Zum zweiten Mal in neun Monaten hat das Militär in Mali die Regierung entfernt. Es fürchtet die Macht der Straße. Von Charlie Kimber
Ende Mai setzte das Militär den Präsidenten und den Premierminister von Mali ab. Der verantwortliche Armeeoffizier hatte bereits im letzten Jahr einen Militärputsch in Mali angeführt.
Oberst Assimi Goita stand im vergangenen August an der Spitze der Bewegung zum Sturz des unterdrückerischen und korrupten Staatspräsidenten Ibrahim Boubacar Keïta.
Das Militär installierte dann Bah Ndaw als Präsidenten und Moctar Ouane als Premierminister. Allerdings behielten die Soldaten die Fäden in der Hand.
Zweiter Putsch in Mali
Ndaw und Ouane wollten neue Kabinettsmitglieder ohne vorherige Konsultationen mit dem Militär benennen. Daraufhin jagte Goita sie aus ihren Ämtern und stellte sie unter Hausarrest.
Sie wurden nach einigen Tagen wieder freigelassen, nachdem sie ihren Rücktritt erklärt hatten.
Hinter all diesen Manövern in der Führung steckt die Angst vor dem Widerstand von unten.
Goita gab dies offen zu. Er stellte fest, die Regierung habe einen Zustand der »allgemeinen Verwirrung, markiert durch fortdauernde Streiks« verwaltet.
Er fügte hinzu, das Ergebnis sei »letztlich ein zeitlich unbegrenzter Streik, der die malische Wirtschaft effektiv erstickt« habe.
Gelähmt durch Streiks
Am 17. Mai hatte die Nationale Arbeitergewerkschaft von Mali (UNTM) zu einem landesweiten, fünftägigen Streik aufgerufen.
In einem Land mit einer Bevölkerung von 20 Millionen forderte sie Lohnerhöhungen, die Schaffung von 20.000 zusätzlichen Stellen in der Verwaltung und weitere Verbesserungen für Arbeiter:innen.
Der Streik war ein riesiger Erfolg. Banken und der öffentliche Dienst wurden im ganzen Land lahmgelegt.
Auch Teile der Gold- und übrigen Bergbauindustrie, die Hauptexportzweige Malis, waren betroffen. Die UNTM berichtete, »das Land ist regelrecht gelähmt«.
Sie sagte, die Streikbeteiligung in der Hauptstadt Bamako habe bei 96 Prozent gelegen. In anderen Regionen habe sie noch höher gelegen.
Gelegenheit für Mali
Es sollte sich ein weiterer Streik anschließen. Gewerkschaftsführer verkündeten gar Pläne, in einen unbefristeten Streik zu treten.
Dann kam Goitas Coup. Er beschuldigte sowohl Ndaw als auch Ouane, den Übergang zur Demokratie torpedieren zu wollen.
Dieses politische Durcheinander hätte den Arbeitern und Arbeiterinnen eine Gelegenheit geboten, ihre Anstrengungen nochmals zu verstärken, um ihre Lösungen durchzusetzen.
Gewerkschaft zögert
Doch die Führer der UNTM offenbarten stattdessen ihre kriminelle Engstirnigkeit.
Sie sagten, man dürfe nicht streiken, weil es an einem Verhandlungspartner fehle.
UNTM-Generalsekretär Yacouba Katilé sagte: »Ab heute haben wir keinen Kontakt. Angesichts dieser Lage haben wir beschlossen, unsere Aktivisten und die Bevölkerung im allgemeinen nicht weiter zu bestrafen.«
Es steht allerdings fest, dass die »Aktivisten und die Bevölkerung im allgemeinen« ohne Arbeiterkampf und Straßenmobilisierungen erst Recht »bestraft« werden dürften.
Unsichere Zukunft in Mali
Die imperialen Mächte, in erster Linie der ehemalige Kolonialherr Frankreich, sind mit ihrem Latein am Ende.
Sie wissen nicht, wer in den kommenden Monaten die Regierung bilden wird, geschweige denn auf lange Sicht.
Die französische Regierung verurteilte zwar den »Coup innerhalb des Coups«.
Doch diese Ereignisse unterstreichen, dass es bei den jahrelangen Militärinterventionen – und der brutalen Unterdrückung der Bevölkerung – noch nie um Demokratie ging.
Einfluss sichern statt Demokratie
Frankreichs wahre Sorge ist die Aufrechterhaltung seines wirtschaftlichen, militärischen und geopolitischen Einflusses in der Region.
Es versucht, die Konkurrenz der USA, Chinas und Russlands zurückzuschlagen.
Frankreich will auch zentrale Ressourcen ausbeuten. Etwa 70 Prozent seines Strombedarfs wird durch Atomenergie gedeckt, das ist der weltweit höchste Anteil. Dafür ist es abhängig von der Uranausbeutung in der Region.
Malis Taoudeni-Bassin, ein massives Ölfeld, das sich über fast 1000 Kilometer von Mauretanien über Mali bis nach Algerien erstreckt, ist von enormer Bedeutung für den französischen Ölgiganten Total.
Potenzial des Widerstands
Mali ist Afrikas drittgrößter Goldproduzent. Die Industrie ist mit britischen, südafrikanischen und anderen multinationalen Konzernen verbunden.
Die Streiks der letzten Wochen haben das Potenzial einfacher Menschen gezeigt, sich ein neues Leben zu erkämpfen.
Es wäre ein Leben frei von imperialistischen Mächten, den malischen Reichen und dem Militär.
Zuerst veröffentlicht in Socialist Worker. Aus dem Englischen von David Paenson.
(Foto: Socialist Worker)
Schlagwörter: Mali