Unser Autor wirft einen Blick zurück auf eine der bedeutendsten Organisationen des schwarzen Widerstands in Nordamerika: die Black Panther Party for Self Defense. Von Michael Ferschke
Im Jahr 1966 fanden in 38 Städten der USA Aufstände in den Armenvierteln der Schwarzen statt. Häuserblocks gingen in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert und es kam zu Straßenkämpfen mit der einmarschierenden Nationalgarde. Hier brach sich die Wut über die drastische soziale Diskriminierung der Schwarzen Bahn. Auslöser waren meist die rassistischen Schikanen der Polizei.
Die beiden Studenten Bobby Seale und Huey P. Newton gründeten im Oktober 1966 die Black Panther Party (BPP) im kalifornischen Oakland. Sie wollten mit der neuen Partei die Dynamik der spontanen Gettoaufstände in eine politische Bewegung gegen den Kapitalismus umwandeln. Die Gründer der Black Panther Party grenzten sich von Martin Luther King und dem gemäßigten Flügel der Bürgerrechtsbewegung ab. Sie verstanden sich stattdessen als »Erben« des 1965 ermordeten radikalen Schwarzenführers Malcolm X.
Dieser hatte ein deutlich radikaleres Programm vertreten als King. Zum einen lehnte Malcolm X dessen Prinzip der Gewaltlosigkeit ab und pochte stattdessen auf das Recht auf bewaffnete Selbstverteidigung gegen die Willkür der Polizei und die Übergriffe rassistischer weißer Mobs. Zweitens verstand er den Kampf gegen den Rassismus auch als antikapitalistischen Kampf und schloss daher ein Bündnis mit der pro-kapitalistischen Demokratischen Partei kategorisch aus. Drittens fasste Malcom X den Kampf der amerikanischen Schwarzen als Teil einer weltweiten antikolonialen Bewegung auf, die gegen die weiße Vorherrschaft rebellierte.
Armut, Rassismus, Krieg und Polizeigewalt
Beeinflusst diesen Ansichten und von Theoretikern der antiimperialistischen Befreiungsbewegungen wie Frantz Fanon und Che Guevara verfassten Newton und Seale das »10-Punkte-Programm« der BPP. Darin forderten sie unter anderem Vollbeschäftigung und angemessene Wohnungen für die Schwarzen. Falls die weißen Kapitalisten und Miethaie dies nicht gewährleisten könnten, sollten sie enteignet werden. Des Weiteren verlangten Newton und Seale die Freistellung Schwarzer vom Wehrdienst mit folgender Begründung: »Wir werden nicht kämpfen und andere Farbige töten, die wie wir Opfer der weißen, rassistischen Regierung der USA sind.« Die BPP bezog sich positiv auf den Kampf der vietnamesischen Befreiungsarmee gegen die US-Armee.
Für die Praxis der Partei war zunächst Punkt sieben des Programms am wichtigsten: »Wir fordern die sofortige Beendigung der Polizeibrutalität und der Morde an schwarzen Menschen.« Die arbeitslosen Jugendlichen waren in den Gettos täglich rassistischen Schikanen durch die Polizei ausgesetzt. Die Black Panther Party verglich die Polizei mit einer weißen Besatzungsarmee, die eine schwarze »Kolonie« beherrscht. Anfang 1967 begannen die Panther auf Kontrollfahrten zu gehen, um das Verhalten der Polizei zu überwachen. Dadurch wollten sie sicherstellen, dass die Bürgerrechte der Schwarzen nicht länger von der Polizei mit Füßen getreten werden.
Der Durchbruch der Black Panther Party
Nationale Bekanntheit erzielte die BPP durch einen spektakulären Auftritt von 30 Mitgliedern, die im Mai 1967 bewaffnet in das Gebäude der kalifornischen Staatsregierung marschierten. Sie protestierten gegen das geplante Verbot des öffentlichen Tragens von Waffen. Der Gesetzentwurf war von einem Oaklander Abgeordneten eingebracht worden und richtete sich direkt gegen die BPP. Bei der Aktion wurden Bobby Seale und fünf andere Mitglieder zwar festgenommen, doch das Aufsehen in der Presse brachte ihnen viele neue Mitglieder und viel Sympathie ein.
1968 war das Durchbruchsjahr für die BPP. Nach der Ermordung Martin Luther Kings im April kam es zu schweren Getto-Unruhen in über hundert Städten der USA. Vielerorts entstanden spontan neue Gruppen und Ende des Jahres war die Partei mit über 2000 Mitgliedern in 25 Städten vertreten. Die zweiwöchentlich erscheinende Parteizeitung »The Black Panther« erreichte eine Auflage von fast 100.000 Exemplaren.
Bewaffnete Schwarze gegen Kapital und Staat
Das Wachstum der Black Panther Party beunruhigte die Herrschenden der USA. Die Vorstellung, dass bewaffnete schwarze Jugendliche organisiert gegen Kapital und Staat antreten, war für sie ein Albtraum. FBI-Chef Edgar Hoover erklärte die BPP zur »größten Gefahr für die innere Sicherheit des Landes«.
Er ordnete eine massive Infiltration der Partei an, um sie zu zerstören. Das FBI schleuste Provokateure und Spitzel in die BPP ein, verbreitete Falschmeldungen über sie und schüchterte Sympathisanten und Mitglieder ein. Fast alle BPP-Büros wurden in überfallartiger Manier von der Polizei durchsucht. Die gezielte Tötung von BPP-Mitgliedern war die extremste Maßnahme in Hoovers Programm. In den Jahren 1968-1969 wurden 739 Panther verhaftet und zwanzig von der Polizei erschossen.
Strategische Wende
Ende 1968 nahm die Führung der Black Panther Party eine strategische Wende vor, indem sie sich vom bewaffneten Auftreten abkehrte. Drei Gründe waren dafür maßgeblich: Erstens ebbten die Gettorevolten nach ihrem Höhepunkt im Sommer 1968 ab. Zweitens war der Preis für eine militärische Konfrontation mit dem übermächtigen Staatsapparat zu hoch. Und drittens entfremdete das militante Auftreten die einfachen schwarzen Familien von der BPP. Gerade angesichts der wachsenden Repressalien durch den Staat waren die Panther jedoch auf die Solidarität der Gettobewohner angewiesen.
Mit einer neuen Strategie sollte die Partei stärker in der Bevölkerung verwurzelt werden. Praktischer Schwerpunkt der neuen Arbeitsweise waren die sogenannten »Community«-Programme, die eine soziale und politische Infrastruktur für den Widerstand in den Gettos bilden sollten. Die BPP übernahm damit unter der Parole »Diene dem Volk« ein Konzept des chinesischen Revolutionsführers Mao Zedong. Kern war eine Doppelstrategie: Während die Partei einerseits Vorbereitungen für den künftigen Guerillakampf traf, sollte gleichzeitig durch die Community-Programme das revolutionäre Bewusstsein der Bevölkerung geweckt werden. Die wichtigsten Programme der Panther waren: kostenloses Frühstück für Kinder, kostenlose Gesundheitsvorsorge und »Black Liberation Schools« zur Vermittlung der Geschichte der Schwarzen.
Maoismus in den USA
Die Bilanz der strategischen Wende der Black Panther Party war zweischneidig. Sie hatte die Partei davor bewahrt, in bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Polizei völlig aufgerieben zu werden. Die Zeitung erschien weiterhin alle zwei Wochen und erreichte 1970 eine Auflage von 140.000. Auch nahm die Unterstützung für die Partei in der Bevölkerung deutlich zu. Zugleich enttäuschte die Wende aber die revolutionären Erwartungen vieler Mitglieder. Für sie gab es eine zu große Diskrepanz zwischen dem Anspruch, Teil des weltweiten revolutionären Befreiungskampfs zu sein, und einer Praxis, die sich in sozialen Selbsthilfeprogrammen und dem Verkauf der Zeitung erschöpfte.
Die maoistische Kombination von bewaffnetem Kampf und gleichzeitiger Betonung von Sozialprogrammen war in den USA zum Scheitern verurteilt, da die Aktionen der BPP in einem ganz anderen Kontext als die chinesische Revolution stattfanden: Die Organisation agierte nicht in einem agrarischen Hinterland, sondern inmitten der Metropolen des mächtigsten Industriestaats der Welt.
Über diesen Widerspruch bildeten sich zwei Lager in der Partei heraus: Die einen, die den bewaffneten Kampf fortführen wollten und dafür bereit waren, in den Untergrund zu gehen scharten sich um Eldridge Cleaver. Auf der anderen Seite stand das Lager um Huey Newton. Dessen Vertreter hielten an den Community-Programmen fest und waren dazu auf legale Arbeit und Allianzen mit gemäßigten Kräften angewiesen. Die Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage spitzten sich zu einem erbitterten Fraktionskampf zu.
Verbindung mit der Arbeiterbewegung
Es gab in der Black Panther Party auch eine kleine, dritte Strömung, die auf die Verbindung mit der Arbeiterbewegung hin orientierte. Hauptprotagonist war hier Kenny Horston, der eine Betriebsgruppe der BPP bei General Motors in Freemont, Kalifornien, aufgebaut hatte. Horston folgte dem Beispiel schwarzer Betriebszellen in Detroit, die dort in den Jahren 1968 und 1969 in der Autoindustrie aufgebaut worden waren. Sie nannten sich Revolutionary Union Movement (RUM) und organisierten erfolgreich schwarze Arbeiter in den Fabriken von Dodge, Chrysler, Ford und anderen. In den Chrysler-Werken konnte RUM in der Hochphase von 1968 wöchentlich hunderte von Arbeitern zu politischen Treffen mobilisieren und mit wilden Streiks mehrfach die Produktion lahmlegen. Kern des Konflikts waren hier die schlechten Arbeitsbedingungen und die völlige Unterrepräsentanz von schwarzen Arbeitern in der Gewerkschaft. Die RUMs schlossen sich politisch unter dem Dach der League of Revolutionary Black Workers zusammen und hatten neben den Betriebsflugblättern eine werksübergreifende Zeitung, mit der auch an der Universität und im Stadtteil Unterstützung für die Betriebsgruppen organisiert wurde.
Im Frühjahr 1969 spekulierte der BPP-Chef David Hilliard auf einen möglichen Zusammenschluss mit der League of Revolutionary Black Workers. Die Panthers organisierten eine »Revolutionäre Arbeiterkonferenz«, bei der die Perspektiven einer Koalition erörtert und die Organisierung des Klassenkampfs zu einer zentralen Herausforderung erklärt wurden.
Gettoaufstände statt Streiks
Die Orientierung auf die Arbeiterklasse griff einige Zeit lang auch Huey Newton auf. Aus seiner Gefängniszelle schrieb er im August 1969: »Die gesamte Arbeiterklasse muss die Produktionsmittel an sich reißen. Das schließt logischerweise schwarze Menschen ein.« Diese Position stellte eine Abkehr von der ursprünglichen Herangehensweise Newtons dar. Anfangs war er davon ausgegangen, dass die Schwarzen in den USA so stark aus der Wirtschaft ausgegrenzt worden seien, dass sie keine produktive ökonomische Macht als Klasse mehr besäßen. Deswegen sah er in der destruktiv-kostspieligen Zerstörungskraft der Gettoaufstände die größte Machtressource im Kampf für Konzessionen gegenüber dem weißen Establishment und die BPP erklärte die arbeitslosen Jugendlichen zu ihrer Zielgruppe. Diese Strategie war insofern ein Zeichen der Hilflosigkeit, dass sie erstens der Übermacht des Staatsapparats nicht gewachsen war und zweitens die Tatsache unterschlug, dass die Mehrheit der Schwarzen eben nicht arbeitslos war, sondern tagtäglich in den Fabriken, Betrieben und Verwaltungen schuftete. Durch diese Stellung im Produktionsprozess ergibt sich für die arbeitenden Menschen eine potenzielle Gegenmacht, denn sie können das Kapital durch Streiks in die Knie zwingen.
Letztlich konnte sich diese Orientierung auf Klassenkämpfe in der BPP nicht durchsetzen. Die Strategie und Praxis der Panther war viel stärker durch die Dynamik der Gettoaufstände geprägt als durch eine Orientierung auf die Arbeiterbewegung. Mehrheitlich bildeten sozial Deklassierte und nicht Arbeiter die Aktivistenbasis der Partei. Das Hauptbetätigungsfeld war die »Straße« und nicht der Betrieb. Deswegen blieb die Orientierung auf Klassenkämpfe stets ein untergeordnetes Randphänomen. Die Gegensätze zwischen den beiden dominierenden Strömungen um Cleaver und Newton zerrissen schließlich die Black Panther Party.
Foto: CIRonline
Schlagwörter: Black Panther, Black Panther Party, Malcolm X, Maoismus, Martin Luther King, Rassismus, USA