Sally Potters »The Party« führt die linksliberale britische Politikelite vor. Keine schlechte Idee – wenn ihr nicht der Lauf der Geschichte dazwischengekommen wäre, findet Phil Butland
Vieles kann man positiv hervorheben an Sally Potters neuem Film »The Party«: Die Bilder in schwarz-weiß sind wunderschön gefilmt, die hochkarätigen Schauspielerinnen und Schauspieler machen ihre Arbeit hervorragend, die Dialoge sind geistreich und bissig. Und die Absicht der Regisseurin können Sozialistinnen und Sozialisten nur unterstützen. Potter erklärte: »Ich habe kurz vor den letzten Parlamentswahlen in Großbritannien [im Jahr 2015] angefangen, an dem Drehbuch zu schreiben. Zu diesem Zeitpunkt sah es so aus, als ob die Linke die Fähigkeit verloren hatte, ihre Politik aufrecht und mutig zu vertreten, und sich stattdessen sehr gemäßigt gab, so dass man links und rechts kaum mehr unterscheiden konnte.«
Aromatherapie und Rotweinrausch
Janet (Kristin Scott Thomas) ist Bundestagsabgeordnete einer britischen Partei. Welcher, wird nicht gesagt, aber aufgrund von Janets Unterstützung des staatlichen Gesundheitssystems können wir die Konservativen ausschließen. Als Janet von ihrer Partei zur Kandidatin für den Posten als Gesundheitsministerin gemacht wird, gibt sie eine Party für ihren engsten Freundeskreis.
Anwesend sind Janets langjährige Freundin April (Patricia Clarkson), deren Freund Gottfried (Bruno Ganz), von Beruf Aromatherapeut, die Professorin für Gender Studies Martha (Cherry Jones), laut April eine »erstklasse Lesbe aber zweitklasse Denkerin«, mit ihrer schwangeren Partnerin Jinny (Emily Mortimer) und Tom (Cillian Murphy), ein Banker, dessen Frau sich verspätet. Mitten im Raum sitzt Janets Mann Bill (Timothy Spall), ein desillusionierter Akademiker, der ein paar Geheimnisse zu erzählen hat. Bill säuft Rotwein und bespielt die Party mit Musik von seinem alten Plattenspieler. Spalls lebensmüdes Gesicht zeigt einen Menschen – und eine politische Schicht – dessen Zeit vorbei ist.
Die Partygäste gehören zum elitären Kreis, der die Führung der Labour Party unter Tony Blair übernommen hat. Sie sind guten Willens und machen sich Sorgen über den Kapitalismus, den Feminismus und die Krise des Gesundheitssystems. Aber letztendlich sind sie in ihrer Blase gefangen und interessieren sich mehr für ihr persönliches Versagen und ihre Untreue als für die Lebensbedingungen von Leuten außerhalb ihres privilegierten Milieus.
»The Party« und das Gewehr an der Wand
Nach der Premiere von »The Party« auf der diesjährigen Berlinale wurde der Film vielfach mit Roman Polanskis »Der Gott des Gemetzels« verglichen – zu recht, wie ich finde, auch wenn das nicht nur ein Kompliment ist. »Der Gott des Gemetzels« ist auch ein beeindruckender Film, allerdings einer, bei dem man das Gefühl nicht loswird, dass die ursprüngliche Version als Theaterstück besser gepasst hat. »The Party« war nie ein Stück, aber der Film bedient sich vieler Konventionen des Theaters (nicht zuletzt Anton Tschechows Diktum, dass, wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, es im letzten Akt abgefeuert wird). Für einen Film, der aktuelle Politik behandeln soll, ist solche Theatralität nicht unproblematisch. Denn das moderne Theater bietet meist eher einen Resonanzboden für bürgerliche Dilemmata als dass die Verwüstungen behandelt werden, die der Neoliberalismus verursacht hat.
Auch andere britische Filmmacher haben Stellung zur Krise im Land genommen. Ken Loachs »Ich, Daniel Blake« ist eine vernichtende Anklage der Auswirkungen von fast vierzig Jahren Thatcherismus und Blairismus auf das Leben der Menschen. Niemand verlangt von Potter, noch einen »Ich, Daniel Blake« zu drehen, aber im Vergleich mit dem aufrüttelnden Eindruck, den Loachs Film hinterlässt, fällt es schwer, die nötigen Gefühle für ihre erbärmlichen Neurotiker aufzubringen.
»The Party« links überholt
An »The Party« kann man vieles gut finden, aber nicht so viel genießen. Es riecht nach guten Vorsätzen. Alle möglichen Bösewichter – vom Koks-verdorbenen Banker bis zum oberflächlichen Lebensberater – haben ihren Auftritt und werden gnadenlos der Lächerlichkeit preisgegeben. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass das Thema seit der Wahl 2015 viel von seiner Relevanz verloren hat, auch noch in den wenigen Monaten seit der Premiere auf der Berlinale.
Potter hegt keine Sympathien für ihren Protagonistinnen und Protagonisten, aber sie bietet uns auch keine Alternative an. In diesem Sinne ist »The Party« bei der Veröffentlichung bereits veraltet. In Jeremy Corbyns Labour Party spielen wohlmeinende Akademikerinnen und Akademiker nicht mehr dieselbe Rolle wie noch vor zwei Jahren, als Potter den Film konzipiert hat. Ganz im Gegenteil: Ihre Unfähigkeit, die Abstimmung über den Brexit richtig zu deuten, und ihre Überzeugung, dass sie allein für progressive Werte eintreten, führte dazu, dass die britische Gesellschaft sie links überholt hat.
»The Party« ist ein Film über und teilweise für die liberalen Mittelschichten. Glücklicherweise gibt es in Großbritannien inzwischen andere und relevantere politisch Akteure. Als Aktivistin wird sich Potter wohl darüber freuen. Leider hat das die Auswirkung, dass ihr Film über »die Lage der Nation« bereits ein anderes Land in einer vergangenen Ära darstellt.
Der Film:
The Party
Regie: Sally Potter
Großbritannien 2017
Weltkino Filmverleih
71 Minuten
ab 29. Juni im Kino
Schlagwörter: Filmrezension, Kultur, marx21