Der Studierendenverband Die Linke.SDS veranstaltet im Dezember einen Kongress anlässlich von 50 Jahren Revolte 1968. Wir wollen wissen, welche Anknüpfungspunkte es für heute gibt und sprachen mit Kenja Felger vom Koordinierungskreis des 68/18 Kongresses
Der SDS hat vor 10 Jahren schon einmal einen 68er-Kongress veranstaltet. Warum macht ihr im Dezember einen weiteren?
Der SDS bezieht sich nicht nur in seinem Namen auf den historischen SDS, sondern wir verstehen uns als einen Zusammenschluss von Studierenden, der sich auch in der Ausrichtung an den historischen SDS anlehnt. Wir sehen uns als Teil einer langjährigen Bewegung und auch in der Tradition der 68er-Bewegung. Ende 2017 haben sich einige von uns getroffen und vor dem Hintergrund der angespannten gesellschaftlichen Lage diese Tradition diskutiert. Im Anschluss an dieses Treffen haben wir auf unserem Bundeskongress Anfang 2018 beschlossen, dem 50-jährigen Jubiläum dieser Bewegung erneut einen Kongress zu widmen. Wir wollen uns Zeit nehmen, zurückzuschauen, den Willen zur Veränderung in der Vergangenheit und heute verteidigen und aus den Erfahrungen der Generationen vor uns lernen.
Der Kongress findet unter dem Motto »68/18 – Geschichte wird gemacht« statt. Ist es nicht etwas gewagt, die Studentenrevolte mit der Revolution von 1918 gleichzusetzen?
Bei der Namensgebung haben wir uns auf 2018 und nicht auf 1918 bezogen. Sonst hieße der Kongress vielleicht 18/68/18. Es ist interessant, dass du diese Verbindung gezogen hast. Trotzdem kann man ja schon davon sprechen, dass beide Ereignisse – also 1918 und 1968 – Erlebnisse der Selbstermächtigung waren. Daran wollen wir erinnern und vor allem auch den Bezug zur heutigen Zeit diskutieren. Auf dem Kongress wird es auch Veranstaltungen zum Thema 1918 geben.
Wo siehst du die Parallelen zwischen dem Jahr 2018 und dem Jahr 1968?
Im Jahr 1968 wurden die Notstandsgesetze von der großen Koalition verabschiedet. Diese sollten die Rechte der Regierung massiv ausdehnen und die Exekutive maßgeblich stärken. Heute wird Deutschland wieder von einer großen Koalition regiert und das neue Polizeiaufgabengesetz sorgt in vielen Bundesländern für Proteste. Auch heute soll die Polizei mit Rechten ausgestattet werden, die von Schleierfahndung bis zum Festhalten einzelner Personen ohne konkret bestätigten Tatverdacht gehen sollen. Damals sind Tausende auf die Straße gegangen – beispielsweise beim Sternmarsch auf Bonn – und auch heute bilden sich breite Bündnisse gegen das neue Polizeiaufgabengesetz. Wir sehen heute, dass viele Menschen für ihre Rechte und ihre Interessen auf die Straße gehen. Seien es Bewegungen wie #ausgehetzt und #unteilbar oder die Proteste im Hambacher Forst, für sichere Fluchtwege oder gegen die Hetzjagden in Chemnitz. Das alles sind Entwicklungen, an denen wir teilhaben und die das riesige Mobilisierungspotenzial in der Gesellschaft zeigen.
Was können wir aus der Studentenrevolte von 1968 lernen, was für die heutigen Kämpfe von Studierenden von Nutzen sein könnte?
Einer der entscheidenden Aspekte damals war, dass die ganze Welt in Bewegung war, nicht nur ein paar Studis, die keinen Bock auf Nazis hatten. Damals wurden viele Verbindungen hergestellt. In Frankreich standen die Studis Seite an Seite mit den Arbeiterinnen und Arbeitern der Hauptindustrien und den Gewerkschaften. Auf diese Weise konnten sie Druck ausüben, dass das ganze Land mehrere Wochen still stand. Aber nicht nur in Europa wurden Kämpfe geführt, sondern auch antikoloniale Kämpfe in Afrika, die Black-Power-Bewegung und die Bewegung gegen den Vietnamkrieg fanden gleichzeitig statt. Von der Vernetzung dieser Kämpfe und der Vernetzung aller Kämpfenden können wir heute noch viel lernen.
Ich studiere nicht mehr, warum sollte ich trotzdem zum SDS-Kongress fahren?
Der 68/18-Kongress richtet sich ausdrücklich nicht nur an Studierende. Wir werden zwar das Thema »Hochschule« auch behandeln, wollen aber mit unserem Programm spannende Seminare und Vorträge für alle anbieten. Wir möchten alle einladen und ansprechen, die Lust haben, sich zu vernetzen, zu diskutieren und etwas zu lernen. Außerdem wollen wir mit allen diskutieren, die Bock auf einen Aufbruch haben und darüber debattieren, wie wir die Linke in Deutschland stärken können und den Kampf gegen Rechts gewinnen können.
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Das Gespräch führte Lisa Hofmann
Schlagwörter: 1968, Berlin, Die LINKE.SDS, Inland, SDS