Ganz Italien steht unter Quaratäne! Ganz Italien? Nein! Während das öffentliche Leben ruht, sollen Lohnabhängige weiterhin zur Arbeit gehen. Wir sprachen mit einem Arbeiter über die Reaktion der Beschäftigten
Italien ist nach China besonders vom Coronavrius betroffen. Die Gesamtzahl der bestätigten Coronavirus-Fälle in Italien ist von 21.157 am Samstag (14.03.2020) auf 24.747 gestiegen. Die Zahl der Covid-19-Todesopfer erlebte am Sonntag (15.03.2020) einen Anstieg um 25 Prozent im Vergleich zum Vortag von 1441 auf 1809 – ein Anstieg von 368 innerhalb von nur einem Tag. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hält eine Regierungsansprache nach der nächsten: Die Ausbreitung des Coronavirus in Italien hatte die Regierung schon dazu gezwungen, Schulen, Universitäten, Bibliotheken, Museen und Kneipen zu schließen. Es wurde angeordnet Bars, Restaurants und Geschäfte ab 18 Uhr dicht zu machen. Die Erwartungen waren hoch, dass jetzt auch jede nicht unmittelbar zur Grundversorgung notwendige Produktion eingestellt würde, um die gesamte Bevlkerung zu schützen. Stattdessen aber kapitulierte Conte unter dem Druck des Unternehmerverbands Confindustria und verkündete in einer Fernsehansprache, dass die Betriebsschließungen sich nicht auf die Industrieproduktion beziehen. Als die Fabriken am folgenden Tag wieder öffneten, wurde das ganze Land von einer unerwarteten Streikwelle erfasst. Der italienische Sozialist Gianni Del Panta sprach mit einem führenden Mitglied einer Basisgewerkschaft bei dem Unternehmen GKN, in einer Fabrik mit 450 Beschäftigten nahe Florenz, in der Autoteile hergestellt werden.
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Was geschah nach Contes dritter Fernsehansprache?
Schon seit einigen Tagen waren die Spannungen gestiegen. Während alle Aktivitäten nach und nach eingestellt wurden, wurden Fabriken nicht erwähnt und alles lief dort so weiter, als wenn sie nicht betroffen wären. Die Rede des Ministerpräsidenten empörte die Arbeiterinnen und Arbeiter angesichts des riesigen Widerspruchs zwischen der offiziellen Parole #bleibzuhause und der Tatsache, dass die Produktion weiterlaufen sollte. Es war offensichtlich, dass die privaten Profite wichtiger waren als die öffentliche Gesundheit. Die Arbeiter sollen Kanonenfutter für die Produktion sein. Es gab große Empörung darüber und Arbeiterinnen und Arbeiter begannen zu protestieren und zu streiken. Den Gewerkschaften blieb nichts anderes übrig, als sich dem anzuschließen. Bei GKN haben wir am 12. März eine Stunde lang gestreikt und am folgenden Tag zwei Stunden.
Was sind die Hauptforderungen der Beschäftigten?
Die erste Forderung lautet auf sofortige Schließung aller Produktionsstätten abgesehen natürlich von Geschäften und Fabriken, die Lebensmittel, Medizin oder technische Ausrüstung für Krankenhäuser verkaufen oder herstellen. Es gibt aber noch einen zweiten wesentlichen Aspekt: Das ist der Versuch der Bourgeoisie, die Kosten der Krise auf die Arbeiterinnen und Arbeiter abzuwälzen. Das wird in den kommenden Monaten ohne Zweifel ein kritischer Faktor sein. Wir fordern deshalb keine Entlassungen und Übernahme der Lohnfortzahlung durch den Staat.
In der Nacht vom 13. und 14. März schlossen Gewerkschaften, der Unternehmerverband und die Regierung ein Abkommen. Was hältst du von den vereinbarten 13 Punkten?
Der Hauptzwecke dieses Abkommens besteht darin, die Herstellung von Waren zu sichern. In dieser Hinsicht wurde damit bestätigt, dass die Gesundheit der Arbeiter weniger zählt als der Profit.
Es stimmt, dass es neue Regeln gibt. Diese sind jedoch sehr allgemein gehalten und meist kaum anzuwenden.
Wie sollen die Leute im Betrieb zum Beispiel einen Meter Abstand voneinander halten?
Die Vorstellung, jede Arbeiterin und jeden Arbeiter täglich mit einem neuen medizinischen Mundschutz zu versorgen, wie in dem 13-Punkte-Programm vorgeschlagen, ist nicht nur unmöglich, sondern strapaziert und gefährdet das nationale Gesundheitssystem, weil es in den vergangenen Tagen bereits mehrfach keinen Nachschub an Schutzmasken mehr gab.
Womit können wir in den nächsten Tagen rechnen?
Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Da das Abkommen überhaupt nicht auf die nicht verhandelbare Hauptforderung der Arbeiterinnen und Arbeiter nach Einstellung der Industrieproduktion eingeht, könnte es gut sein, dass wir eine neue Streikwelle erleben werden. Wir bei GKN jedenfalls sind dazu bereit.
Vielen Dank für das Gespräch.
Schlagwörter: Corona, Coronakrise, Coronavirus, Italien