Die Wahl der russischen Duma vergangenen September galt als Probe für die 2018 anstehende Präsidentschaftswahl. Die von Putin unterstützte Partei Einiges Russland erzielte ein Rekordergebnis. Doch das ist kein Ausdruck von Stabilität, meint Ilya Budraitskis
Während bei der letzten Dumawahl im Jahr 2011 die Wahlfälschungen noch massenhaften Protest auslösten, blieb es diesen September auffallend ruhig. Die von Präsident Wladimir Putin unterstützte Partei Einiges Russland erzielte ein Rekordergebnis und konnte sich 345 der 450 Parlamentssitze sichern. Drei weitere Parteien werden in der neuen Duma vertreten sein: die rechte LDPR, die Kommunisten und die links-zentristische Partei Gerechtes Russland. Sie sind alle Teil des »Krim-Konsens«: Sie unterstützen den Kreml in den allermeisten Fragen der Außen- und Innenpolitik und sind in ihrer politischen Linie komplett von der präsidialen Administration abhängig. Die beiden Parteien der liberalen Opposition, Jabloko und die Partei der Volksfreiheit, sind hingegen gescheitert. Sie erhielten zusammen weniger als drei Prozent der Stimmen und haben damit den Einzug in die Duma verpasst. Es scheint als sitze Putin fester im Sattel denn je.
Spiel mit dieser Angst
Allerdings wäre es ein Fehler, den Wahlsieg als Zeichen der Zustimmung für die Politik des Kreml oder für politische Stabilität in Russland zu interpretieren. Vielmehr ist er Ausdruck einer politischen Apathie, die das Land in Zeiten der sozialen Krise fest im Griff hält.
Die Wahlbeteiligung war mit 48 Prozent die geringste der postsowjetischen Geschichte. In Großstädten wie Moskau und Sankt Petersburg gingen nur noch 35 bzw. 32 Prozent zur Urne. Bei der Wahl 2011 hatten landesweit noch zwei Drittel ihre Stimme abgegeben.
Die politische Apathie ist nicht nur Folge des verbreiteten Pessimismus in Bezug auf die Möglichkeiten, das bestehende System zu verändern, sondern auch Ausdruck der Überzeugung, dass jegliche Alternative zu Putin das Land ins Chaos und in einen Bürgerkrieg führen würde. Das Spiel mit dieser Angst stellt auch das Hauptmotiv der staatlichen Propaganda der letzten Jahre dar. Es ist der zentrale Grund dafür, dass die Unzufriedenheit über den allgemeinen Fall des Lebensstandards und die wachsende soziale Spaltung der Gesellschaft nicht in Protest und Widerstand umschlägt.
Gefahr für das Regime Putins
Der Hintergrund, vor dem sich die Wahlen abgespielt haben, ist eine sich vertiefende ökonomische und soziale Krise, die zunehmend auch eine Gefahr für das Regime Putins darstellt. Allein zwischen Januar und August sind die Löhne und Gehälter um durchschnittlich 8,3 Prozent gesunken. Mehr als zwanzig Millionen Menschen leben mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze. Und die Regierung plant weitere Angriffe, wie etwa eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Einer der bedeutendsten neoliberalen Berater Putins, der ehemalige Finanzminister Alexej Kudrin, forderte, die neue Duma müsse »Verantwortung« übernehmen und zu einem »Motor« weiterer Reformen werden.
Die Wahlen zur machtlosen Duma hängen vollständig vom Willen des Kremls ab. Sie sind allerdings auch als Probe für die anstehenden Präsidentschaftswahlen 2018 zu verstehen, die Putin mit einem triumphalen Ergebnis gewinnen möchte. Dafür ist es notwendig, die Wahlen zu entpolitisieren und zu einem alternativlosen Volksentscheid über das Vertrauen in die existierende Ordnung zu machen.
Ein langfristiger Abstieg
Hierzu setzt der Kreml nicht nur auf die Propaganda der Alternativlosigkeit, sondern auch auf Repression. So wurde zu Beginn dieses Jahres eine neue »Nationalgarde« eingerichtet, deren Hauptfunktion es sein soll, Massenproteste wie im Jahr 2011 zu unterdrücken. Zurzeit wird in der russischen Presse zudem über einen Plan zur Stärkung der Geheimdienste durch die Bildung eines neuen »Ministeriums für Staatssicherheit« diskutiert. Allein dessen Name ruft alarmierende Assoziationen zur Behörde aus der Zeit Stalins hervor.
Die aktuelle Vorhersehbarkeit der Ergebnisse bei Wahlen in Russland sollte jedoch niemanden täuschen. Vor uns liegt ein langfristiger Abstieg, ebenso ein ökonomischer wie einer des politischen Modells des postsowjetischen Kapitalismus. Stabilität sieht anders aus.
Zum Autor: Ilya Budraitskis ist Mitglied der »Sozialistischen Bewegung Russland« und Redakteur von Openleft.ru.
Übersetzt aus dem Russischen von Anton Thun
Foto: firdaus omar | flickr.com | CC BY-NC-ND 2.0
Schlagwörter: Duma, Putin, Russland