Vor genau 100 Tagen ging die Linkspartei Syriza aus den griechischen Parlamentswahlen als Siegerin hervor. Der Wahlsieg von Syriza war eine große Niederlage für die griechischen Kapitalisten und die EU-Eliten. Sie wollen die Regierung in die Knie zwingen und die Linke demütigen. Lefteris Arabatzis, Mitglied des linken Parteienbündnisses Antarsya, zieht eine erste Bilanz.
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Syriza hat die Wahlen mit dem Versprechen gewonnen, die Sparpolitik zu beenden und die Krise zu bekämpfen. Der Linksruck in Griechenland war das Ergebnis der Kämpfe der vergangenen fünf Jahre. Alle, die sie geführt haben, erwarten nun sehr viel von Syriza.
Die neue Regierung erklärte anfangs, dass sie einen »fairen Kompromiss« mit der Troika und den Gläubigern erreichen will, dass es keinen Bruch mit der Eurozone geben werde und dass sie keine »einseitigen Schritte« unternehme. Hundert Tage nach dem Wahlsieg ist klar: Es war eine Illusion, das zu erreichen. Von Beginn an haben die »EU-Partner« die Regierung Tsipras erpresst. Das hat dazu geführt, dass sich diese schnell auf Kompromisse wie das am 20. Februar unterzeichnete Abkommen mit der Europäischen Union eingelassen hat. Damals behauptete die Regierung, sie habe dadurch Zeit gewonnen. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Erpressungen und Bedrohungen sind stärker geworden.
Syriza: Leere Versprechungen?
Trotzdem weigert sich Tsipras weiter, mit den »Institutionen« zu brechen. Gerade erst hat seine Regierung die Rücklagen der staatlichen Kassen verwendet, um eine Schuldenrate zu tilgen. Das zeigt, dass die Schuldenrückzahlung weiterhin Priorität gegenüber den Forderungen der Bevölkerung hat. In den vergangenen drei Monaten haben wir oft erlebt, dass Minister an einem Tag etwas versprechen und es am nächsten schon wieder zurücknehmen. Das Ende der Privatisierungen, die Wiedereinstellung von Entlassenen, die Wiedereröffnung von Krankenhäusern oder der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalt ERT werden nicht umgesetzt, weil die Troika es nicht will.
Linke Opposition für Syriza in Griechenland
Die Menschen, die gegen die Sparpolitik kämpfen, verstehen, dass der Kampf weitergehen muss. An vorderster Front standen bislang die Putzfrauen, die Entlassenen von ERT, die Arbeiter der Betonindustrie in Chalkida und die Beschäftigten der Krankenhäuser. Sie sind auch jetzt diejenigen, die die nächsten Schritte planen. Es ist notwendig, eine linke Arbeiteropposition auf der Straße aufzubauen. Sie muss die Regierung unter Druck setzen, die Kompromisse mit der Troika zu beenden.
Am 20. April hat ein Prozess gegen die faschistische Partei Goldene Morgenröte begonnen. Ihr wird die Bildung einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Tausende haben vor dem Gericht demonstriert, weil sie der Justiz nicht trauen. Die Gewerkschaften des öffentlichen Diensts, die Gemeindebeamten und die Hafenarbeiter haben an diesem Tag gestreikt und an der Demonstration teilgenommen. Das ist auch eine Antwort auf die Befürchtung, dass ein Scheitern von Syriza den Nazis das Feld freimachen würde. Doch eine solche Entwicklung ist keineswegs ein Automatismus. Solange Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Antifa-Bewegung kämpfen, verhindern sie den Aufstieg der Rechten. Möglicherweise öffnen sie sogar einen Weg, die Hoffnungen und Erwartungen der Bevölkerung zu verwirklichen.
Ein »fairer Kompromiss« ist unmöglich
Ehrlichkeit ist notwendig, um die Erpresser zu entlarven. Vielen ist mittlerweile klargeworden, dass ein »fairer Kompromiss« unmöglich ist. Die einzige Lösung ist die sofortige und komplette Schuldenstreichung und die Abschaffung der Memoranden. Erst das bringt die Regierung in die Lage, Maßnahmen für die Armen durchzuführen. Wahrscheinlich würde das zu einem Austritt aus der Eurozone und der EU führen. Wenn Griechenland hingegen in der EU bleiben möchte, wird die Regierung gezwungen sein, noch härtere Sparmaßnahmen durchzusetzen und die Armen ins absolute Elend zu stürzen. Es gibt keinen Mittelweg. Um Kapitalflucht zu verhindern, muss man die Banken verstaatlichen und unter demokratische Kontrolle der Beschäftigten bringen. Wir haben in den vergangenen Jahren ohnehin über zweihundert Milliarden Euro an sie gezahlt.
Der Wahlsieg von Syriza war eine große Niederlage für die griechischen Kapitalisten und die EU-Eliten. Aber sie geben nicht auf. Jetzt wollen sie die Regierung in die Knie zwingen und die Linke demütigen. Nur Massenmobilisierungen können diese Pläne durchkreuzen. Nur so können wir das zurückgewinnen, was uns gestohlen wurde.
Foto: SpaceShoe [Learning to live with the crisis]
Schlagwörter: Alexis Tsipras, Antarsya, EU, EZB, Goldene Morgenröte, IWF, Marxismus, Proteste, Staatspleite, Streiks, Syriza, Troika