Der marxistische Ökonom Michael Roberts über Trumps Zollkrieg, seine Absichten und die Auswirkungen der Zölle auf die USA, den Dollar und die Weltwirtschaft
Obwohl Trump von der Umsetzung seiner bizarren wechselseitigen Zollerhöhungen, die er allen Ländern der Welt auferlegt hat, Abstand genommen hat, ist der Zollkrieg noch lange nicht vorbei. Durch die Verschärfung der Zölle auf China ist der effektive Gesamtzollsatz der USA immer noch höher als vor Trumps Einlenken. Laut Stephen Brown von Capital Economics liegt der effektive Zollsatz der USA nach Trumps Ankündigung von 125 Prozent Zöllen gegen China bei 27 Prozent.
Trump machte einen Rückzieher, weil der Kreditmarkt (Bondmarkt) Anzeichen für eine starke Anspannung zeigte, die zu einer Kreditklemme führen könnte, insbesondere für Hedgefonds, die einen beträchtlichen Bestand an US-Anleihen besitzen. Wenn die Anleihen einbrechen, könnte es bei vielen Unternehmen zu Insolvenzen kommen, insbesondere bei den hochverschuldeten sogenannten Zombie-Unternehmen, die etwa 20 Prozent aller US-Unternehmen ausmachen. Konkurse könnten dann auf die gesamte Wirtschaft übergreifen und zu einem finanziellen Absturz und Einbruch führen.
Das war nicht das einzige Problem für Trump. Die Erhöhung der Zölle auf Einfuhren aus China um 125 Prozent könnte die Ausfuhren von Hightech-Konsumgütern amerikanischer Unternehmen mit Sitz in China aus dem Markt drängen. Amerikanische Unternehmen wie Apple, die die wichtigsten Exporteure von iPhones usw. aus China sind, wären hart getroffen worden. Ungefähr 90 Prozent der iPhone-Produktion und -Montage von Apple findet in China statt. Bei einem iPhone beispielsweise entfallen weniger als 2 Prozent der Kosten auf chinesische Arbeiter, die das Telefon herstellen, während Apple mit seinen Telefonen eine geschätzte Bruttomarge von 58,5 Prozent erzielt. Eine Unterbrechung dieser Lieferkette würde die USA stärker treffen als China. Der Aufschrei der amerikanischen Unternehmen war groß, und so musste Trump erneut einen Rückzieher machen. Jetzt sind alle aus China importierten technischen Konsumgüter, die 22 Prozent aller US-Einfuhren aus China ausmachen, von den Zöllen ausgenommen.
Anstatt China zu schaden, werden Trumps Zölle vor allem die US-Wirtschaft treffen
Die Irrationalität der Trump’schen Zollwut zeigt sich auch darin, dass die Komponenten, die in iPhones und iPads eingebaut werden, weiterhin von der Zollerhöhung betroffen sind, nur nicht das Endprodukt. Nach Angaben der US National Association of Manufacturers sind 56 Prozent der in die USA eingeführten Waren eigentlich Vorprodukte, von denen ein Großteil aus China stammt. Die dortigen Preiserhöhungen werden sich auf viele Endprodukte auswirken. Die Ausnahmen für technische Konsumgüter gelten nur für wechselseitige Zölle. Auf alle Einfuhren aus China, auch auf Waren, die von den wechselseitigen Abgaben befreit sind, wird weiterhin ein zusätzlicher Zoll von 20 Prozent erhoben. Darüber hinaus plant Trump Zollerhöhungen auf Halbleiterimporte, die u. a. Apple treffen werden.
Die USA importieren viele Grunderzeugnisse aus China: 24 Prozent ihrer Textil- und Bekleidungsimporte (im Wert von 45 Mrd. USD), 28 Prozent der Möbelimporte (19 Mrd. USD) und 21 Prozent der Elektronik- und Maschinenimporte (206 Mrd. USD) im Jahr 2024. Eine Erhöhung der Zölle um 100 Prozentpunkte wird sich mit Sicherheit in höheren Preisen für Unternehmen und Verbraucher:innen niederschlagen. Anstatt also China zu schaden, werden Trumps Zölle die US-Wirtschaft noch härter treffen. China ist nur in sehr geringem Maße von Ausfuhren in die USA abhängig. Sie machen umgerechnet weniger als 3 Prozent seines BIP aus. Die amerikanischen Verbraucher:innen und das produzierende Gewerbe werden unter einem starken Preisanstieg leiden – und das ist auch die Erfahrung früherer Zollprogramme. Furceri et al. (2020) haben herausgefunden, dass das BIP eines Landes tendenziell sinkt, wenn die Zölle auf Importe stark erhöht werden. Und das Ausmaß des Produktionsrückgangs nimmt im Laufe der Jahre zu – die langfristigen Folgen sind schlimmer als die kurzfristigen.
Im aktuellen Fall der USA gefährdet der erhebliche Rückgang der Rohölpreise bereits die Rentabilität der amerikanischen Ölproduktion. Die amerikanischen Landwirte erleiden auf den Weltmärkten schwere Verluste, da China seine Lebensmittel- und Getreidekäufe nach Brasilien verlagert. Schon jetzt ist der Anteil der USA an Chinas Lebensmittelimporten von 20,7 Prozent im Jahr 2016 auf 13,5 Prozent im Jahr 2023 eingebrochen, während der Anteil Brasiliens im gleichen Zeitraum von 17,2 Prozent auf 25,2 Prozent gestiegen ist. Die Rindfleischverkäufe Brasiliens nach China sind im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel gestiegen, während die US-Agrarlieferungen nach China um 54 Prozent gesunken sind.
Auf China entfallen 7 Prozent der US-Warenexporte bzw. 0,5 Prozent des US-BIP. Pantheon Macroeconomics zufolge werden die Auswirkungen der aggressiven chinesischen Vergeltungsmaßnahmen auf die US-Exporte den Anstieg des BIP durch die Aufhebung der »wechselseitigen« Zölle überwiegen. Trump und seine Maga-Berater argumentieren, dass die Einnahmen aus den Zöllen für Steuersenkungen für Unternehmen verwendet werden und damit die Investitionen ankurbeln. Nach den jüngsten Schätzungen des Thinktanks Tax Foundation – bevor Trump den Einsatz mit einer 104-prozentigen Steuer auf chinesische Importe erhöhte – würden sie jedoch durchschnittlich 300 Mrd. USD pro Jahr einbringen, was deutlich unter Trumps Forderung von 2 Mrd. USD pro Tag liegt – im Grunde Peanuts im Vergleich zu den Realeinkommensverlusten durch die Zollmaßnahmen.
Die Finanzmärkte sind nach wie vor nervös und unsicher und es gibt kaum Anzeichen für eine Erholung nach den enormen Verlusten der letzten Wochen. Dies hat dazu geführt, dass viele Analysten die Meinung vertreten, dass die Tage der Dollar-Dominanz vielleicht vorbei sind und Trump einen dauerhaften Rückgang des Dollars gegenüber anderen Währungen und das Ende des »exorbitanten Privilegs« eingeleitet hat, das Amerika hatte, indem es nach Belieben Dollars ausgeben konnte, um für Handel und Investitionen zu bezahlen.
Bereits 1959 sagte der belgisch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Robert Triffin voraus, dass die USA nicht zugleich Handelsdefizite gegenüber anderen Ländern aufweisen und Kapital für Investitionen ins Ausland exportieren und gleichzeitig einen starken Dollar beibehalten könnten: »Wenn die Vereinigten Staaten weiterhin Defizite hätten, würde ihre Auslandsverschuldung ihre Fähigkeit, Dollars bei Bedarf in Gold zu konvertieren, bei weitem übersteigen, was zu einer ›Gold- und Dollarkrise‹« führen würde. Triffin argumentierte, dass ein Land, dessen Währung die globale Reservewährung ist, die von anderen Nationen als Devisenreserve gehalten wird, um den internationalen Handel zu stützen, gezwungen ist, die Welt mit seiner Währung zu versorgen, um die weltweite Nachfrage nach diesen Devisenreserven zu befriedigen, was zu einem permanenten Handelsdefizit führt.
Was die US-Kapitalist:innen wirklich beunruhigt, ist nicht, dass Überschussländer sie zur Ausgabe von Dollars zwingen, sondern dass China den Produktivitäts- und Technologievorsprung der USA aufholt und damit die wirtschaftliche Vorherrschaft der USA bedroht
Triffins sogenanntes Dilemma, dass ein Land, das die internationale Währung bereitstellt, im Handel verliert, wurde von Steve Miran, Trumps Wirtschaftsberater im Weißen Haus, aufgegriffen. Miran kommt zu dem Schluss, dass alle Länder, die einen Handelsüberschuss mit den USA erzielen, die USA für ihr »Opfer« entschädigen müssen, indem sie den Dollar für Handel und Investitionen bereitstellen. Doch der Keynes-Guru Larry Summers entgegnete: »Wenn China uns Dinge zu wirklich niedrigen Preisen verkaufen will und die Transaktion darin besteht, dass wir Solarkollektoren oder Batterien für Elektroautos bekommen und wir ihnen Papiersfetzen schicken, die wir drucken. Glauben sie, dass das ein gutes oder ein schlechtes Geschäft für uns ist?« Am Ende des Tages, so Summers weiter, wer wird mehr »betrogen«: die Partei, die die harte Arbeit der Produktion von Gütern zu sehr niedrigen Preisen mit hauchdünnen Gewinnspannen leistet, oder die Partei, die einfach eine praktisch unendliche Menge an Fiatgeld druckt, um für all diese Dinge zu bezahlen?
Sowohl Triffin als auch Miran haben die Geschichte auf den Kopf gestellt. Die USA konnten jahrzehntelang billig importieren und dabei ein Handelsdefizit verzeichnen, weil die Länder, die in die USA exportieren, bereit waren, Dollar als Zahlungsmittel anzunehmen und diese Dollar in US-Staatsanleihen oder andere Dollar-Instrumente zu investieren. Die Länder mit Handelsüberschüssen »zwingen« den USA keine Defizite auf; es ist nur so, dass die US-Exporteure zumindest im Warenhandel nicht konkurrenzfähig sind (im Dienstleistungshandel haben die USA einen großen Überschuss). Zum Glück für die amerikanischen Unternehmen und Verbraucher:innen nehmen die Überschussländer Dollar als Zahlungsmittel an, und zwar bis heute.
Würden sie dies nicht tun, wäre die US-Wirtschaft in echten Schwierigkeiten – genau wie viele arme Länder der Welt ohne international akzeptierte Währung – und gezwungen, den Dollar abzuwerten und/oder Kredite zu höheren Zinssätzen aufzunehmen.
Im Kapitalismus gibt es immer Handels- und Kapitalungleichgewichte zwischen den Volkswirtschaften, nicht weil der effizientere Produzent den weniger effizienten ein Defizit »aufzwingt«, sondern weil der Kapitalismus ein System ungleicher und kombinierter Entwicklung ist, in dem Volkswirtschaften mit niedrigeren Kosten im internationalen Handel von den weniger effizienten profitieren können. Was die US-Kapitalist:innen wirklich beunruhigt, ist nicht, dass Überschussländer sie zur Ausgabe von Dollars zwingen, sondern dass China den Produktivitäts- und Technologievorsprung der USA aufholt und damit die wirtschaftliche Vorherrschaft der USA bedroht.
Dennoch akzeptieren einige Mainstream-Ökonom:innen Mirans lächerliches Argument und den Triffin-Fehlschluss. Einer von ihnen ist der in China lebende Ökonom Michael Pettis, der sehr im Trend liegt. Pettis argumentiert, dass Länder wie China Handelsüberschüsse erwirtschaftet haben, weil sie »die Inlandsnachfrage unterdrückt haben, um das eigene verarbeitende Gewerbe zu subventionieren«, und so den daraus resultierenden Handelsüberschuss des verarbeitenden Gewerbes gezwungen haben, »von ihren Partnern absorbiert zu werden, die ihre Handels- und Kapitalbilanzen viel weniger kontrollieren.« Es ist also die Schuld Chinas (oder bis vor kurzem Deutschlands), dass es Handelsungleichgewichte gibt, und nicht die Unfähigkeit des amerikanischen verarbeitenden Gewerbes, auf den Weltmärkten gegenüber Asien wettbewerbsfähig zu sein.
Ausgehend von der Annahme, dass es keine Weltordnungspolitik und keine internationale Zusammenarbeit im Bereich der Währungen gibt, stimmt Pettis mit Miran überein: »Die USA sind berechtigt, einseitig zu handeln, um ihre Rolle bei der Anpassung an politische Verzerrungen im Ausland zu beenden, wie sie es jetzt tun. Das wirksamste Mittel dürfte die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen in den USA sein, die die Fähigkeit der Überschussländer einschränken, ihre Überschüsse durch den Erwerb von US-Vermögenswerten auszugleichen.« Es geht also nicht um Zölle auf Chinas Importe, sondern um die Kontrolle des Erwerbs von Dollar-Anlagen.
Im Grunde ist dies nur eine weitere Möglichkeit, den Dollar abzuwerten, um Chinas Exportvorteil zu schwächen und die USA zu stärken – eine verkappte Beggar-thy-Neighbor-Politik [deutsch: »mach deinen Nachbarn zum Bettler« oder »ruiniere deinen Nachbarn«]. Miran-Pettis bietet eine Politik an, die den Wert des Dollars auf die gleiche Weise senkt, wie es Nixon 1971 tat, als er den Dollar aus dem Goldstandard herausnahm (die Rolle der US-Reservewährung veranlasste den damaligen US-Finanzminister John Connally, als er 1971 das Ende des Dollar-Gold-Standards ankündigte, den EU-Finanzministern zu sagen: »Der Dollar ist unsere Währung, aber er ist euer Problem«; und die USA taten Ähnliches mit dem so genannten Plaza-Abkommen von 1985, das Überschussländer wie Japan zwang, die Zinssätze zu erhöhen und den Yen aufzuwerten, wodurch die japanischen Exporte sanken. Jetzt besteht die Antwort auf Chinas Export- und Produktionserfolg offenbar darin, seine Dollaranlagen zu vernichten und den Dollar zu schwächen.
Es ist noch ein langer Weg, bis die internationale Rolle des Dollars zerstört ist
Leider wird diese Politik nicht funktionieren. Sie hat das verarbeitende Gewerbe in den USA weder in den 1970er noch in den 1980er Jahren gerettet. Als die Rentabilität drastisch sank, verlagerten die US-Hersteller ihren Standort ins Ausland, um in Ländern mit billigen Arbeitskräften eine bessere Rentabilität zu erzielen. Und wenn der Dollar diesmal schwächer wird, wird die Inflation im Inland noch stärker ansteigen (wie in den 70er Jahren), und die US-Konzerne, die nicht nach Hause zurückkehren, um dort zu investieren, werden versuchen, andere Standorte im Ausland zu finden, ob mit oder ohne Zölle. Wenn der Dollar gegenüber anderen Währungen an Wert verliert, werden Dollarhalter wie China, Japan und Europa nach alternativen Währungsanlagen Ausschau halten.
Bedeutet dies, dass die Dominanz des Dollars vorbei ist und wir uns in einer multipolaren Welt mit mehreren Währungen befinden? Einige Linke befürworten diesen Trend. Aber es ist noch ein langer Weg, bis die internationale Rolle des Dollars zerstört ist. Alternative Währungen scheinen auch keine sichere Sache zu sein, da alle Volkswirtschaften versuchen, ihre Währungen billig zu halten, um konkurrenzfähig zu bleiben – deshalb gab es auf den Finanzmärkten einen Ansturm auf Gold.
Die so genannten BRICS sind nicht in der Lage, den US-Dollar abzulösen. Es handelt sich um einen losen Zusammenschluss verschiedener Volkswirtschaften und politischer Institutionen, die außer einem gewissen Widerstand gegen die Ziele des US-Imperialismus wenig gemeinsam haben. Und im Gegensatz zu all dem Gerede über den Zusammenbruch des Dollars ist die Realität, dass der Dollar gegenüber anderen Handelswährungen trotz Trumps Zickzackkursen immer noch historisch stark ist.
Was das US-Handelsdefizit beenden wird, sind nicht Zölle auf US-Importe oder Kontrollen ausländischer Investitionen in den USA, sondern ein Einbruch. Ein Einbruch würde einen drastischen Rückgang der Käufe von Verbraucher:innen und Hersteller:innen und damit zu einem Rückgang der Einfuhren führen. Immer wenn die US-Wirtschaft einen Einbruch erlebt hat (graue Bereiche in der Grafik unten), verringert sich das Handelsdefizit oder verschwindet, da die Importe stark zurückgehen, während der Dollar stärker wird.
Und die US-Wirtschaft befindet sich zu Beginn des zweiten Quartals 2025 auf dem absteigenden Ast. Ohne Berücksichtigung der Goldkäufe prognostiziert die Atlanta Fed nun einen Rückgang des realen BIP um 0,3 Prozent im ersten Quartal 2025, wobei die Inlandsnachfrage mit 2 Prozent pro Jahr weiterhin langsam wächst. Dies gilt jedoch, bevor die Zölle auf Preise und Produktion durchschlagen. Die Investmentbank Goldman Sachs sieht eine 45-prozentige Chance für eine US-Rezession in diesem Jahr infolge der Zölle (mit einer BIP-Wachstumsprognose von 0,5 Prozentpunkten für das gesamte Jahr). Zuvor, vor dem Zollwahnsinn, hatte Goldman Sachs für die USA ein »weiteres solides Jahr« mit einem BIP-Wachstum von 2,5 Prozent vorausgesagt. Die US-Inflation ging im März zurück, da sich die Wirtschaft verlangsamte und die Verbraucher:innen ihre Käufe reduzierten. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte wieder ansteigen wird, während die Wirtschaft weiter nachlässt. Von Stagflation zu Slumpflation.
Foto: Michael Vadon / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0
Schlagwörter: China, Trump, USA, Wirtschaft