Zum Interview »Der Zölibat ist Kern des Problems« mit Maya Mosler (Heft 15)
Maya Mosler wirft einen interessanten Blick auf Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche. Die Aussage, der Zölibat sei Kern des Problems, greift aber viel zu kurz.
In Australien wurden hunderttausende Kinder der »Verlorenen Generation«, vor allem aus ihren Familien entführte Aborigines, in weltlichen Einrichtungen oder anglikanischen Missionen versklavt und unzählige missbraucht. Es gibt hinduistische Priester, buddhistische Mönche, jüdische Rabbis, muslimische Geistliche, die Kinder sexuell missbrauchen. Und es gibt Missbrauch in weltlichen Einrichtungen wie Sportvereinen und in der religiösen wie der atheistischen Familie. Außerdem suchen auch katholische Priester, so sie den Zölibat umgehen, mehrheitlich Erwachsenenbeziehungen.
Den Beginn sexueller Unterdrückung und damit die Wurzel für Kindesmissbrauch werden wir bei der Entstehung von Klassengesellschaften suchen müssen, womit die »weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts« eingeläutet wurde, wie Friedrich Engels es nannte. Frauenfeindliche Ideologien und repressive Sexualmoral entstanden begleitend. Institutionen, die unkontrollierte Verfügungsgewalt über Menschen ermöglichen, gekoppelt mit diesen Ideologien waren schon immer Brutstätten sexueller Übergriffe.
Wir haben heute die Aufgabe, gegen sexuellen Missbrauch und Unterdrückung überall, nicht nur in katholischen Einrichtungen, anzugehen. Wirklich gleichberechtigte sexuelle Beziehungen wird es aber erst in einer klassenlosen Gesellschaft geben.
Rosemarie Nünning, Berlin