um dies zu erreichen, ist ein ständiger Kampf der Arbeiterklasse nötig. Ralf Krämers Buch ist zu wünschen, dass es nicht nur aufklärt, sondern auch einen solchen Kampf anstößt.
Das Buch: Ralf Krämer: Kapitalismus verstehen. Einführung in die Politische Ökonomie der Gegenwart, VSA-Verlag, Hamburg 2015, 250 Seiten, 18 Euro.
Foto: little shiva
Schlagwörter: Bücher, Kapitalismus, Kultur, Marx