Die Kampagne gegen das geplante transatlantische Freihandelsabkommen hat begonnen. Es ist »ein fettes Schnitzel für die Konzerne«, meint der Europaabgeordnete Fabio de Masi. Doch er ist optimistisch: Noch können wir es ihnen vom Teller schnappen
marx21: TTIP, CETA, TISA – was verbindet die von der Europäischen Union geplanten transnationalen Handelsabkommen?
Fabio de Masi: Bei diesen Abkommen geht es vor allem um die sogenannten »nicht-tarifären Handelshemmnisse«: Gesetze, die die Profite großer Konzerne einschränken. Egal, ob Regeln für Banken, Verbraucherschutz, Umweltschutz, öffentliche Auftragsvergabe, Buchpreisbindung oder Arbeitnehmerrechte. Selbst der Mindestlohn scheint nach unseren letzten Informationen nicht sicher. Zudem wollen die Konzerne an unser öffentliches Eigentum. Die öffentlichen Dienste und Aufträge machen in der EU etwa zwanzig Prozent der Wirtschaftskraft aus. Ein fettes Schnitzel für die Konzerne.
Was ist das Prinzip dieser Verträge?
Im Kern geht es um die gegenseitige Anerkennung von Standards. Ein Beispiel: In der EU herrscht das sogenannte Vorsorgeprinzip. Chemische Stoffe werden erst nach Nachweis der Unbedenklichkeit zugelassen. In den USA müssen Behörden der chemischen Industrie die Gefahr für Menschen und Umwelt nachweisen. Dort sind nur elf chemische Stoffe verboten, in der EU sind es 1300.
Das Vorsorgeprinzip wäre durch diese Verträge bedroht. Umgekehrt wollen europäische Banken die strengeren Eigenkapitalanforderungen für ausländische Banken in den USA angreifen. Das Dienstleistungsabkommen TISA geht sogar so weit, die internationale Entsendung von Leiharbeitern nach den Regeln ihres Herkunftslandes zu ermöglichen. Das ist die Rückkehr der Sklaverei.
Was steht genau in diesen Abkommen?
Das erfahren wir gar nicht. Die wenigen Abgeordneten im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments, die Zugang zu bestimmten Dokumenten haben, dürfen sich weder Notizen machen noch darüber sprechen. Einige Dokumente wurden aber geleakt. Noch wichtiger ist, was nicht drin steht. Denn was nicht explizit ausgenommen ist, wird den Konzernen überlassen.
Und was wissen wir?
Im Mittelpunkt von TTIP und CETA stehen transatlantische Regulierungsräte. Die sollen die Gesetze auf Vereinbarkeit mit den Profiten der Konzerne prüfen und so in Zukunft die Demokratie ausschalten. Das nennt man ein »living agreement«, ein für weitere Entwicklungen offenes Abkommen, das wie ein Krebsgeschwür wächst. Vor privaten internationalen Schiedsgerichten sollen Konzerne Staaten auf entgangene Profite verklagen können. Man stelle sich, vor die Arbeitnehmer in Deutschland könnten nach der Agenda 2010 auf entgangene Löhne klagen. Da wäre aber was los.
Kann der Abschluss der Verträge noch verhindert werden?
Aber sicher. Ein ähnliches Abkommen ist in den 1990er Jahren gescheitert. Dazu braucht es aber öffentlichen Druck. Vor allem die Unterstützung der Gewerkschaften ist dabei wichtig. Protest ist die einzige Sprache, die Politiker verstehen. Das Europäische Parlament kann am Ende nur ja oder nein sagen. Wir kämpfen daher für das Recht des Bundestags und des Bundesrats, über diese Abkommen zu entscheiden, da sie in Kompetenzen der Nationalstaaten und Länder eingreifen. Nicht, weil da lauter edle Abgeordnete sitzen, sondern weil es vor Ort mehr demokratische Öffentlichkeit gibt.
Und wie können wir Druck aufbauen?
Eigentlich sollte am 24. September die Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen TTIP und CETA starten. Doch die EU Kommission hat die EBI abgelehnt. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass aus der Wut nicht Ohnmacht wird. Am 11. Oktober gibt es einen europaweiten Aktionstag gegen die Abkommen, mit Veranstaltungen in vielen Städten.
Anmerkung: Obwohl eine europäische BürgerInnen-Initative gegen das TTIP Freihandelsabkommen nicht zugelassen wurde, werden europaweit Unterschriften gesammelt. Mach mit!
Die Fragen stellte Carla Assmann
Foto: campact
Schlagwörter: CETA, Demokratie, EU, Europa, Europäische Union, EZB, Freihandel, Freihandelsabkommen, Öffentlicher Dienst, Referendum, TTIP, USA, Wirtschaft