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Nach der UN-Klimakonferenz wird der Ausstoß von Treibhausgasen weiter ansteigen. Die Konferenz hat auch ein Licht darauf geworfen, dass Konzerne, darunter die größten Verschmutzer, den »Klimaschutz« dominieren. Von Frank Eßers, Online-Redakteur marx21.de
Es gibt keine Einigkeit in der Einschätzung der Bali-Konferenz. Sowohl innerhalb der Politik als auch in den Reihen der Umwelt- und Entwicklungsorganisationen liegen die Bewertungen weit auseinander. »Das Ergebnis der Klimaschutzkonferenz auf Bali ist ein großer Erfolg,« sagte Kanzlerin Merkel. Diese Einschätzung teilt auch Christoph Bals von der Nicht-Regierungsorganisation Germanwatch: »Die Lokomotive, die Ende 2009 zu einem weitreichenden Klimaschutzabkommen führen soll, hat Fahrt aufgenommen«, kommentierte er einen Tag nach der Konferenz.
Das deutsche Umweltministerium hingegen widerspricht: »Vor dem Hintergrund, um welche Herausforderungen es sich für die Menschheit handelt, ist Bali sicher kein Erfolg«, äußerte Michael Müller (SPD), Staatssekretär im Bundesumweltministerium, gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung«.
»Staatengemeinschaft versagt«
Auch für Greenpeace ist das Resultat der UN-Klimakonferenz »eine Enttäuschung«. Mit dem Verzicht auf verbindliche Reduktionsvorgaben für Industriestaaten seien die Empfehlungen der Experten des Weltklimarates ignoriert worden, rasch und konsequent zu handeln, kritisierte die Organisation.
Noch deutlicher wurde der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND): »Die internationale Staatengemeinschaft versagt im Kampf gegen den Klimawandel. Die Ergebnisse von Bali sind meilenweit von dem entfernt, was im Kampf gegen die bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels notwendig wäre.«
Verwässerter Klimaschutz
Die Ergebnisse der Konferenz geben den Kritikern Recht. Im Bali-Schlussdokument finden sich keine konkreten Zahlen über die Reduzierung von Treibhausgasen. Es ist den USA und anderen Ländern wie Kanada, Japan und Russland gelungen, die Nennung konkreter Ziele zu verhindern. Alle Warnungen und Empfehlungen der UN-Klimawissenschaftler sind ignoriert worden. Diese haben immer wieder darauf hingewiesen, dass innerhalb der nächsten Jahre Maßnahmen ergriffen werden müssen, den Ausstoß von Treibhausgasen massiv zu begrenzen. Nur dann sei es möglich, die bereits spürbaren Folgen der Erderwärmung zu begrenzen.
Ziel der Blockierer ist es, ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll zu verhindern. Obwohl das Protokoll nur eine äußerst geringe Reduzierung von Treibhausgasen vorsieht und Möglichkeiten bietet, selbst diese zu umgehen, geht es einigen Ländern zu weit.
Zwar konnten die Blockierer zukünftige Verhandlungen über einen »Weltklimavertrag« nicht verhindern, doch sie haben erreicht, dass ihnen die anderen Ländern weit entgegengekommen sind.
Auch in den Ländern, die das Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben, gibt es Widerstände. Zwar hat sich zum Beispiel die EU geeinigt, dass eine Reduzierung der Treibhausgase von 15 bis 30 Prozent bis zum Jahr 2020 anzustreben ist. Doch dieses Ziel ist nur eine Absichtserklärung und nicht verbindlich. Bislang hat die EU insgesamt den Ausstoß von Klimagasen nur um 2 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 reduziert.
Ziel der Kyoto-Befürworter war es, die USA irgendwie mit an Bord zu holen. Das ist misslungen. Kurz nach der Bali-Konferenz distanzierte sich die US-Regierung von dem ausgehandelten Kompromiss.
Auf Bali wurde Klimaschutz weiter verwässert. Es wird erheblicher Druck durch Bewegungen von unten nötig sein, um zu verhindern, dass Ende 2009 nur ein abgeschwächtes Nachfolgeabkommen beschlossen wird.
Kaum Hilfe für Arme
Der Klimawandel ist bereits spürbar und zum Teil nicht mehr zu verhindern. Ärmere Länder sind besonders betroffen. Deswegen sollten auf Bali Hilfen beschlossen werden. Dazu gehören Regeln für einen »Technologietransfer«, mit dem Industriestaaten Entwicklungsländer zum Beispiel bei der effizienteren Nutzung von Energie oder der Einführung von Umwelttechnik unterstützen. Auf dem Papier haben sich die Industriestaaten schon 1992 in der UN-Klimarahmenkonvention zu der Verbreitung und Weitergabe »grüner Technologie« verpflichtet. Umgesetzt worden ist davon bisher allerdings nicht viel. Auf Bali haben die USA nun ein Regelwerk für Technologietransfer verhindert. Man hat sich nur auf zusätzliche Programme geeinigt. Deren Finanzierung ist noch offen.
Beschlossen hingegen wurde ein Fond, aus dem Maßnahmen finanziert werden, um armen Ländern eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu ermöglichen. Laut UN sind mindestens 42 Milliarden Dollar jährlich nötig, um die durch Erderwärmung zusätzlich entstehende Armut und klimabedingte Katastrophen zu lindern.
Doch die Regierungen der hauptsächlich für den Klimawandel verantwortlichen Industriestaaten wollen nur 1 Prozent der benötigten Summe in den Anpassungsfond einzahlen. Weiterhin werden also Menschen Überflutungen, Dürren und damit verbundenen Hungerkatastrophen hilflos ausgeliefert sein.
Konzerne betrügen
Der magere Anpassungsfond wird zudem auf eine Art und Weise ausgestattet, die es Konzernen in Industriestaaten ermöglicht, sich vor Klimaschutz zu drücken – auch durch Betrug.
Der Fond soll sich aus einer zweiprozentigen Abgabe auf so genannte CDM-Geschäfte finanzieren. CDM (Clean Development Mechanism) ermöglicht es laut Kyoto-Protokoll Unternehmen in Industriestaaten, kostengünstig Projekte in Entwicklungsländern zu finanzieren, die angeblich Treibhausgase einsparen. Die »eingesparte« Menge können sich die Unternehmen in Form von Zertifikaten gutschreiben lassen, das heißt: Sie dürfen selbst mehr Treibhausgase ausstoßen.
Mehrere Untersuchungen der CDM-Geschäfte haben allerdings ergeben, dass Unternehmen betrügen. 40 Prozent der registrierten CDM-Projekte leisten keinen zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz.
Jedes dieser Geschäft muss vor seiner Genehmigung geprüft werden. Doch die dafür zuständigen Zertifizierungsfirmen sind nicht neutral, sondern entscheiden oft zugunsten der Konzerne. »Ein Zertifizierer, der eine positive Begutachtung eines Projektes ablehnt, verliert Marktanteile, und das kann er sich beim intensiven Wettbewerb um Aufträge nicht leisten«, erklärte der für die UN arbeitende CDM-Experte Axel Michaelowa, als im Sommer der CDM-Schwindel bekannt wurde.
Damit hat die Bali-Konferenz an arme Länder die Botschaft gesendet: Entweder ihr akzeptiert die Zertifikate-Geschäfte, die den Konzernen nutzen, oder ihr erhaltet keine Hilfe.
Ablasshandel mit Tropenwäldern
20 Prozent des weltweiten Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2) wird durch die Abholzung der Tropenwälder verursacht. Auf Bali sollte deshalb auch der Erhalt der Wälder in den Klimaschutz einbezogen werden. Konkrete Maßnahmen werden erst in den nächsten beiden Jahren verhandelt. Mit Pilotprojekten soll geklärt werden, wie Wälder erhalten werden können.
Über den Weg streiten die verhandelnden Parteien. Einige Länder, wie zum Beispiel Indonesien, wollen für nicht abgeholzten Tropenwald CO2-Zertifikate erhalten. Diese sollen Konzerne in Industriestaaten kaufen können, um selbst weniger Treibhausabgase einsparen zu müssen. Das wäre ein Ablasshandel, der nichts zusätzlich zum Klimaschutz beiträgt. Eine solche Einbeziehung der Tropenwälder in den Emissionshandel würde, wie bei den CDM-Geschäften, zu Betrug führen. Gleichzeitig wäre er eine neue Profitquelle für Zertifikatehändler, die solche Geschäfte vermitteln. Für Konzerne in den Industriestaaten würde dadurch eine weitere Möglichkeit geschaffen, sich von eigenen Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasen freizukaufen.
Den Bewohnern der Tropenwälder würde das Geld nicht zugute kommen. Im Gegenteil: Das Bündnis »World Rainforest Movement«befürchtet, dass diese Art des marktwirtschaftlichen »Klimaschutzes« zur Enteignung der Ureinwohner führt. Zusammen mit anderen sozialen und Umweltschutzgruppen hat das Bündnis auf der Bali-Konferenz dagegen protestiert, dass Tropenwälder zur Ware werden.