Es geht um viel Geld
Überrascht waren die in Bali zahlreich protestierenden sozialen Gruppen und Umweltschützer, wie erfolgreich Konzerne die Debatten über Klimaschutz dominieren. Lange Zeit hatte die Wirtschaft auf Klimakonferenzen vor allem die Strategie, zu blockieren. Seit im Kyoto-Protokoll allerdings Marktmechanismen wie der Emissionshandel festgeschrieben worden sind, wittern sie neue Geschäfte und Möglichkeiten, eigene Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasen zu umgehen.
Die internationalen Klimaverhandlungen würden in den letzten Jahren »mehr und mehr dominiert von Wegen und Mitteln, mit dem Klimawandel Geld zu verdienen und beschäftigen sich zunehmend weniger damit, wie die Folgen des Klimawandels vermindert werden können.« sagte Kevin Smith von »Carbon Trade Watch« gegenüber der australischen Zeitung »Green Left Weekly«. Die Verhandlungen seien »zu einer Art Messe für den Emissionshandel« geworden.
Auf Bali war in der Tat das Big Business zahlreich vertreten, um seine Variante des »Klimaschutzes« zu präsentieren. Und die lautet: Erlaubt ist nur, was Profite nicht gefährdet.
Den Zweck der Konzernpräsenz hat der Klimaexperte Höppe von der Münchener Rückversicherung gegenüber der »Financial Times Deutschland« auf den Punkt gebracht: »Hier wird der Rahmen für das gesetzt, was hinterher auf EU-Ebene und in den einzelnen Ländern umgesetzt wird.« Deswegen solle die Wirtschaft stark vertreten sein. »Als Lösungsanbieter und -entwickler ist sie ein ganz zentraler Akteur beim Vorgehen gegen den Klimawandel«, so Höppe weiter.
Zu den Vertretern der Wirtschaft auf der Konferenz gehörte zum Beispiel das »World Business Council für nachhaltige Entwicklung«. Dem Verband gehören Konzerne wie der Autobauer General Motors, der Chemiemulti Dow Chemical und der Ölkonzern Shell an – Unternehmen, die zu den größten Umweltverschmutzern gehören. Zusammen mit der internationalen Handelskammer organiserte der Verband auf der Klimakonferenz einen »Busines Day«. Unternehmen und Institute hatten überall auf der Konferenz »Stellwände postiert, die erklären, wie sich mit Emissionshandel, Biomasse oder erneuerbaren Energien dickes Geld verdienen lässt«, berichtete die Zeitung.
Privatisierung des Klimaschutzes
Den Unternehmern geht es auch darum, dafür zu sorgen, dass der Staat sich heraushält. Klimaschutz soll dem Markt überlassen werden.
Der Chef der »Internationalen Emissionshandels-Vereinigung« (IETA), Andrei Marcu, sieht im Emissionshandel »eine Chance, die der Wirtschaft gegeben wurde«, schrieb die Financial Times Deutschland. Marcu appellierte bei einem luxuriösen Essen an seine Kollegen: »Jetzt müssen wir zeigen, dass Klimaschutz auch ohne Ordnungsrecht und detaillierte Eingriffe des Staates funktioniert.«
Auf früheren Klimakonferenzen stellten Umweltschutzverbände die größte Gruppe der Beobachter. Dieses Mal war es mit 336 Beobachtern die IETA. Deren Mitgliederliste liest sich wie eine Aufzählung bekannter Klimakiller. Dabei sind zum Beispiel die Energiekonzerne Eon, RWE und Vattenfall, die Ölfirmen Shell, BP und Chevron, sowie die Autobauer Toyota und Mitsubishi. Auch Finanzunternehmen wie die Deutsche Bank und Merril Lynch arbeiten in der IETA, um ihren Anteil am Profit durch den Verkauf von Verschmutzungsrechten, den so genannten Emissionszertifikaten, zu sichern.
»Grüner« Kapitalismus?
Vom Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, wurde auf der Konferenz der Emissionshandel als kostengünstiges und effektives Mittel des Klimaschutzes angepriesen. Dieser Handel ist derzeit wichtigstes Instrumentarium „grüner Marktwirtschaft«. Er gilt Unternehmern und Politikern als Beweis, dass Öko-Kapitalismus möglich ist.
Das Prinzip des Emissionshandels: Vom Staat werden Unternehmen Verschmutzungsrechte zugeteilt, so genannte Emissionszertifikate. Will ein Betrieb mehr Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben, als ihm zusteht, muss er weitere Zertifikate an einer Börse kaufen. Unternehmen, die weniger ausstoßen, können mit dem Verkauf ihrer Zertifikate Geld verdienen.
Die Theorie hat allerdings einen Haken: Sie funktioniert in der Praxis nicht. Im vergangenen Jahr ist der europäische Emissionsrechtemarkt zusammengebrochen, nachdem die Preise für Verschmutzungsrechte auf ein Zehntel ihres ursprünglichen Wertes gefallen sind. Danach bestand kein Anreiz mehr, den CO2-Ausstoß zu senken.
EU-Umweltkommissar Stavros Dimas äußerte vor seinem Abflug zum UN-Klimagipfel die Hoffnung, dass sich weitere Länder am Emissionshandel beteiligen werden. Doch die USA haben sich auch durch dieses marktwirtschaftliche Instrumentarium nicht ködern lassen, weniger Treibhausgase in die Luft zu blasen.
Emissionshandel ist zu teuer und ineffektiv
Die verantwortlichen Regierungen behaupten, in Zukunft werde der Emissionshandel verbessert. Doch auch Verbesserungen ändern nichts daran, dass Unternehmen im härter werdenden internationalen Wettbewerb immer mehr und billiger produzieren, um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Das führt zu beschleunigter Verschwendung natürlicher Ressourcen und Zerstörung der Umwelt.
In Deutschland ist die nächste Emissionshandelsperiode ab Januar 2008 so geregelt, dass Betreiber von Kohlekraftwerken bevorzugt werden. Diese dürfen fast doppelt so viel CO2 ausstoßen wie weniger klimaschädlichen Gaskraftwerke.
Anlagen, die Braunkohle verfeuern, hat die Bundesregierung mit einem Trick nochmals besser ausgestattet. Die Standardauslastung der Anlagen wird – nur auf dem Papier – von 7500 Betriebsstunden im Jahr auf 8250 erhöht. Entsprechend mehr Verschmutzungsrechte erhalten die Betreiber. Die Umweltstiftung WWF befürchtet, dass durch das Gesetz ein Boom für neue Kohlekraftwerke entsteht.
Derzeit nimmt der weltweite CO2-Ausstoß dreimal schneller zu als in den 90er Jahren. Das kann nur durch den zügigen und kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien gestoppt werden. Emissionshandel und andere Marktmechanismen werden als ideologische Waffe gegen diese Forderung eingesetzt. Ein staatlich gelenkter Umstieg sei zu teuer, Emissionshandel effektiver, heißt es.
Das stimmt nicht. Die Berliner Energiewissenschaftler Professor Dr. Hans-Peter Schintowski und Ben Schlemmermeier haben errechnet: 1100 Euro je Tonne CO2 kostete die Reduzierung der Emissionen durch den Emissionshandel die Verbraucher in Deutschland im Jahr 2005. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien hingegen entstanden im gleichen Jahr nur Kosten von 57 Euro je verminderter Tonne CO2. Während die Energiekonzerne durch den Emissionshandel hohe Extraprofite einfahren konnten, zahlten Stromkunden die Zeche.
Abgesehen davon ist durch die Förderung erneuerbarer Energien achtmal mehr CO2 eingespart worden als durch den Emissionshandel.
Widerstand gegen erneuerbare Energien
Auf Marktmechanismen zu setzen, hat zur Folge, dass Klimaschutz den Konzernen ausgeliefert wird. Denn diese kontrollieren die Märkte. Sie sind aber nicht gewillt, die nötigen Schritte zu gehen, weil das ihre Profite gefährden würde.
Um erneuerbare Energien über den Markt in ausreichendem Maße einzuführen, müsste theoretisch der Preis für Emissionszertifikate so hoch sein, dass sich die Förderung von Öl, Kohle und Gas, der Bau von fossilen Kraftwerken und die Produktion herkömmlicher Autos, LKWs und Flugzeuge nicht mehr rentiert.
Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um voraussagen zu können, dass die Unternehmer der betroffenen Branchen und auf kapitalistische Politik orientierte Parteien so etwas nicht zulassen werden. Denn die mit fossilen Energien verbundene Unternehmen sind eine Weltmacht. Auf der Liste der 500 größten Konzerne der Welt stehen sie ganz oben. Sie bilden den Kern der Wirtschaft in den Industriestaaten. Nach ihren Wünschen gestalten Regierungen ihre Politik.
Wenn die Aufheizung der Atmosphäre unter der kritischen Grenze von 2 Grad Celsius bleiben soll, wird die Zeit für Umstieg auf erneuerbare Energien knapp. Dieser wird gegen den erbitterten Widerstand der mit fossilen Energien verbundenen Konzerne durchgesetzt werden müssen.
Bewegung von unten
Als Erfolg darf sich die globale Umweltschutzbewegung anrechnen, dass Regierungen und Unternehmer vor den Folgen des Klimawandels nicht mehr die Augen verschließen können. Selbst in den USA ist Klimaschutz ein Thema. Auf der UN-Klimakonferenz waren zahlreiche Gruppen und Initiativen vertreten, um wirksame Maßnahmen einzufordern. Am zeitgleich stattfindenden internationalen Klimaaktionstag sind weltweit 100.000 auf die Straße gegangen. In Deutschland haben 10.000 protestiert und der Umweltbewegung zu neuen Antrieb verholfen.
Doch die Bewegung hat auch Defizite. Aufgrund der berechtigten Befürchtung, dass die UN-Konferenz an der Blockadehaltung vor allem der USA scheitern könnte, waren viele Umweltschützer letztlich froh, dass überhaupt weiter verhandelt wird . Darüber ist einigen der Blick dafür verloren gegangen, dass trotz zahlreicher Klimakonferenzen der Ausstoß von Treibhausgasen weiter dramatisch ansteigt, weil die von Regierungen und Konzernen favorisierten Mechanismen ineffektiv sind.
Eine andere Welt ist möglich
Das Verheizen des Planeten kann noch gestoppt werden. Das erfordert eine grundlegende Veränderung der Art und Weise, wie produziert und konsumiert wird. Klimaschutz darf nicht Konzernen überlassen werden und Regierungen, die nicht bereit sind, wirksame Maßnahmen auch gegen den Willen der Chefetagen durchzusetzen. Um den drohenden Klimakollaps zu verhindern wird der Aufbau einer massenhaften Bewegung von unten nötig sein, die keine Halbheiten akzeptiert und für eine andere Gesellschaft kämpft, in der Mensch und Umwelt zählen statt Profite. In Deutschland steht als nächster Schritt zum Aufbau einer solchen Bewegung auf der Tagesordnung, den geplanten Bau von über 20 Kohlekraftwerken zu verhindern. Dass sich 10.000 am Klimaaktionstag beteiligt und gegen neue Kohlekraftwerke demonstriert haben, ist ein Anfang, der Mut macht.
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