In den 1930er Jahren veröffentlichte der sowjetische Schriftsteller Artjom Wesjoly einen Roman über den Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution. Das Buch wurde bald verboten, sein Autor ermordet. Nun ist eine deutsche Übersetzung erschienen. Von Jan Maas
Passend zum Jahrestag der Oktoberrevolution hat der Aufbau Verlag Artjom Wesjolys Roman »Russland, in Blut gewaschen« unter dem Titel »Blut und Feuer« neu aufgelegt. Die verfügbare Literatur über die russische Revolution und den Bürgerkrieg ist damit um ein gutes und wichtiges Stück reicher geworden. Wesjoly fügt ihr neue Blickwinkel hinzu und erzählt in einer beispiellosen, furiosen Art und Weise. »Blut und Feuer« hat das Zeug zum Klassiker.
Der Autor – eigentlich Nikolai Kotschkurow – kam 1899 als Sohn eines Lastenträgers zur Welt. Im März 1917 schloss er sich den Bolschewiki an. Nach dem Beginn des Bürgerkriegs 1918 meldete er sich zur Roten Armee. Ab 1920 arbeitete er als Journalist auf einem Agitationszug. In Anlehnung an Maxim Gorki (Maxim der Bittere) wählte er das Pseudonym Artjom Newesjoly (Artjom der Unfröhliche), das er bald in Wesjoly (der Fröhliche) änderte, um den Unterscheid zum alten Russland zu betonen.
Parallel zu seiner Arbeit als Journalist verfasste Wesjoly Erzählungen und schrieb an einem Roman, in dem er seine Erlebnisse im Bürgerkrieg verarbeitete. Er wirkte in der Literatengruppe »Perewal« mit, deren Theoretiker Alexander Woronski (»Die Kunst, die Welt zu sehen«) war. Die stalinistische Wende 1928/1929 beendete auch die kurzzeitige Blüte der Kunst. 1937 wurde Woronski als »Trotzkist« erschossen. Kurz darauf wurde auch Wesjoly verhaftet, gefoltert und im folgenden Jahr ermordet.
Vom Krieg zum Bürgerkrieg
Der Roman, an dem Wesjoly mehr als 15 Jahre lang arbeitete, erschien zwischen 1932 und 1936 in mehreren zensierten Fassungen. Nach Wesjolys Hinrichtung war das Buch zwanzig Jahre lang aus der Öffentlichkeit verschwunden. Erst 1958 erschien es erneut in einer zensierten Version. Die vorliegende Übersetzung folgt der Ausgabe von 1936, der letzten zu Wesjolys Lebzeiten erschienenen, und ergänzt sie um Gestrichenes, da Wesjoly vor seiner Verhaftung seinem Bruder sein Archiv übergeben konnte.
Die Hauptfigur des Romans heißt Maxim Kushel. Zunächst Soldat, kehrt er im Laufe des Jahres 1917 zurück in sein Dorf, als in der zaristischen Armee ganze Einheiten meutern, Züge besetzen und einfach nach Hause fahren. Er schließt sich dann der Roten Armee an und gerät zwischen die Fronten von Roten und konterrevolutionären Weißen, aber auch in Kämpfe mit den Grünen, marodierenden Kosakenarmeen, die sich den Bolschewiki nicht beugen wollen, aber den Generälen erst recht nicht.
Virtuose Sprache
Wesjolys Roman hat viele Stärken. Eine ist der Reichtum an überzeugenden Figuren. Es sind genug, um die widerstreitenden Interessen zu verdeutlichen, aber nicht so viele, dass der Überblick verloren geht. Außerdem verzichtet er völlig auf holzschnittartige »Gute« und »Böse«. Eine weitere Stärke ist die Liebe zum Detail. Das Leben auf dem Dorf, die Verwüstung des Bürgerkriegs, die ganze Rückständigkeit Russlands, aber auch die tumultartige Demokratie der Räte erscheinen lebendig wie in einem Film.
Und schließlich ist da die – meisterhaft übersetzte – Sprache. Die Dialoge sind dem Volk vom Maul abgeschaut, die Prosa virtuos montiert und erfindungsreich. So hat noch kaum jemand aus dem Bürgerkrieg erzählt. Weder Michail Scholochow in »Der stille Don« noch Michail Bulgakow in »Die weiße Garde« und erst recht nicht Nikolai Ostrowski in »Wie der Stahl gehärtet wurde«. Dem Buch hätte eine Kürzung gut getan. Einige Szenen ähneln sich. Aber mit dieser Vorgeschichte ist es auch so unbedingt lesenswert.
Das Buch:
Artjom Wesjoly
Blut und Feuer
Aufbau Verlag
Berlin 2017
640 Seiten
28 Euro