In Ägypten sitzen mehr als 60.000 politische Gefangene hinter Gittern. Die im Exil lebende Journalistin Basma Mostafa war eine von ihnen. Wir dokumentieren ihre Rede
Rede von Basma Mostafa auf der Kundgebung »COP27: Kein Greenwashing der ägyptischen Diktatur. Freiheit für alle politischen Gefangenen!« vor dem Auswärtigen Amt am 8. November über die Lage von ägyptischen Frauen in den Gefängnissen der Militärdiktatur von Abdel Fattah el-Sisi
Mein Name ist Basma Mostafa und ich bin ägyptische investigative Journalistin. Ich lebe im Exil, und weil ich eine Frau bin, die dreimal in Ägypten inhaftiert war, möchte ich heute über die Bedingungen für Frauen in ägyptischen Gefängnissen sprechen.
Das Regime in Ägypten verhaftet jegliche Kritiker:innen
Wenn man eine ägyptische Frau ist, die als Journalistin, Anwältin, Forscherin oder Aktivistin arbeitet, wird man eines Tages ins Gefängnis eingesperrt werden. Wenn man einen Bruder, Vater oder Ehemann hat, der politischer Gefangener ist, wird man eines Tages selbst im Gefängnis landen. Das ägyptische Regime entführt auch Frauen, die nicht politisch aktiv sind, und steckt sie ins Gefängnis, um ihre Verwandten, die politisch aktiv sind, zu zwingen, zur Polizei zu gehen. Dies kann man mit einem Kriegsgeißel vergleichen. Dies ist das Schicksal von Aisha Al-Shater, der Tochter eines Führers der Muslimbruderschaft, die derzeit im Gefängnis eingesperrt wird. Wenn man nur auf Tik Tok tanzt, ist das für das ägyptische Regime Grund genug, einen zu verhaften, wie Mawadda Al-Adham und Haneen Hosam, die jetzt eine dreijährige Haftstrafe verbüßen, nur weil sie tanzten.
Ägypten: Die Lage im Gefängnis
Als Journalist habe ich die Bedingungen in den Gefängnissen durch meine journalistische Arbeit dokumentiert, bis ich sie selbst erlebt habe unter Sisis Diktatur. Ich kann jedem, der jetzt zuhört, bestätigen, dass die Gefängnisse in Ägypten unmenschlich sind und die vier Tage, die ich dort verbracht habe, für mich vier Jahre bedeuten. Die Gefängniszellen enthalten immer mehr Menschen als sie fassen können, es gibt also nicht genug Betten für uns wegen der Überbelegung, und selbst die verfügbaren Betten sind aus Eisen. Die Frauen sind dadurch vielen Rückenschmerzen ausgesetzt, und wer kein Bett hat, schläft auf dem Boden!
Ich habe auf dem Boden unter dem Bett der Wärterin geschlafen, weil es in der winzigen Zelle keinen Platz für mich gab. Die Fenster der Zelle waren aus Eisen und mit Plastikdraht abgedeckt, weshalb die Frauen immer unter schlechter Belüftung und schlechtem Geruch leiden, was zu Brusterkrankungen und Erstickungsanfällen führt. In der Zelle herrscht ein Mangel an Hygiene. Dies führt zur Verbreitung von Insekten und Hautkrankheiten.
Sogar das Gefängnis stellt uns keine Reinigungsartikel zur Verfügung, und wir müssen sie zum doppelten Preis auf dem Gefängnismarkt kaufen. Die Gefängnistoiletten können wegen der Überbelegung nicht alle von uns aufnehmen. Das zwingte uns, lange zu warten, bis zu zwei oder drei Stunden, nur um die Toilette zu benutzen.
Außerdem sind die Toiletten sehr schmutzig, und die ärmsten weiblichen Gefangenen sind gezwungen, sie für einen kleinen Geldbetrag zu reinigen, den sie den ihren Kindern schicken. Ansonsten haben weibliche Gefangene in Einzelzellen keine Toiletten und müssen in einem Eimer in ihrer Zelle defäkieren. Um in der Zelle duschen zu können, müssen wir erst die Erlaubnis der Zellenwärter einholen. An meinem ersten Tag verweigerten sie mir zum Beispiel das Duschen. Erst am dritten Tag erlaubten sie es mir. Im Gefängnis nahmen sie uns unsere Kleidung weg und gaben uns unsaubere Kleidung.
Jungfräulichkeitsuntersuchungen
Sie gaben mir zum Beispiel Kleidung, die sehr schlecht roch und unsauber war, als ob sie schon einmal benutzt worden wäre. Als ich mich weigerte, sie zu tragen und um neue Kleidung bat, zwangen sie mich, sie zu tragen. Dies ist eine Art von Erniedrigung und Unterdrückung. Wenn wir in der ersten Nacht im Gefängnis ankommen, werden wir einer Nacktinspektion unterzogen. Sie zwingen uns, unsere Kleidung auszuziehen und unsere Körperteile zu untersuchen. Dies schließt die Untersuchung der Jungfräulichkeit mit ein, zusätzlich zu verbalen Beleidigungen und sexueller Belästigung.
Hier müssen wir erwähnen, dass die erste Person, die Jungfräulichkeitsuntersuchungen erlaubt hat, der Diktator Abdel Fattah Al-Sisi im Jahr 2011 war, als er Chef des militärischen Geheimdienstes war. Das geschah unmittelbar nach der Revolution. Achtzehn Frauen wurden in Militärgewahrsam genommen, geschlagen, mit Elektroschocks belegt und Nacktkontrollen unterzogen. Sie wurden von männlichen Soldaten fotografiert und dann Jungfräulichkeitsuntersuchungen unterzogen.
Ägypten: Folter, Unterdrückung und Demütigung im Gefängnis
Weibliche politische Gefangene dürfen nicht mit anderen Frauen sprechen, vor allem nicht mit Kriminellen, und wenn das passiert, werden wir bestraft. Diese Bestrafung bedeutet beispielshaft, dass man in Einzelzellen gebracht wird oder daran gehindert wird, zwanzig Minuten lang Sport zu treiben oder Familienbesuche zu bekommen. Das sind alles Arten von Folter, Unterdrückung und Demütigung. Im Gefängnis werden wir gezwungen, den Hidschab zu tragen, auch wenn wir ihn vorher nicht getragen haben. Ich trage keinen Hidschab, aber seit meinem ersten Tag im Gefängnis zwingen sie mich, den Hidschab zu tragen.
Im Gefängnis gibt es keine medizinische Versorgung, vor allem keine, die die körperlichen Bedürfnisse von Frauen berücksichtigt. Es gibt keine Binden, wenn wir unsere Periode haben, und selbst schwangere Gefangene müssen ihre Kinder im Gefängnis zur Welt bringen. Ihre Kinder müssen mit ihnen im Gefängnis bleiben, bis sie 2 Jahre alt sind. An meinem ersten Tag in der Zelle, als ich schwanger war, sah ich überall Babys um mich herum, und das war der größte Schock, dem ich in meinem Leben ausgesetzt war. Deshalb konnte ich mir nicht vorstellen, wieder schwanger zu werden.
Die Situation von Transfrauen
In Ägypten gibt es keine speziellen Haftanstalten für Transgender-Frauen. Sie werden in Männergefängnissen untergebracht, wo sie sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind. Darüber haben wir entsprechende Fälle dokumentiert. Ich fordere das ägyptische Regime auf, alle weiblichen politischen Gefangenen freizulassen, unter Anderem die Übersetzerin Marwa Arafa, die Anwältin Hoda Abdel Moneim, die Aktivistin Nermin Hussein, Mawaddah Al-Adham, Haneen Hosam, Aisha Al Shater, die Journalistin Manal Ajrama, die Journalistin Hala Fahmey, Hasiba Mahsoub und jede inhaftierte Frau, deren Namen wir nicht kennen!
Bild: Martin Heinlein
Schlagwörter: Ägypten, al-Sisi, COP