Ein Nachruf auf John Molyneux. Von Christine Buchholz
Oft bin ich ihm begegnet. Auf Konferenzen oder bei internationalen Protesten, denn John war in erster Linie ein unermüdlicher Aktivist. Er war immer in Bewegung oder im Gespräch. Er war eine stattliche Erscheinung. Aber nicht das prägte seinen Auftritt, sondern seine freundliche, humorvolle und zugewandte Art.
Geboren im Großbritannien der Nachkriegszeit wurde er in der 68er Bewegung sozialisiert, in der er sich der Kampagne gegen den Vietnamkrieg anschloss. Er trat schon bald in die Gruppe International Socialists (später Socialist Workers Party) um Tony Cliff ein. Im Jahr 1978 schrieb er das Buch »Marxism and the Party«, in dem er die Geschichte revolutionärer Organisierung erzählt: vom Bund der Kommunisten zur Zeit von Karl Marx und Friedrich Engels bis zur Vierten Internationale zur Zeiten Leo Trotzkis. Er kommt zu dem Schluss, dass Revolutionäre Organisationen aufbauen müssen, die Theorie und Praxis vereinen.
John war seit Anfang der 90er Jahre Dozent an der School of Art, Design and Media, University of Portsmouth. Er hat unzählige Bücher und Schriften veröffentlicht. John und seine Schriften haben mich in meiner politischen Sozialisation und Arbeit begleitet. Er vermochte es, das Wesen des Marxismus in einfacher Sprache auf den Punkt zu bringen. Ein Beispiel dafür war die Broschüre »Ist die Natur des Menschen ein Hindernis für den Sozialismus?«, in der John tiefgründig und klar argumentierte, dass Sozialismus nicht an »den Menschen« scheitert, sondern dass Menschen fähig sind, sich und die Gesellschaft zu verändern.
John Molyneux war ein unbeugsamer Revolutionär
Ein anderes Beispiel war seine kritische und zugleich solidarische Auseinandersetzung mit anderen politischen Strömungen in der Linken. In einem Interview mit marx21 sagte John Molyneux, der in seiner Jugend selbst Anarchist gewesen ist: »Für mich ist die Entwicklung der anarchistischen Bewegung ein sehr positives Zeichen dafür, dass junge Menschen in der ganzen Welt gegen das System aufbegehren.« Zugleich zeigte er auf, dass der Anarchismus keine Perspektive zur Veränderung der Welt bietet.
John ließ sich immer wieder auf neue Themen und Fragestellungen ein – ohne dabei den Kompass zu verlieren. Die Klimakatastrophe bewegte ihn tief, die Frage der Klimagerechtigkeit spielte in seinen jüngeren Schriften eine wichtige Rolle. Zugleich initiierte er das Global Ecosocialist Network, um marxistischen Stimmen in der Klimabewegung stärkeres Gehör zu verschaffen. Und er ließ nie Zweifel daran, dass die Debatte und der Austausch mit Genoss:innen international entscheidend waren für seine produktiven Beiträge.
John gehörte zu denen, die nicht davor zurückscheuten, politische Fragen und Kontroversen auch in den eigenen Reihen aufzuwerfen und zu bearbeiten. Er tat dies immer mit einer tiefen Grundsolidarität mit den Genoss:innen der International Socialist Tendency (IST). Im letzten Jahrzehnt hat er die irische Socialist Movement in deren Koordination vertreten.
Die Frage des Aufbaus einer revolutionär-marxistischen Organisation in den Kämpfen der Zeit blieb für John ein zentrales Thema, auch in Zeiten der Krise der revolutionären Linken. Im Jahr 2019 intervenierte er in die internationale Debatte mit dem Beitrag »In Defense of Party Building« (Zur Verteidigung des Parteiaufbaus) und hielt dazu auch einen Vortrag auf der Londoner Konferenz Marxism.
Ein weiterer Beitrag ist es wert, erwähnt zu werden: Kaum jemand hat es vermocht, in der Art und Weise wie John Kunstwerke und ihre Schöpfer in ihre Zeit einzuordnen. Damit hat er eine Tradition im Marxismus fortgeführt, die schon auf Marx und Trotzki zurückgeht. Er veröffentlichte unter anderem ein beeindruckendes Buch über Rembrandt sowie im Jahr 2020 »The Dialectics of Art«.
Johns Beiträge werden bleiben
Für das irische Socialist Workers Network, die Partei People Before Profit und für die internationale revolutionäre Linke ist sein Tod wie ein herber Verlust.
Meine Gedanken sind bei seiner Partnerin Mary, seiner Familie und den irischen Genoss:innen.
Auf kaum jemanden trifft das geflügelte Wort »Don’t mourn – Organise« des US-amerikanischen Gewerkschaftsaktivisten Joe Hill besser zu als auf John Molyneux.
Genau das hätte John uns jetzt gesagt – mit einem verschmitzten Lachen.
Foto: People Before Profits
Schlagwörter: John Molyneux, Marxismus