Die Haram-Kämpfer besitzen keineswegs das Monopol über Gewalt und rückwärtsgewandte Ideologien in Nigeria. Von Tony Iltis
Über 270 Schülerinnen wurden am 14. April während ihrer Aufnahmeprüfung in der nordöstlichen Stadt Chibok entführt. Die Entführer gehören einer religiösen Sekte namens Jama’at Ahl as-Sunnah lid-da’wawal-Jihad (Versammlung der traditionstreuen Menschen für Bekehrung und Jihad). Die Gruppe ist bekannter unter ihrem Spitznamen Boko Haram, was in der Sprache Hausa in etwa »westliche Bildung ist schmutzig« bedeutet, obwohl die Gruppe selbst sich nicht so bezeichnet. Zwei Wochen lang blieb die Entführung von den globalen Medien und dem nigerianischen Staat weitgehend unbeachtet. Präsident Goodluck Jonathan war vielmehr mit dem Weltwirtschaftsforum zu Afrika beschäftigt, das in der Hauptstadt Abuja vom 7. bis zum 9. Mai tagte. Jonathan wollte die Plattform nutzen, um Nigeria den politischen und wirtschaftlichen Auslandsbesuchen als neoliberale Erfolgsstory zu verkaufen, vor allem nach der Verkündung gerade einen Monat zuvor, dass sein Land Südafrika als größte Wirtschaft auf dem Kontinent überholt habe.
Diese Statistik wirkt allerdings weniger überzeugend, wenn man bedenkt, dass Nigeria mit seinen 175 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land des Kontinents ist und sein Pro-Kopf-Einkommen nicht einmal halb so hoch wie das Südafrikas ist. Außerdem ist die Vermögensungleichheit in Nigeria enorm.
Nigeria: Proteste gegen die Untätigkeit
Familienmitglieder der entführten Mädchen und andere Einwohner von Chibok rüsteten sich mit selbstgebastelten Waffen und begaben sich auf die Suche nach den Schülerinnen. Sie fanden 50 von ihnen, denen es gelungen war, während der Fahrt von den Lastwagen abzuspringen. Die Behörden unternahmen aber weiterhin nichts. Stattdessen flüchteten sie sich in absurde Behauptungen und Widersprüche, wonach die Entführung gar nicht stattgefunden habe oder aber alle Mädchen bereits gerettet seien.
Diese Entführung ist der bislang größte Angriff Boko Harams auf Schulen. Ein zeitgleicher Bombenanschlag in der Hauptstadt Abuja mit 75 Toten legt nahe, dass diese Sekte weit über ihre Basis im Nordosten des Landes tätig ist. Die Proteste gegen die Regierungsuntätigkeit breiteten sich aus und Aktivisten begannen, unter #BringBackOurGirls (holt unsere Mädels zurück) zu twittern. Die Twitterkampagne hob ab und erreichte auch den Westen.
Anfang Mai verwandelte sich das mediale Desinteresse in eine regelrechte Übersättigung, nachdem das Twittern des Hashtags bei den Berühmtheiten dieser Welt in Mode kam. Unter ihnen befanden sich Angelina Jolie, Jada Pinkett Smith, Justin Timberlake, Sean Penn, Ashton Kutcher, Alicia Keys, Cara Delevigne und ironischerweise auch Chris Brown vor seiner Verhaftung am 9. Mai wegen familiärer Gewalt. Die Kampagne in den sozialen Netzwerken erhielt zusätzlich Nahrung durch ein 57-minutiges Video, das an Agence France Presse am 5. Mai geschickt wurde. Darin sieht man den Anführer von Boko Haram, Abubaka Shekau, wie er mit breitem Grinsen verkündet, er würde die entführten Schülerinnen auf dem »offenen Markt« verkaufen und Mädchen bereits mit neun Jahren zwangsverheiraten.
Am 8. Mai unterschrieben fast 50 Persönlichkeiten der »globalen Geschäftswelt, der Zivilgesellschaft und religiöse Führer« einen offenen Brief. Einige unter ihnen besitzen zweifelsohne einen einwandfreien humanitären Leumund, allen voran der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu. Die meisten Namen würde man allerdings eher in der Forbes-Liste der reichsten Menschen vermuten. Der australische Bergbau-Milliardär Andrew Forrest und sein Landsmann Rupert Murdoch, Herrscher über ein weltweites Medienimperium, haben unterschrieben, nebst einem weiteren Medienbaron, Ted Turner, und den Software-Milliardären Bill und Melinda Gates aus den USA und dem britischen Boss von Virgi, Richard Branson. Der moralisierende Rockstar und steuerflüchtige Bono war natürlich auch dabei.
Der offene Brief fordert zwar keine direkte Militärintervention des Westens, allerdings »die volle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft mit ihrer Expertise und ihren Ressourcen – von Satellitenbildern über Geheimdienste hin zu der Versorgungsinfrastruktur der multinationalen Konzerne –, um Unsere Mädels zurückzuholen.«
Nigeria hat seine Soldaten als Teil der »friedenserhaltenden« Truppen der Afrikanischen Union in mehreren Ländern des Kontinents stationiert, hatte aber fremde Unterstützung bei der Bewältigung mehrerer heimischer Aufstände und ziviler Unruhen bislang abgelehnt.
Auslandsintervention in Nigeria
Aber bereits im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums änderte die Regierung ihren Kurs und begrüßte die Militärhilfe der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Kanadas und Chinas. Militär, Polizeikräfte und Geheimdienste der USA befanden sich schon im Land. Das erinnert stark an die Medienkampagne »Kony 2012« in den sozialen Netzwerken, die zur Entsendung von US-Truppen nach Uganda rief. Die britische Zeitung Guardian veröffentlichte am 9. Mai unter der Überschrift »Liebe Welt, eure Hashtags werden #unsere Mädels nicht zurückholen« einen Beitrag der nigerianisch-amerikanischen Journalistin Jumoke Balogun: »Das US-amerikanische Militär liebt eure Hashtags, weil sie ihm die Legitimität verleihen, sich in Afrika einzumischen und ihre dortige Militärpräsenz zu verstärken. Africom, das US-Kommando für Afrika, hat direkt von #KONY2012 profitiert und wird von #BringBackOurGirls noch mehr Nutzen ziehen (…) In einem einzigen Jahr, 2013, führte Africom 546 »militärische Aktionen« durch, das sind anderthalb Militärmissionen pro Tag. Wir wissen nicht zu welchem Zweck, aber eins müssen wir uns vergegenwärtigen: Die Mission Africoms ist es, »die nationalen Sicherheitsinteressen der USA zu fördern«.
Und das geschieht in der Tat. Es wird berichtet, dass amerikanische Truppen nach Niger, Uganda, Ghana, Malawi, Burundi, Maritanien, Südafrika, Tschad, Kameroun, São Tomé und Príncipe, Sierra Leone, Guinea, Lesotho, Äthiopien, Tansania und Südsudan entsendet wurden, um dort die amerikanischen Interessen zu fördern. Hinzu kämen noch »die von den USA geführten Drohnenoperationen im Norden Nigerias und Somalia. Die USA unterhalten antiterroristische Außenposten in Dschibouti und dem Niger und Geheimbasen in Äthiopien und auf den Seychellen, von denen aus Aufklärungsflüge und bewaffnete Drohnenattacken geflogen werden.«
Balogun wies auf die Auswirkungen der US-amerikanischen Trainingsprogramme für afrikanische Kräfte hin: »Der Mann, der die gewählte Regierung Malis im Jahr 2012 stürzte, wurde zwischen 2004 und 2010 von den Vereinigten Staaten trainiert und geführt. Eine von den USA trainierte Bataillon in der Demokratischen Republik Kongo wurde von den Vereinten Nationen wegen Massenvergewaltigung verurteilt. Und jetzt gewinnen die USA weiter an Boden, indem sie noch mehr Militärberater und Drohnen hinschicken, nein, ich korrigiere mich, es heißt doch Sicherheitspersonal und -anlagen, zur Unterstützung des nigerianischen Militärs, das, nebenbei bemerkt, eine lange Geschichte von schlimmsten Massenübergriffen gegen das nigerianische Volk vorweisen kann.«
In ihrer Verhöhnung der »humanitären« Vorwände für Militäraktionen sagte Balogun: »Erinnert ihr euch and #KONY2012, als Obama 100 Soldaten in voller Kampfmontur nach Zentralafrika schickte, um den Anführer der Widerstandsarmee des Herren, Joseph Kony, gefangen zu nehmen oder zu töten? Nun, sie haben ihn nicht gefunden und die Suche vorerst eingestellt, was Obama allerdings nicht davon abhielt, im März 2014 noch weitere Truppen zu entsenden, die jetzt durch Uganda, die Zentralafrikanische Republik, Südsudan und die Demokratische Republik Kongo streifen.«
Genauso wie es die Kony2012-Kampagne versäumte, die Gewalt der Widerstandsarmee des Herren in ihrem Kontext zu sehen, so ignoriert die #BringBackOurGirls-Kampagne im Netz und in den Medien den Kontext, in dem Boko Haram überhaupt entstand. Stattdessen ziehen sie es vor, die islamfeindlichen Standardklischees vom »Krieg gegen den Terror« zu bedienen. Als Kanada im Dezember es den USA und Großbritannien gleich tat und Boko Haram als terroristische Gruppierung einstufte, sagte der kanadische Minister für öffentliche Ordnung, Steven Blaney: »Boko Haram ist eine salafistische, jihadistische Gruppierung … deren Endzweck der Sturz der nigerianischen Regierung und die Einführung der Scharia ist. Die Gruppierung strebt ein politisches System für Nigeria nach dem Modell der Taliban in Afghanistan an.«
In Wirklichkeit ist Boko Haram nicht salafistisch. Ihre Auslegung des Islams ist höchst unorthodox und umfasst lokale, millenaristische Traditionen, die Salafisten als Häresie bezeichnen würden. Ihre Ursprünge gehen auf die komplizierten Beziehungen zwischen Bewegungen für regionale Selbstbestimmung, korrupten Lokalpolitikern, ethnischen Konflikten und Gangstertum, die die politische Landschaft Nigerias seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 kennzeichnen.
Kolonialherrschaft in Nigeria
Großbritannien schuf Nigeria im 19. Jahrhundert durch die Vereinigung ganz unterschiedlicher sozialer und politischer Einheiten. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts war die Küstenregion westlich des Nigerdeltas den Europäern als die Sklavenküste bekannt, so groß war ihre Bedeutung für den transatlantischen Sklavenhandel. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Sklaverei in der britischen Karibik noch blühte, begann Großbritannien mit der Eroberung Afrikas unter dem Vorwand, den Sklavenhandel zu unterdrücken.
In den 1860er Jahren war die Hafenstadt Lagos bereits britische Kolonie und zur Jahrhundertwende waren alle Küstenregionen mittlerweile Protektorate unter britischer Kontrolle. Großbritannien übte seine Kontrolle vermittelst lokaler Herrscher. Wo diese nicht vorhanden waren, ernannte sie Großbritannien. Im Jahr 1906 wurde dann der gesamte Süden zur »Kolonie und Protekorat Südnigeria« vereint. Großbritannien begann mit der Kolonisierung des Nordens erst im Zug des »Wettlaufs um Afrika« nach der Aufteilung des gesamten Kontinents in europäische Einflusssphären auf der Berliner Konferenz von 1884/85. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts gelang Großbritannien die Niederwerfung der muslimischen Staaten des vorkolonialen Nordens Nigerias, die es dann ebenfalls als Protektorate unter seiner Kontrolle behielt.
Im Jahr 1914 führte Großbritannien Nord- und Südnigeria, allerdings unter Beibehaltung getrennter Verwaltungen, zusammen. Christliche Missionare und die Kolonialregierung eröffneten Schulen im Süden, um eine Facharbeiterschaft und lokale Bürokraten heranzuzüchten. Im Norden hingegen und als Teil der Politik der indirekten Herrschaft mit Hilfe der vorkolonialen herrschenden Klasse wurden Missionare verbannt und der islamische Klerus finanziert, um Bildung im Rahmen religiöser Schulen zu bieten. Das ist eine entscheidende Quelle für die Antipathie des religiösen Establishments des Nordens gegen westliche Bildung, die in Boko Harams Spitznamen zum Ausdruck kommt.
Um die Straßen und Eisenbahnlinien von Nordnigeria zur Küste zu bauen, setzte Großbritannien auch Arbeitskräfte aus dem Süden ein. Es wurden für diese allerdings getrennte Wohnquartiere gebaut und jeglicher Kontakt mit den muslimischen Nordenern untersagt. Großbritannien hatte das Land vereint, um seine Ressourcen besser ausbeuten zu können, die Bevölkerung aber spaltete es. Nicht nur wurden der Norden und der Süden als separate Einheiten verwaltet, auch innerhalb beider wurden mehrere getrennte Protektorate geschaffen.
Wettlauf um Ressourcen in Nigeria
Seit der Unabhängigkeit wurde Nigeria Opfer dieser von Großbritannien geschaffenen zentrifugalen Kräfte. Es gab zwischen 1966 und 1998 unaufhörliche Militärcoups. Verschiedene regionale Militärcliquen wetteiferten miteinander um die Aussicht, das Land für sich und zugunsten westlicher Konzerne auszuplündern. Dieser Wettstreit artete zwischen 1967 und 1970 in einen regelrechten Bürgerkrieg aus. Der Osten des Landes, unterstützt durch die USA, Frankreich und das Apartheid-Regime Südafrikas, versuchte, sich als Republik Biafra loszutrennen. Dieses Bestreben wurde allerdings durch die Kräfte West- und Nordnigerias mit Unterstützung Großbritanniens und der Sowjetunion vereitelt. Drei Millionen Menschen verloren dabei ihr Leben.
Im Jahr 1973 entdeckte man dann Ölvorkommen in der Nigerdelta. Öl wurde sehr bald zum wirtschaftlichen Stützpfeiler des Landes, was die regionalen und ethnischen Spannungen allerdings nur verschlimmerte. Zum einen litte die Delta unter enormer Umweltzerstörung, ohne anteilig an den Gewinnen beteiligt zu werden, die alle in die Kassen der kleptokratischen, von Großbritannien geschaffenen Elite wanderten. Der weniger entwickelte Norden hatte seinerseits überhaupt keinen Anteil am Ölreichtum. Nach wichtigen sozialen Indikatoren wie Lesefähigkeit und Lebenserwartung fiel es noch weiter zurück. Das war der Anlass für häufige bewaffnete Aufstände.
Im Nigerdelta stachelte Shell die Regierung an, die gewaltlose Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volks (MOSOP) niederzuschlagen. Nach einem manipulierten Gerichtsverfahren erhängte die Regierung Ken Saro-Wiwa und acht weitere Anführer der MOSOP im Jahr 1995. Es entstanden danach mehrere bewaffnete Widerstandsbewegungen. Einige konzentrierten sich darauf, ihre Gemeinschaften zu schützen, andere wiederum gingen Bündnisse mit Lokalpolitikern ein, um sich im »Bunkering«-Geschäft, dem Diebstahl und illegalen Export von Öl, zu betätigen. Im ganzen Land bot sich ein ähnliches Bild. Lokalpolitiker nahmen bewaffnete Aufstände unter ihr Fittichen, um ihren eigenen Zielen zu dienen. Nach der Umsetzung des ersten vom Weltwährungsfonds verordneten Strukturanpassungsprogramms in den 1990er Jahren nahm die organisierte Kriminalität weiter zu.
Bewaffnete Banden ließen sich aus verschiedenen Quellen rekrutieren: Aufstandsbewegungen vor Ort, religiösen Sekten (muslimischen, christlichen, traditionellen und sogar New Age-Sekten, privaten Sicherheitsfirmen, die Shell und Chevron zum Schutz ihrer Investitionen angeheuert hatten, und schlagenden Studentenverbindungen, die die Militärregimes in den 1980er gefördert hatten, um die demokratische Studentenbewegung zu unterdrücken. Der ethnische und religiöse Kommunalismus erhielt weitere Nahrung durch die wirtschaftliche Zentralisation, die die Migration vom Land in die Städte beförderte. Aber das britische System, Menschen als »Indigene« eines bestimmten Bundesstaats (wie die 36 Protektorate nach der Unabhängigkeit umbenannt wurden) zu klassifizieren, wurde beibehalten. Politische und wirtschaftliche Rechte wurden den »Umsiedlern« vorenthalten, auch wenn ihre Familien seit Generationen im Staat gelebt hatten.
Boko Haram in Nigeria
All diese Faktoren spielten eine Rolle bei der Gründung von Boko Haram. Sie entstand genauer gesagt aus den Bemühungen nördlicher Politiker, eine Bewegung für die Einführung der Scharia zu fördern, und aus dem Konflikt zwischen »indigenen« Christen und muslimischen »Siedlern« in der Stadt Jos im Bundesstaat Plateau. Die Gruppierung wurde im Jahr 2002 gegründet. Trotz Zusammenstöße mit den Behörden, blieben ihre Verbindungen mit Politikern vor Ort bestehen. Nach der außergerichtlichen Hinrichtung ihres charismatischen Gründers Mohammed Yusuf im Jahr 2009 eskalierte der Konflikt jedoch. Die Guardian vom 6. Mai schreibt, dass die nigerianischen Behörden seit dem Jahr 2011 die Gruppierung mit Massenverhaftungen von Ehefrauen und Kindern vermuteter Mitglieder, auch Shekaus Familie, einzuschüchtern versuchen. In einem Video aus dem Jahr 2012 drohte Shekau Vergeltung an: »Da ihr jetzt unsere Frauen haltet, wartet nur ab, was euren eigenen Frauen widerfahren wird … euren eigenen Frauen nach der Scharia.«
Die Zögerlichkeit, mit der die Regierung auf die Entführungen in Chibok reagierte, die Enthüllungen von Amnesty International, wonach die Armeeführung, trotz vierstündiger Vorwarnung, dass die Kräfte Boko Harams sich den Weg nach Chibok bahnten, keine Verstärkungen entsandte, das Beharren der Regierung vor Ort, die Zulassungsprüfung wie geplant stattfinden zu lassen, obwohl andere Schulen wegen früherer Attacken Boko Harams geschlossen wurden, hat Spekulationen genährt, dass die Verbindungen zwischen der Gruppierung und einigen Politikern womöglich fortbestehen. Wie auch immer, die Behörden haben sich als unfähig erwiesen, weitere Entführungen von Schulmädchen zu verhindern. Am 8. Mai massakrierte Boko Haram 315 Menschen in der Grenzstadt Gamboru.
Die Kampagne in den sozialen Netzwerken mit ihrer Forderung nach westlicher Intervention gegen Boko Haram blendet allerdings die historische Gewalt und die Bilanz gegenwärtiger Militärinterventionen des Westens in Afrika aus. Sie ist blind für die Tatsache, dass Boko Haram, so empörend ihre Aktionen auch sein mögen, keineswegs das Monopol über grausame Gewalttätigkeiten besitzt. Wie Präsident Jonathans Gesetz des 13. Januars, das Homosexualität zu einem Schwerstverbrechen mit Haftstrafen bis zu 14 Jahren einstufte, zeigt, besitzt sie ebenso wenig das Monopol über rückwärts gewandte Ideologien.
Balogun schrieb: »Der Ruf nach US-Einmischung in diese Krise … missbraucht die wachsende Bewegung gegen die unfähige und kleptokratische Regierung Jonathans. Es waren die Nigerianer selbst, die sich ihrem unnützen Präsidenten entgegenstellten und ihn aufforderten, etwas gegen die Zwangslage der verschollenen Mädchen zu unternehmen … die Betonung auf ein US-amerikanisches Eingreifen schadet den Menschen, den ihr angeblich helfen wolltet, noch mehr und dient nur der Erweiterung und Festigung der US-amerikanischen Macht. Wenn ihr was unternehmen wolltet, dann macht euch kundig über die bewundernswerten Aktivisten und Journalisten … die mit ihrem Einsatz, die nigerianische Regierung dazu zu bewegen, mehr für ihr Volk zu tun, Gefängnisstrafen und sogar ihr Leben riskieren.«
Zum Text: Aus dem Englischen von David Paenson
Veranstaltung auf dem MARX IS MUSS Kongress 2014: »Nigeria. Zwischen Klassenkampf und westlicher Intervention«
Der nigerianische Sozialist und Aktivist, Garba Muhammed Faisal, spricht am Sonntag auf dem MARX IS MUSS Konress über »Nigeria. Zwischen Klassenkampf und westlicher Intervention«. Nach der Entführung von über 200 Mädchen durch eine islamistische Sekte hat die Regierung der Intervention durch Spezialkräfte der US-Armee zugestimmt. Die Militarisierung der Konflikte in dem Land droht, die Errungenschaften der Arbeiterbewegung der letzten Jahre, auch im Kampf gegen den Einfluss westlicher Konzerne, zunichte zu machen. Wir freuen uns auf eine spannende Veranstaltung.
Foto: CNE CNA C6F
Schlagwörter: Afrika, Anschlag, Islam, Kolonialismus, Krieg, Medien, Militär, Terror