Der Berliner Parteitag der LINKEN hat die Mitgliedschaft ermutigt, gegen die Kriegsgefahr in der Ukraine aktiv zu werden und den Kurs der Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger bestätigt. Eine Auswertung von marx21
Die wichtigste politische Botschaft des Parteitags richtete sich gegen die Kriegsgefahr in der Ukraine. Aufgrund der aktuellen Zuspitzung der Situation wurde diese Debatte an prominenter Stelle auf die Tagesordnung gesetzt.
Nahezu einstimmig verabschiedete der Parteitag eine Resolution, die sich gegen die Kriegstreiberei insbesondere durch Nato, EU und Bundesregierung stellt und erklärt: »DIE LINKE unterstützt Aktionen der Friedensbewegung und der antifaschistischen Bewegung, die sich gegen die wachsende Kriegsgefahr, die Kriegsvorbereitung, die Eskalationspolitik und das Schüren von Faschismus und Nationalismus richtet.«
Die Friedensbewegung nun bereits im Endspurt des Europawahlkampfes mit aufzubauen ist das praktisch-politische Gebot der Stunde. Derzeit gibt es Planungen für einen bundesweiten Aktionstag am 31. Mai. Es gilt, vor Ort die Bündnisse der Friedensbewegung zu beleben und aktionsfähig zu werden.
Mitglieder aktivieren
Im Zentrum des Parteitags stand die Neuwahl des Parteivorstands einschließlich der Vorsitzenden und Stellvertreter. Mit der klaren Wiederwahl von Katja Kipping (77 Prozent) und Bernd Riexinger (89 Prozent) als Vorsitzende ist DIE LINKE weiterhin auf einem guten Weg zu einer Partei, die auf die Einbindung und Aktivität aller Mitglieder setzt. Bernd Riexinger hat in seiner Parteitagsrede noch einmal deutlich gemacht, in welche Richtung er die Partei führen möchte:
»Wir müssen den Menschen Mut machen, dass sie etwas verändern können, bei Wahlen und auf der Straße. Wir zeigen, wie gesellschaftliche Kämpfe geführt werden. Wir sind eine Partei, die an tausend Orten verankert ist. Überall dort können und werden wir anfangen, diese Auseinandersetzung zu führen. [..] Wir müssen den Menschen aber auch Mut machen, dass es durch gesellschaftliche Bewegungen und eine starke LINKE möglich ist, sich mit den Reichen und Vermögenden anzulegen.«
Hans-Jürgen Urban vom Vorstand der IG Metall knüpfte daran in seinem Grußwort an. Er beschrieb, wie die frühere »privilegierte Partnerschaft« der Gewerkschaften mit der SPD durch die Agendapolitik unterminiert wurde und wies auf einige Schnittmengen für die Zusammenarbeit mit der LINKEN hin: gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, für Umverteilung zur Finanzierung des öffentlichen Dienstes, sowie in der Friedenspolitik.
Kritik an Putin und der Nato
Mehrere Redner machten deutlich, dass es kein Widerspruch ist, scharf gegen Krieg zu sein und Putin zu kritisieren. Katja Kipping wies den Vorwurf an DIE LINKE zurück, »Putin-Versteherin« zu sein:
»Also, mich braucht wirklich niemand zu belehren, dass Putin kein Linker ist. Mir braucht niemand zu erklären, dass dieses Russland alles andere als ein Musterland der Demokratie ist. Und dennoch: Wer meint, die Krise in der Ukraine lässt sich dadurch erklären, dass man mit dem Finger allein auf Russland zeigt, der irrt gewaltig.« Im Anschluss kritisierte sie EU und Nato für ihre Osterweiterungs- und Assozierungspolitik.
Gegen Kriegsgefahr in der Ukraine
Mit den stellvertretenden Vorsitzenden, unter ihnen mit Janine Wissler und Tobias Pflüger zwei Vertreter des bewegungsorientierten und antikapitalistischen Flügels der Partei, kann diese Orientierung für den Parteiaufbau weiter untersetzt und verstärkt werden.
Tobias Pflüger konnte sich auf der Grundlage seines hohen friedenspolitischen Profils, das gerade in Zeiten der zunehmenden Militarisierung der deutschen Außenpolitik und aktuell dem Ukraine-Konflikt einen Markenkern der LINKEN darstellt, gegen seinen Mitbewerber Dominic Heilig vom Forum demokratischer Sozialismus (FDS) durchsetzen.
Im Vorfeld des Parteitags hatte es innerhalb der Partei wegen des Abstimmungsverhaltens der Bundestagsfraktion zum Mittelmeereinsatz der Bundeswehr anlässlich der Vernichtung syrischen Giftgases Irritationen gegeben. Tobias stand hier für eine klare ablehnende Positionierung gegen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Orientierung auf soziale Bewegungen
Für die Arbeitsfähigkeit des Parteivorstands ist es zudem günstig, dass sich Thomas Nord aus Brandenburg gegen den der bisherigen Schatzmeister Raju Sharma durchsetzte. Zwischen Raju Sharma, dem Parteivorstand und besonders den beiden Vorsitzenden gab es Konflikte. Raju Sharma konterkarierte in der Vergangenheit den Parteiaufbaukurs von Riexinger und Kipping und nutzte seinen Posten, um eigene Vorstellungen durchzusetzen, beispielsweise durch Haushaltskürzungen im Jugend- oder Kampagnenbereich.
In den weiteren Parteivorstand wählte der Parteitag neben den Unterstützerinnen von Marx21, Anne Geschonnek, die als Vertreterin des Studierendenverbandes kandidierte, und Christine Buchholz eine Reihe weiterer Bündnispartner und Vertreter des bewegungsorientierten linken Parteiflügels. Leider schafften es andere Vertreter des linken Flügels von der gemischten Bewerberliste nicht in den Parteivorstand, so unter anderem SL-Sprecher und WASG-Mitbegründer Ralf Krämer und der frühere SDS-Geschäftsführer Florian Wilde.
Das lag auch daran, dass es insgesamt zu viele Bewerber für die gemischte Liste gab und der linke Flügel zu viele Kandidaturen unterstützt hatte. Insgesamt ist die Parteilinke im Vorstand allerdings vergleichbar stark vertreten ist wie in der Vergangenheit.
Satzungsänderungen gestoppt
Die Befürchtungen, dass nach dem satzungsgemäßen Ende der relativen Privilegierung westdeutscher Delegiertenstimmen ein Durchmarsch des regierungsorientierten Realo-Flügels in der Partei einher gehen würde, haben sich somit nicht bestätigt.
Das zeigte sich bereits am ersten Beratungstag in der Debatte um die Anträge zur Satzung. Es lagen eine Reihe von heiklen Anträgen vor, die auf eine Schwächung des Parteivorstands, der innerparteilichen Zusammenschlüsse und des Bundesausschusses abzielten.
Beispielsweise wurde beantragt, dass innerparteiliche Zusammenschlüsse keine stimmberechtigten Delegiertenmandate für Parteitage mehr erhalten sollten, weil jedes Mitglied bereits über die bezirklichen Parteigliederungen ein Delegiertenmandat erhalten könne. Das verkennt allerdings den tatsächlichen Zustand, dass viele Aktive eben schwerpunktmäßig in diesen Zusammenschlüssen aktiv sind und die Zusammenschlüsse einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung der Partei leisten (können).
Selbstbewusster Parteitag
Ähnlich bei den Anträgen zur Verkleinerung des Parteivorstands und des geschäftsführenden Vorstandes. Begründet wurden diese mit »Arbeitsfähigkeit« (Verkleinerung des Parteivorstands) oder »Transparenz« (Verkleinerung der Geschäftsführung auf vom Parteitag direkt gewählte Vorsitzende, Stellvertreter und Schatzmeister). Die politischen Aufgaben und die zu erledigende Arbeit werden allerdings nicht weniger.
Deswegen liefen diese Anträge de facto darauf hinaus, dass der Parteiapparat der Hauptamtlichen an Einfluss gewänne und die demokratischen Einflussmöglichkeiten der Mitglieder beschnitten würden. Keiner dieser Anträge bekam auch nur eine einfache Mehrheit auf dem Parteitag; geschweige denn eine für Satzungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit.
Der Parteitag zeigt auch ein großes Selbstbewusstsein, als der Parteitag der Bundestagsfraktion empfahl, so bald als möglich eine Doppelspitze zu wählen. Derzeit führt Gysi die Fraktion alleine.
Bilanz der Regierungsbeteiligungen fehlte
Zu den Schwächen des Berliner Parteitags gehörte der Debattenblock zu den Kommunalwahlen, sowie zu den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Hier ist es dem linken Flügel der Partei kaum gelungen, eigene Akzente zu setzen. Bei der Diskussion zu den Landtagswahlen gab es kaum kritische Worte zur bisherigen Bilanz von rot-roten Regierungen und es wurden auch keine »roten Haltelinien« als Bedingung für Regierungsbeteiligung benannt.
Während draußen vor der Tür Bürgerinitiativen gegen den fortgesetzten Braunkohleabbau in Brandenburg demonstrierten, wurde im Saal die Bilanz von rot-rot in Brandenburg in sehr rosiges Licht gestellt und zum »Exportschlager« erklärt. Die Beiträge in dieser Debatte waren insgesamt recht abgekoppelt von sozialen Auseinandersetzungen und dem Aufbau der Partei. Die positive Gesamtbilanz des Parteitags wird durch solche Schwächen allerdings kaum getrübt.
Strategische Debatte führen
Für den linken Parteiflügel heißt es jetzt, das eigene Agieren im Vorstand zu bilanzieren und eine strategische Debatte zu führen. Hier stehen sich unterschiedliche Konzepte gegenüber.
Ein Teil sieht seit dem Hamburger Parteitag die Partei auf dem Weg nach rechts abdriften. Andere orientieren – so auch wir -, auf einen gemeinsamen Bewegungs- und Parteiaufbau. Das kann eine Basis dafür bieten, zukünftige Richtungsentscheidungen zugunsten einer linken Ausrichtung zu treffen. Wir sehen uns in unserer Einschätzung sowohl durch die politischen Beschlüsse als auch die Wahlergebnisse des Parteitags bestätigt.
Jetzt gilt es, in den Wahlkampfendspurt zu gehen und den Aufruf zu Antikriegsaktionen überall in die Tat umzusetzen.
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Foto: Uwe Hiksch
Schlagwörter: Bernd Riexinger, Christine Buchholz, DIE LINKE, Europawahl, Gregor Gysi, Katja Kipping, Linke, Parteitag, Parteivorstand, Regierungsbeteiligung, Sahra Wagenknecht, SDS, Sozialistische Linke, Ukraine, Wahlkampf, WASG