Am Wochenende demonstrierten beim »Ramadan-Friedensmarsch« mehrere Tausend Menschen gegen Terror, Krieg und Gewalt in Köln. Doch nicht alle muslimischen Verbände haben den Aufruf unterzeichnen wollen. Sie haben das Recht dazu, meint Volkhard Mosler.
Am vergangenen Samstag demonstrierten mehrere tausend Menschen beim »Ramadan-Friedensmarsch« in Köln gegen Terror, Krieg und Gewalt. Innenminister Thomas de Maizière (CDU), Chef der NRW-SPD Michael Groschek, der Grünen-Vorsitzende Özdemir und der israelische Botschafter in Deutschland kritisierten, dass DITIB, der Islamrat und andere große Islamische Verbände nicht zu diesem Protest gegen »islamistischen« Terror in Köln aufgerufen haben. Dass Muslime in Deutschland nicht mit Terroranschlägen im Namen des Islam identifiziert werden wollen, die ihnen immer pauschal vorgehalten werden, ist nur verständlich. Doch genauso nachvollziehbar ist, das ein Teil der Muslime und muslimischen Verbände diesem Aufruf nicht folgen wollten, weil sie sich an anderer Stelle bereits klar gegen den Terror im Namen des Islams ausgesprochen hatten.
Islamrat und Aktionen gegen Terror
In einem Interview der FAZ erklärte Murat Gümüs vom Islamrat: »Wir haben in der Vergangenheit schon häufig an solchen Aktionen teilgenommen oder sie sogar mitorganisiert. Im Koordinationsrat der Muslime im September 2014 den Aktionstag gegen Gewalt, Unrecht und Rassismus mit circa 1.500 Moscheegemeinden, 2015 waren wir auf der Mahnwache in Berlin nach den Anschlägen in Paris. Wir haben Pressekonferenzen organisiert, in denen wir unsere Position klar zum Ausdruck gebracht haben und für ein starkes gesellschaftliches Miteinander geworben haben. Nach dem Anschlag in Berlin Ende 2016 waren wir auf dem Breitscheidplatz, haben uns dort gegen Terror positioniert und unseren Beistand und unsere Trauer geäußert. Es ist jedes Mal so, dass wir um ein Zeichen gebeten werden. Aber das bringt wenig. (…) Wenn man so einen Aktionstag macht, haben die Leute am Ende ein gutes Gefühl, weil sie aktiv waren. Aber die Ursachen für die Probleme sind weiterhin vorhanden. Von der Politik werden sie auch nicht angegangen, weil man denkt, jetzt haben sich ja schon mal einige tausend Menschen auf die Straße begeben und dagegen demonstriert. Und bei der nächsten Gelegenheit äußert sich dann wieder ein Politiker, dass sich die Muslime entschlossener gegen Krieg, Gewalt und Terror stellen müssten. (…) Solange die Probleme in Syrien oder auch im Irak nicht angegangen werden, sind auch die in Europa nicht gelöst.«
Marek Lieberberg fordert Terror Distanzierung
Den Anstoß zur viel kleiner als erwartet ausgefallenen Kölner Demo hatte eine »Wutrede« des führenden deutschen Konzertagentur-Chefs Marek Lieberberg am 2. Juni gegeben. Dieser hatte wegen einer Unterbrechung des von seinem Unternehmen organisierten Festivals »Rock am Ring« durch eine (falsche) Terrorwarnung der Polizei, den Muslimen pauschal vorgeworfen, sie hätten sich bislang nicht überzeugend vom Terror ihrer »Glaubensbrüder« distanziert. Er habe »bisher noch keine Muslime gesehen, die zu Zehntausenden auf die Straße gegangen sind.«
Rassismus und Terror in Deutschland
Doch Muslime und islamische Einrichtungen sind inzwischen selbst täglich Opfer rassistischer Gewalt in Deutschland. Und Murat Gümüs hat Recht, wenn er sagt, dass die Ursache fundamentalistischer Anschläge nicht durch noch so oft wiederholte – und auch ernst gemeinte – Verurteilungen durch Islamverbände zu stoppen sind. Er weist zu Recht darauf hin, dass der Terror in Deutschland mit dem Terror im Nahen und Mittleren Osten ursächlich zusammenhängt. Es ist naiv zu glauben, die Terrorismus-Gefahr in Deutschland und Europa könne durch noch mehr Polizei und noch schärfer Gesetze einerseits und durch noch größere Kundgebungen von Muslimen andererseits irgendwie eingedämmt werden. Den IS und damit die Masse der Anschläge der letzten zehn Jahre in Europa, hätte es ohne Bushs Krieg gegen Saddam Hussein und den anschließenden Zerfall des Irakischen Staates nicht gegeben. Dass deutsche Politikerinnen und Politiker oder wie zuletzt sogar der Millionär und Konzertveranstalter Marek Lieberberg jetzt immer neue Distanzierungsforderungen stellen, ist unangemessen und heuchlerisch.
Terror und Islam
Der Terror kommt nicht »aus dem Herzen des Islam«, wie die »Welt« einst titelte. Der Blick auf junge Männer und Frauen, die sich konservativen oder reaktionären Strömungen des Islams zuwenden, ignoriert meist die sozialen Ursachen dafür. Zurecht sagte der Schauspieler Peter Ustinov im Jahr 2002: »Terrorismus ist der Krieg der Armen und Krieg ist der Terrorismus der Reichen.« Wer den Zulauf zu dschihadistischen Gruppen nur als irrational abstempelt und nach sicherheitspolitischen Antworten ruft, blendet die Verantwortung der deutschen Regierungen aus. Denn sie haben durch ihre verfehlte Asylgesetzgebung und ihre Unterstützung für die US-Kriege im Nahen Osten diesen Zulauf maßgeblich begünstigt. Auch die Diskriminierung von Menschen mit nichtdeutschen Namen auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem spielt hier eine Rolle. Wer von klein auf nur Ablehnung, Rassismus und ökonomische Chancenlosigkeit erlebt hat, ist empfänglich für Gruppierungen, die positive Identifikationsangebote bieten und scheinbar »den Spieß umdrehen« gegen den westlichen Imperialismus.
Ursachen von Terror bekämpfen
Die Ursache für die Entstehung des »islamistischen Terrorismus« ist die aggressive Außenpolitik der westlichen Staaten. Die deutsche Politik sollte lieber Kriege im und Waffenlieferungen in den Nahen und Mittleren Osten beenden und so einen Beitrag dazu leisten, die Ursachen des erstarkenden Terrors zu bekämpfen. Und sie sollte klar und deutlich einem Generalverdacht gegen Muslime entgegentreten.
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