Der »Große Zapfenstreich« vor dem Bundestag ist das wichtigste Zeremoniell der Bundeswehr. Der militärische Massenaufmarsch mit Fackeln, Marschmusik, Gebet und Nationalhymne ist eine Machtdemonstration des deutschen Imperialismus. Kommentar von Hannes Draeger
Am 14. Oktober veranstaltete die Kriegsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den Großen Zapfenstreich zur Ehrung der Bundeswehrsoldat:innen des Afghanistankriegs. In dieser zeremoniellen Abfolge von Befehl und Gehorsam mit emotionaler musikalischer Begleitung ist kein Platz für selbstständiges Denken und kritisches Nachfragen.
Im Fackelschein mit starren Gesichtern und starrer Haltung verschmelzen die einzelnen Soldat:innen zu einer einzigen Kriegsmaschine.
Es ist eine militaristische Machtdemonstration
Die Bundeswehr ist spätestens mit dem Krieg gegen Jugoslawien 1999 zu einer Interventionsarmee umgebaut worden. Weltweit ziehen deutsche Soldat:innen für deutsche Interessen in den Krieg.
Trotz verlorenen Kriegs in Afghanistan demonstriert das Kriegsministerium die Macht des deutschen Militarismus. Und so steht das Establishment heute buchstäblich Gewehr bei Fuß, um eine Debatte über ernsthafte Konsequenzen aus 30 Jahren Militarisierung deutscher Außenpolitik und 20 Jahren Afghanistankrieg beiseite zu wischen.
Frank Walter Steinmeier sprach es verklausuliert, aber selbstbewusst aus: Deutschland sei als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt »immer stärker gefragt«, weshalb die Antwort auf das Afghanistan-Desaster nicht der »Rückzug von der Welt« sein könne. Vielmehr müssten »unsere Fähigkeiten« erweitert werden, auch militärisch.
Wer sind die Opfer des Krieges?
Von 2001 an beteiligte sich die Bundeswehr am Nato-Krieg gegen Afghanistan. Entgegen der Erzählung vom »Demokratieexport« ging es tatsächlich um geostrategische Ziele und Kapitalinteressen.
Viel wird in diesen Tagen über die deutschen Opfer des Afghanistankriegs gesprochen. Über die mehr als 230.000 getöteten Afghan:innen, die laut dem »Cost of War« Projekt in direkter Folge von Kriegshandlungen starben, hören wir so gut wie nichts – auch nicht in dem linkeren Teil des Medien-Mainstreams. Nichts über Grisha, Mohammad, Abdul, Guldin und die über 100 weiteren Todesopfer des Kundus-Massakers von 2009, das ein deutscher Bundeswehr-Oberst zu verantworten hat.
Im Krieg starben 59 Bundeswehrsoldat:innen und mehrere tausend kehrten traumatisiert nach Deutschland zurück. Darüber sprechen »wir Deutschen« nur »selten« und »widerwillig«, erklärt Frank Walter Steinmeier. Robert Habeck behauptet, »die Gesellschaft« habe gar nicht so oft hingeschaut. Dem steht allerdings gegenüber, dass der Kriegseinsatz von über 70 Prozent der hier lebenden Menschen abgelehnt wurde. Die Gesellschaft hat sehr wohl hingeschaut und eine klare Haltung zu Kriegseinsätzen.
Widerstand gekonnt ignoriert
Doch Steinmeier und Habeck haben gute PR-Berater:innen: Ihre Erzählung soll die unzähligen kritischen Stellungnahmen der LINKEN, mehrere deutschlandweite Großdemonstrationen gegen den Krieg, Studien über die Traumatisierung der Soldat:innen, lokale Proteste, die große Anti-Kriegskonferenz in Bonn und Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen Manöver, Militarisierung und Krieg übertünchen.
Allerdings ist ihre Rhetorik nicht verwunderlich, so sind es doch SPD und Grüne, die den Militarismus regelmäßig Vorschub leisteten. Alle Interventionskriege der Bundeswehr begannen mit ihrer Zustimmung.
Krieg beginnt und endet mit Lügen
Die Bundeswehr steht für Militarisierung, Krieg und Besatzung. Sie verkörpert autoritäres Denken und patriarchale Strukturen. Sie zu ehren, ist grotesk.
Der nächste Interventionskrieg für Rohstoffe und Absatzmärkte zum Wohle der deutschen Wirtschaft wird kommen. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Sozialist:innen weiterhin auf den imperialistischen Charakter hinzuweisen und Kriegslügen in die Schranken zu weisen.
Foto: Sgt. Joel Salgado
Schlagwörter: Inland