SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, Cannabis zu legalisieren. Dieser Aspekt gehört zu den wenigen Lichtblicken der Vereinbarung. Die (potenzielle) Strafverfolgung und Entrechtung von 3-4 Millionen Cannabiskonsumierenden wird somit bald enden. Die Legalisierung bedeutet auch, dass Schluss ist mit gestrecktem Dreck vom illegalen Markt. Somit ist das Vorhaben auch ein Beitrag zum Gesundheitsschutz – weil Konsumierende auf dem legalen Markt wissen, was »drin« ist. Mit einer Legalisierung von Cannabis kehren wir rechtshistorisch zu einem alten Zustand zurück: Denn die meiste Zeit der Geschichte war Cannabis legal. Von der marx21-Redaktion
So ist in Deutschland das Cannabisverbot noch keine hundert Jahre alt. Hanf gehört zu den ältesten und vielfältigsten Kulturpflanzen der Menschheit. Man vermutet, dass zum Beispiel die Assyrer Hanf bereits in der vorchristlichen Zeit verwendeten. Hanf war jahrhundertelang eine der wichtigsten Rohstoffquellen für die Herstellung von Seilen, Segeltücher, Bekleidungstextilien und Papier und wurde in vielen europäischen und asiatischen Ländern angebaut. Schon im frühen Mittelalter wurden Könige in Hanfkleidung beerdigt. Wie seinerzeit üblich druckte Gutenberg 1455 die erste Bibel auf Hanfpapier.
Auch medizinisch wird Cannabis schon seit Jahrhunderten eingesetzt. Früheste Erwähnungen finden sich bereits vor mehreren tausend Jahren. In Europa wurde Hanf seit dem 11. Jahrhundert gegen Migräne, Neuralgie, epilepsie-ähnliche Krämpfe und Schlafstörungen verwendet. Im 19. Jahrhunderte hatte Cannabis als Medizin seine Blütezeit.
Das Verbot und die Fake-News-Kampagne
Warum wurde dieses erfolgreiche und vielseitige Pflanze verboten? Den Auftakt machte 1925 die Genfer Opiumkonferenz. Ein dort eingebrachter Antrag, neben Opium und Heroin auch Cannabis zu verbieten, wurde angenommen und nach und nach von den Ländern umgesetzt. Am 10. Dezember 1929 wurde das Cannabisverbot vom Reichstag im Rahmen des Opiumgesetzes beschlossen. Allerdings blieb Cannabis aus Apotheken weiterhin erlaubt.
Richtig Aufwind bekam die Prohibition erst 1936 in den USA. Das dortige Federal Bureau of Narcotics unter Harry J. Anslinger stieß eine massive, stark medial begleitete Kampagne gegen Marihuana an. Es war eine rassistische Kampagne, die vor allem Schwarze und Mexikaner traf. Diese Personengruppen wurden als besonders schwerkriminell dargestellt und dies in Verbindung mit dem Konsum von Marihuana gebracht. Ein Beispiel hierfür ist die Behauptung von Anslingers Behörde, diese Minderheiten würden Marihuana konsumieren und dann weiße Frauen unter dem Einfluss der Droge vergewaltigen. Cannabis wurde so – fern jedem tatsächlichen Nachweis – als Verbrechensverursacher gebrandmarkt. Zahlreiche Zeitungsartikel und andere Medien dienten als Verbreiter dieser Fake News.
Im Hintergrund spielten aber vor allem wirtschaftliche Interessen eine Rolle. So ging es den Nylon- und Papierproduzenten darum, das günstige Hanf vom Markt zu verdrängen und Chemiefasern zu etablieren und die Papierproduktion aus Holz zu verteidigen. Daher unterstützten sie diese Hetzkampagne, die schlussendlich erfolgreich war. 1937 wurde in den USA mit dem Marijuana Tax Act, das Marihuana-Steuergesetz, verabschiedet. Dieses Gesetz sah eine hohe Gewerbe- und Erwerbssteuer auf Cannabis sowie hohe Strafen bei Umgehung vor. Eine Steuermarke für den Handel mit Marijuana zu bekommen, wurde zudem durch ein administratives System nahezu unmöglich gemacht. Marihuana wurde damit faktisch vom Markt verdrängt und der Handel und Besitz von Marijuana damit illegal.
In der Nachkriegszeit verschwand die Nutzhanfproduktion in den westlichen Industrieländern schließlich in der Bedeutungslosigkeit. Verschiedene internationale Abkommen regelten die Beschränkung bzw. Verbote des Anbaus und Handels mit unter anderem Cannabis. Bestrebungen, die Drogenverbote in einem völkerrechtlichen Vertrag zu regeln, wurden dann Anfang der 1960er Jahre umgesetzt – und damit folgte nun eine Phase, in der die Verbote deutlich verschärft wurden.
Die Hochphase der Prohibition: Das Einheitsabkommen
Dieser völkerrechtliche Vertrag, den über 180 Staaten unterzeichnet haben, ist das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel (Single Convention on Narcotic Drugs) von 1961. Auch Deutschland gehört zu den Unterzeichnern und hat das Abkommen durch das Betäubungsmittelgesetz in nationales Recht überführt. Das Einheitsabkommen ist die Grundlage für die weltweite Drogenkontrolle. Jeder Handel oder Anbau von Betäubungsmitteln, die im Abkommen stehen, ist verboten
Dem Abkommen liegt die in der Präambel als »Erkenntnis« bezeichnete Auffassung zugrunde, »dass die Betäubungsmittelsucht für den Einzelnen ein Übel und für die Menschheit eine wirtschaftliche und soziale Gefahr darstellt«. Das Einheitsabkommen von 1961 wurde durch das Protokoll von 1972 geändert und durch weitere Betäubungsmittelabkommen ergänzt, etwa um LSD und Ecstasy. Zuvor umfasste es den Kokastrauch, Schlafmohn, Indischen Hanf (Cannabis), Opium, Mohnstroh, Opiate und Heroin, außerdem einige synthetische Opioide wie Methadon.
Der »Krieg gegen Drogen«
1969 wurde der Republikaner Richard Nixon zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Zu seinen Hauptthemen bei seiner Wahlkampagne 1968 gehörte der Kampf gegen die Drogen. Der Grund hierfür war vor allem wahltaktisch bedingt, wie der Nixon-Berater John Ehrlichman 1994 freimütig zugab: »Die Nixon-Kampagne 1968 und die folgende Regierung hatten zwei Feinde: die linken Kriegsgegner und die Schwarzen. (…) Wir wussten, dass wir es nicht verbieten konnten, gegen den Krieg oder Schwarz zu sein, aber dadurch, dass wir die Öffentlichkeit dazu brachten, die Hippies mit Marihuana und die Schwarzen mit Heroin zu assoziieren, und beide heftig bestraften, konnten wir diese Gruppen diskreditieren. Wir konnten ihre Anführer verhaften, ihre Wohnungen durchsuchen, ihre Versammlungen beenden und sie so Abend für Abend in den Nachrichten verunglimpfen. Wussten wir, dass wir über die Drogen gelogen haben? Natürlich wussten wir das!«
1971 rief Nixon den »War on Drugs« aus. Er erklärte den Drogenmissbrauch zu Amerikas »Staatsfeind Nummer eins« – und das zu einer Zeit, in der der Vietnam-Krieg unvermindert tobte und die amerikanische Gesellschaft zutiefst spaltete. Der »War on Drugs« umfasste Polizeieinsätze, Informationskampagnen, wirtschaftliche Repressalien gegen drogenproduzierende Länder sowie die Bekämpfung des Anbaus. Der »War on Drugs« brachte auch Auslandseinsätze insbesondere der Drogenbekämpfungsbehörde DEA mit sich: So beteiligt sich die US-Regierung am kolumbianischen Drogenbekämpfungsprogramm Plan Colombia und kooperiert in grenznahen Städten mit den mexikanischen Behörden.
Der »Krieg gegen Drogen« hat unermessliches Elend gebracht. Insbesondere getroffen hat er arme Menschen in den Anbauländern, ethnische Minderheiten in den USA und hat der herrschenden Klasse von Nordamerika dazu gedient, eine aggressive Außenpolitik zu rechtfertigen. Viele Maßnahmen, die wenig mit Drogenbekämpfung zu tun hatten, wurden mit dem »War on Drugs« gerechtfertigt.
Diese Repressionsmaßnahmen sind in den USA eine der Ursprünge der Entstehung der privatisierten Gefängnisindustrie in den USA, die ganze Ortschaften davon profitieren lässt, wenn möglichst viele Menschen in Gefängnisse kommen. Insassen dienen in den meisten Fällen als billige Arbeitskräfte, und die Ausbeutung reicht nicht selten bis hin zu moderner Sklaverei. Es besteht daher oftmals kein besonderes Interesse daran, die Rate der Gefängnisinsassen zu senken. Häufig geraten Unschuldige in Fahndungsmaßnahmen hinein und erleiden Nachteile. Obwohl der Konsum sich innerhalb gleicher sozialer Schichten bei Gruppen unterschiedlicher Hautfarbe kaum unterscheidet, sind die weitaus meisten Inhaftierten Afroamerikaner, gefolgt von Latinos. Ein Teil der Drogenprobleme in der Schwarzen Bevölkerung wurde im Rahmen des FBI-Programmes COINTELPRO von den US-Behörden selbst verursacht. So wurde beispielsweise die Black Panther Party bekämpft, indem FBI-Agenten Drogen an Afroamerikaner lieferten, die zuvor überhaupt nichts damit zu tun hatten und sich teilweise sogar dagegen einsetzten. (Lies hier den marx21-Artikel »Black Panther Party: Die Schwarzen Revolutionäre«.)
Das deutsche Betäubungsmittelgesetz
Das Betäubungsmittelgesetz ist der unmittelbare Nachfolger des in der Weimarer Republik erlassenen Opiumgesetzes vom 10. Dezember 1929. Bis zur Mitte der 1960er Jahre war die Drogenpolitik in Deutschland ein äußerst kleiner und gesellschaftlich kaum beachteter Politikbereich. Wohl vor allem auf Grund der geringen Zahl der sozial auffälligen Drogenkonsumenten blieb das Opiumgesetz weithin papierenes Gesetz ohne akute Verfolgungsrealität.
Ende der sechziger Jahre änderte sich der Stellenwert der Drogen- und speziell der Cannabispolitik schlagartig. Dies geschah vor dem Hintergrund des schon erwähnten Einheitsabkommens, aber auch der drogenpolitischen Debatte in den USA. In Deutschland vermittelte die Presse nach dem reißerischen Vorbild der USA ab Ende der sechziger Jahre den Eindruck einer gewaltigen »Haschisch- und Drogenwelle«, die das Land zu überrollen drohe. Gleichzeitig wurde in der öffentlichen Meinung das Bild eines dramatischen sozialen Problems vorgezeichnet, das mit dem vermutlich wichtigsten innenpolitischen Ereignis jener Zeit in Verbindung gebracht wurde: der hauptsächlich von Studierenden getragenen Protestbewegung, die sich während der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD von 1966 bis 1969 als »Außerparlamentarische Opposition« formiert hatte.
Vor diesem Hintergrund und dem Beitritt auch Deutschlands zum Einheitsabkommen hat der deutsche Gesetzgeber im Dezember 1971 das Opiumgesetz durch ein neues »Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz, BtMG)« ersetzt. Das Gesetz enthält im Vergleich zum alten Opiumgesetz detaillierte Regelungen darüber, was verboten ist und wie sanktioniert wird. Die Höchststrafe wurde von drei auf zehn Jahre heraufgesetzt.
Die Trendwende: Weltweite Schritte hin zur Entkriminalisierung und Legalisierung
Seit den 1990er-Jahren gibt es in Deutschland und weltweit eine Tendenz, Hanf unter bestimmten Bedingungen zu erlauben oder den Besitz zu entkriminalisieren. Den Auftakt machten Länder, die medizinisches Cannabis nach Jahrzehnten des Verbots wieder erlaubten.
Israel legalisierte Cannabis als Medizin im Jahr 1995, der US-Bundesstaat Kalifornien ein Jahr später und 2001 erfolgte auch in Kanada die Legalisierung von medizinischem Cannabis. Diesen Schritten war Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre die Entdeckung des sogenannten Endocannabinoid-Systems im menschlichen Körper vorausgegangen. Mit den neuen Erkenntnissen zu den entsprechenden Cannabinoid-Rezeptoren und damit der Wirkungsweise der Cannabinoide setzte ein Forschungsboom ein, der den Grundstein für die Re-Legalisierung von Cannabis als Medizin legte.
Heute ist Cannabis zu medizinischen Zwecken in vielen Ländern Europas, in weiten Teilen Nord- und Südamerikas, in Australien und ganz vereinzelt in afrikanischen und asiatischen Ländern erlaubt.
Einen besonderen Weg ging ab dem Jahr 2001 Portugal mit der Entkriminalisierung nicht nur von Cannabis, sondern aller Drogen. Während bis heute in Deutschland jährlich etwa 180.000 Cannabiskonsument:innen strafrechtlich verfolgt werden, schlug Portugal schon vor 20 Jahren einen fortschrittlicheren Weg ein. Wer mit Cannabis zum Eigenbedarf erwischt wird, bekommt Hilfe angeboten und hat kein Strafverfahren mehr am Hals. Auch wenn die Entkriminalisierung ein Fortschritt ist: Ziel muss immer der legale Zugang zu Cannabis sein, denn nur so kann die Herstellung und der Vertrieb der Substanzen kontrolliert werden.
Den ersten Schritt zur weltweiten Cannabislegalisierung machten die US-Bundesstaaten Colorado und Washington State, die 2012 Cannabis zum Freizeitgebrauch legalisierten. Mittlerweile ist Cannabis in 18 US-Bundesstaaten legal. Auch in Uruguay wurde 2013 und Kanada im Jahr 2018 Cannabis legalisiert. Weltweit haben heute etwa 180 Millionen Menschen Zugang zu legalem Cannabis zum Freizeitgebrauch. Das ist eine wegweisende Entwicklung.
Mini-Schritte in Deutschland
Deutschland hinkt diesen weltweiten Entwicklungen bisher noch deutlich hinterher. Doch auch bei uns ist ein bisschen was passiert. Ein erster wichtiger Schritt machte 1994 das Bundesverfassungsgericht mit dem sogenannten Cannabis-Beschluss. Darin urteilten die Richter:innen, dass bei einer geringen Menge Cannabis zum Eigenbedarf von der Strafverfolgung abgesehen werden soll. Daraufhin erließen die Bundesländer Verordnungen, die bestimmten, was jeweils als geringe Menge gelten soll. So kann die Staatsanwaltschaft heute je nach Bundesland bei bis zu zwischen sechs Gramm und 15 Gramm Cannabis von der Strafverfolgung absehen und das Verfahren einstellen.
Mit dem Cannabisverbot war der Anbau von Nutzhanf, also Cannabis mit einem verschwindend geringen und nicht mehr berauschenden THC-Gehalt, drastisch eingeschränkt und zeitweise komplett verboten. 1989 verfügte die europäische Kommission in einer Verordnung, dass der Anbau von THC-armen Sorten wieder zuzulassen sei und subventioniert sogar ihren Anbau. Daraufhin erhöhten Bauern und Unternehmer in Deutschland den Druck auf die Politik und im April 1996 wurde auch in Deutschland der Nutzhanfanbau wieder erlaubt. Etwa 50 Cannabissorten mit bis zu 0,2 % THC-Gehalt dürfen heute wieder angebaut werden, allerdings ist der Anbau genehmigungspflichtig.
Den wichtigsten Schritt hin zu einem fortschrittlichen Umgang mit Cannabis machte Deutschland 2017 mit der Legalisierung von Cannabis als Medizin. Die Versorgung der Patient:innen läuft leider immer noch nicht ganz rund. Aber im Hinblick auf die Legalisierung von Cannabis zum Freizeitkonsum war dies eine wichtige Etappe. Denn mittlerweile wird in Deutschland auch medizinisches Cannabis angebaut und geerntet. Cannabis verliert damit immer mehr den Schrecken, den die Prohibitionsvertreter:innen so verzweifelt aufrechterhalten wollen.
Jetzt geht es um das »Wie« der Legalisierung
»Cannabis ist kein Brokkoli« – dieser Satz der amtierenden Drogenbeauftragten Daniela Ludwig (CSU) sagt eigentlich alles über den argumentativen Bankrott der Prohibitionsbefürworter:innen aus. Gesundheitsschutz, Jugendschutz, individuelle Freiheit – all das ist nur mit einer Legalisierung von Cannabis umzusetzen. Die Legalisierung unter der Ampel wird kommen und das ist gut so. Nun geht es um das »wie«. Linke Kräfte sollten vor allem für eine nicht-profitorientierte Legalisierung kämpfen. Dazu gehören im Wesentlichen zwei Elemente: Erstens muss der Anbau für den Eigenkonsum erlaubt werden. Wer also z. B. bis zu fünf Cannabispflanzen für sich selbst züchten möchte, dem muss dies ohne die Gefahr der Strafverfolgung erlaubt sein. Zweitens müssen Cannabis-Social-Clubs ermöglicht werden, bei denen sich Menschen in einem Verein organisieren, um gemeinsam Cannabis anzubauen und zu konsumieren. Diese zwei Elemente sind wichtig, damit die Legalisierung nicht ein Riesenprofitgeschäft für große Aktienkonzerne wird, die sich um das Wohlergehen der Konsumierenden nicht scheren. (Lies hier den marx21-Artikel »Cannabis – Legalisierung ohne Kommerz«.)
Titelbild: Thought Catalog
Schlagwörter: Cannabis, Hanf, Legalisierung