Der Wahlkampf um Zohran Mamdani in New York hat gezeigt, wie wir gewinnen können und was dafür nötig ist – eine klare Message, ein authentischer Kandidat, viel Engagement und mehr Ausdauer[1]. Eine Woche nach der wichtigen Wahl in den USA sprach die Marx21-Redaktion mit dem Labor Studies Professor und DSA-Aktivisten Eric Blanc[2] über die Lehren aus der Kampagne und anstehende nächste Schritte.
Herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Sieg. Wir wollen das Interview mit einer Frage nach deinen aktuellen Gefühlen und Gedanken beginnen. Wie geht es dir gerade?
Danke! Es ist immer schön, über einen Sieg zu sprechen. Ich war jetzt ungefähr eine Woche lang total euphorisch. Seit der Wahl herrscht in New York eine ganz andere Stimmung: Wenn man mit einem Zohran-Anstecker oder Kappe durch die Stadt geht, bekommt man direkt ein High-Five. Aber langsam lässt die Euphorie etwas nach und ich frage mich: Wie geht es jetzt weiter? Ich persönlich versuche meine Genoss:innen dazu zu bringen, direkt mit vollem Einsatz weiterzumachen. Denn ich bin ein wenig besorgt, wie die Dinge sich entwickeln im Verhältnis zu dem, was wir am Ende erreichen wollen, wenn wir nicht direkt weitermachen. Andere sind eher dafür, eine Pause zu machen, denn es gibt eine gewisse körperliche Erschöpfung bei den Aktiven.
Die Kernbotschaft ist immer dieselbe: Arbeiter:innen verdienen etwas Besseres. Wir verdienen Würde und Sicherheit und das werden wir erreichen, indem wir uns gegen die Milliardäre zur Wehr setzen. Was man neben dieser Botschaft braucht, sind Kandidat:innen, die nicht aus dem System kommen, glaubhaft verkörpern, dass sie nicht Teil des alten politischen Establishments sind, die Feinde beim Namen nennen – und die das massentauglich kommunizieren können.
Du hast im Juni einen Text zu den Vorwahlen geschrieben, in dem du 16 Lehren aus der Kampagne formulierst – unter anderem, dass »es keinen Grund [gibt], warum [Mamdani’s] Kampagne nicht auch anderswo wiederholt werden kann«[3]. Darauf geblickt: Der Wahlkampf wurde durch eine riesige Basis an freiwilligen Aktiven getragen. Insgesamt mehr als 100.000 Menschen, die an über drei Millionen Türen geklopft haben. Wie reproduzierbar ist das wirklich?
Zunächst einmal möchte ich sagen: Die Zentristen argumentieren immer wieder, dass New York weit linker als der Rest des Landes sei. Also dass wir hier besondere Ausgangsbedingungen haben, die eine Übertragung andernorts verunmöglichen. Dem würde ich widersprechen: Drei der letzten vier New Yorker Bürgermeister waren konservativ. Gleichzeitig stimmt es natürlich, dass es bei anderen Wahlen taktisch unklüger ist, als offen sozialistische:r Kandidat:in anzutreten. In Gegenden, in denen der Anti-Kommunismus stärker verbreitet ist oder in denen die Demokraten einfach nur gehasst werden, kann es ratsam sein, als Unabhängige:r zu kandidieren. Ein Beispiel dafür ist Dan Osborne in Nebraska, der als unabhängiger Arbeiterkandidat mit einem Anti-Milliardärs-Program angetreten ist. Oder Katie Wilson, die kürzlich die Bürgermeisterwahl in Seattle gewonnen hat und eine ähnliche Politik wie Zohran vertritt. Die Kernbotschaft ist immer dieselbe: Arbeiter:innen verdienen etwas Besseres. Wir verdienen Würde und Sicherheit und das werden wir erreichen, indem wir uns gegen die Milliardäre zur Wehr setzen. Was man neben dieser Botschaft braucht, sind Kandidat:innen, die nicht aus dem System kommen, glaubhaft verkörpern, dass sie nicht Teil des alten politischen Establishments sind, die Feinde beim Namen nennen – und die das massentauglich kommunizieren können.
Zohran hat nicht nur über Bezahlbarkeit gesprochen, sondern hat dabei politisch immer deutlich gemacht, wer der (Klassen-)Feind ist: die Milliardäre. Dies hat er mit seiner politischen Überzeugung verknüpft, dass er demokratischer Sozialist ist. Die Frage der Basisaktivierung – also die riesige Zahl an Freiwilligen, auf die ihr verwiesen habt – hängt eng mit diesen Kriterien zusammen. Sind sie erfüllt, ist das, glaube ich, eigentlich das am einfachsten zu reproduzierende Element. Die US-amerikanische Linke verfügt grundsätzlich über das Wissen, Methoden und die Strukturen, um diese massive Basisarbeit aufbauen zu können.
Zohran hat es in besonderer Weise geschafft, einerseits die Massen – auch von skeptischen Menschen – zu adressieren und andererseits an die Aktiven glaubwürdig zu kommunizieren, dass sie ihm bei anderen politischen Themen vertrauen können. Die Art und Weise, wie er über Palästina gesprochen hat, hat dies am deutlichsten gezeigt. Die Kombination daraus hat die Kampagne zu etwas gemacht, für das man sich begeistern kann und für was man sich engagieren will.
Man muss in der Lage sein, mit der aktiven Basis zu interagieren und sie wissen zu lassen, dass man ihre Überzeugungen nicht verraten wird, während man sich gleichzeitig auf das breitere Klassen-Narrativ konzentriert. Das ist ein Balance-Akt.
Den letzten Punkt können wir persönlich bestätigen. Es war für viele Aktivist:innen in Deutschland inspirierend zu sehen, wie eloquent und standhaft Zohran das Thema Palästina angesprochen hat. Er ist einer der wenigen Politiker:innen, die in der Lage sind, populäre wirtschaftliche Forderungen mit einer klaren Haltung zu anderen politischen Themen zu verbinden und diese somit in die Breite der Bevölkerung zu tragen.
Da stimme ich zu und dennoch ist es wichtig zu betonen, dass sich sein gesamter Wahlkampf auf die Frage der Bezahlbarkeit konzentriert hat. Es waren vor allem Zohrans Gegner, die versuchten, ihn immer wieder dazu zu bringen, über Palästina zu sprechen. Ich halte es für einen Fehler von Linken, alle Themen gleichzeitig ansprechen zu wollen. Zohran hat gezeigt, dass man Wahlkampf zu wenigen Themen machen kann, auf die man sich konzentriert, und gleichzeitig zu anderen Themen eine korrekte Position vertreten kann. Wir sollten nicht in die Falle tappen und die Kapitalist:innen bestimmen lassen, was der Kernpunkt unserer Kampagne ist. Ich betone das so vehement, weil ich glaube, dass man über die Themen sprechen muss, die für die breite Arbeiter:innenklasse von großer Bedeutung sind. In New York ist das sehr uneinheitlich – es gibt junge Wähler:innen, die in der DSA sind, für die Palästina das wichtigste oder zweitwichtigste Thema ist. Aber für viele New Yorker:innen ist es das nicht und es ist nicht das entscheidende Thema, was sie dazu bringen wird, Zohran zu wählen. Man muss in der Lage sein, mit der aktiven Basis zu interagieren und sie wissen zu lassen, dass man ihre Überzeugungen nicht verraten wird, während man sich gleichzeitig auf das breitere Klassen-Narrativ konzentriert. Das ist ein Balance-Akt.
In dem Zuge ist vielleicht wichtig zu erwähnen, wie Zohrans Umgang mit dem Genozid sich von dem einiger pro-palästinensischer Aktivist:innen unterschieden hat. Er hat sehr bewusst bestimmte Dinge getan, wie beispielsweise die Hamas und den 7. Oktober zu verurteilen. Hätte er das nicht getan, hätte er, denke ich, nicht gewonnen. Er hat zudem sein Framing im Bezug auf Palästina verändert und sich vor allem auf die Forderung nach »gleichem Recht für alle« bezogen. So konnte er Antizionismus in einer Sprache ausdrücken, die viele Menschen verstehen und seine Gegner in die Defensive brachte. Auch wenn er nicht mit Palästina Wahlkampf gemacht hat, ist es ihm so gelungen, auf eine Art und Weise auf das Thema einzugehen, die auch bei Menschen Anklang fand, die nicht per se links sind.
Darauf habe ich in meinem Text zur Vorwahl Bezug genommen, als ich geschrieben habe, dass die Kampagne um Zohran Mamdani das Gegenteil von »performativen Linksradikalismus«[4] ist. Letztlich war seine Kampagne ein großer Rückenwind für die Palästina-Bewegung in den USA. Sein Sieg hat den Boden geebnet, dafür dass andere Politiker:innen öffentlich gegen den Völkermord Stellung positionieren können. Das ist enorm wichtig.
Zohrans Umgang mit Palästina wurde von vielen linken Aktivist:innen weitgehend befürwortet. Anders sah es etwa aus bei seiner Entscheidung, seine Forderung nach Budgetkürzungen der Polizei zurückzunehmen. Was sind deine Gedanken dazu?
Er hat sich seine Kämpfe klug ausgesucht. Die New Yorker Polizei ist eine riesige Polizeibehörde mit einer langen Geschichte von Übergriffen und Gewalt gegen Schwarze Menschen. Zohran hat sich aus politisch-taktischen Gründen dagegen entschieden, diese Auseiandersetzung zu verfolgen – auch, weil er dann auf keinen Fall gewählt werden würde. Die meisten New Yorker:innen unterstützen eine Kürzung des Polizei-Budgets nicht. Ich würde ergänzen: Wir als DSA sind momentan nicht stark genug, um diesen Kampf gewinnen zu können. Zohran rückte von seiner früheren »Defund the police«-Rhetorik ab und wandte sich der Zusammenarbeit mit einfachen Polizeibeamt:innen[5] zu. Er forderte, dass diese sich auf ihre Aufgabe der Verbrechensbekämpfung konzentrieren müssten. Stattdessen würden an sie weitergehende Ansprüche gestellt, beispielsweise sich mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen auseinanderzusetzen und darin wie Sozialarbeiter:innen zu agieren.
Er hat sich seine Kämpfe bewusst und strategisch ausgesucht und so das Terrain geschaffen, auf welchem er Wahlkampf und Politik machen wollte.
Ich befürworte diese taktische Entscheidung. Sie ist eine nüchterne Ableitung aus der Analyse der aktuellen Kräfteverhältnisse. Wir sind als Bewegung nur stark genug, um bestimmte Kämpfe zu einem bestimmten Zeitpunkt zu führen. Diese müssen wir sorgfältig auswählen. Zohran hat ein gutes Gespür dafür bewiesen, potenzielle Verbündete nicht abzuschrecken oder nicht unüberlegt die Teile des staatlichen Apparates herauszufordern, mit denen wir es bisher nicht aufnehmen können. Das drückt sich auch in seiner Art und Weise aus, sich als demokratischer Sozialist zu präsentieren: In seiner Definition des demokratischen Sozialismus spricht er nicht von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, sondern eher von einer Umverteilung des Reichtums. Das war sehr klug, weil die Menschen so seine Positionen besser nachvollziehen können.
Es kommt auf die verschiedenen Rollen und der Arbeitsteilung innerhalb der Kampagne an: Zohran wird derzeit nicht über den Sturz des Kapitalismus sprechen, aber die DSA kann und sollte das tun. Das ist es auch, worauf ich hinaus wollte, mit der Gegenüberstellung der Kampagne und eines »performativen Linksradikalismus«. Zohran hat nicht einfach alle seine Positionen und Meinungen heruntergebetet und gehofft, dass ihm die Massen irgendwann zustimmen und ihn wählen werden. Er hat sich seine Kämpfe bewusst und strategisch ausgesucht und so das Terrain geschaffen, auf welchem er Wahlkampf und Politik machen wollte.
Einige demokratische Politiker:innen entschieden, Zohran wenige Wochen vor der Wahl zu unterstützen, darunter die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul. Sie befürwortete dabei zwar das Ziel, die Stadt bezahlbar zu machen, sprach sich aber gleichzeitig gegen seine Forderung aus, die Reichen stärker zu besteuern. Genau diese Steuerreform soll aber zumindest einen Teil der Umsetzung von Zohrans Programm finanzieren. Was hältst du für die wichtigsten nächsten Schritte, damit er seine Versprechen trotz des Widerstandes der Landesregierung in Albany umsetzen kann?
Zohran ist nicht in allen Punkten seines Programms von Albany abhängig. Der Stopp von Mieterhöhungen ist eine Entscheidung der Stadt, die er nach seinem Amtsantritt recht schnell umsetzen kann. Auch die Forderung nach schnellen und kostenlosen Bussen wäre wahrscheinlich ohne Albany möglich. Die einzige seiner drei Kernforderungen, für die er die Unterstützung der Landesregierung benötigt, ist die kostenlose Kinderbetreuung. Darin liegt eine Gefahr, dass wir unsere Versprechen nicht einhalten und das Leben der Menschen nicht bedeutsam verbessern können. Das wäre das Wunsch-Szenario der gesamten kapitalistischen Klasse inklusive des Establishments beider Parteien.
Deshalb denken wir in der DSA momentan intensiv darüber nach, wie wir weiter eine Massenbewegung aufbauen können. Sie muss genügend Druck aufbauen, um Politiker:innen zwingen zu können, unseren politischen Forderungen nach kostenloser Kinderbetreuung und der Besteuerung von Reichen zuzustimmen. Es ist gut, dass Hochul Zohran öffentlich gestützt hat. Sie hätte das aber nicht getan, wenn er nicht die Vorwahlen gewonnen hätte und Spitzenkandidat für die Wahl gewesen wäre. Dieses Zugeständnis konnten wir bereits erzwingen. Das zeigt, wie mächtig diese Bewegung bereits ist.
Jetzt geht es darum, die Bewegung weiter aufzubauen, bis die Landesregierung unsere Forderungen umsetzen muss. Das ist eine Herausforderung: Schließlich ist es in der Regel einfacher, eine Bewegung aufzubauen, um einen Kandidaten ins Amt zu bringen, als diese Energie und den Druck nach den Wahlen aufrechtzuerhalten.
Wir treffen diese Überlegungen aber in einer guten Ausgangslage: Zohran kommt aus unseren Reihen, aus der DSA, und unsere Analyse von Macht prägt sein Weltbild. Er begann seine Siegesrede[6] mit einem Zitat von Eugene Debs, einem der berühmtesten amerikanischen Sozialisten und Marxisten. Die ganze Rede ist von Klassenkampf durchzogen. Das hat das Establishment verstört, aber auch die Erwartungen der Wähler:innenschaft geweckt, dass er tatsächlich für sie kämpfen wird.
Wir müssen viel mehr Macht aufbauen, als wir bisher haben, um den Politiker:innen drohen zu können, dass sie abgewählt werden oder dass es zu massiven Unruhen kommen wird, wenn sie unsere Forderungen nicht unterstützen.
Die ersten Schritte zur Aufrechterhaltung der Bewegung und des Drucks von der Basis sind bereits getan: Die Tausenden von Freiwilligen der Kampagne haben bereits die neue Organisation »Our Time« gegründet. Ihr Ziel ist, diese zu einer eigenständigen Kampagne werden zu lassen, mit der Zohrans Programm durchgesetzt werden kann. Zusammen mit der DSA wird diese Organisation also Motor für die nächsten Schritte sein. Wir müssen die 100.000 Freiwilligen dafür gewinnen, weiterhin das zu tun, was sie bisher gemacht haben: Mit den Leuten reden. Aber anstatt die Leute zum Wählen aufzurufen, müssen wir sie jetzt darum bitten, Petitionen zu unterschreiben oder an Aktionen teilzunehmen, um Druck auf die Landesregierung aufzubauen. Wir müssen viel mehr Macht aufbauen, als wir bisher haben, um den Politiker:innen drohen zu können, dass sie abgewählt werden oder dass es zu massiven Unruhen kommen wird, wenn sie unsere Forderungen nicht unterstützen. Meine Sorge ist, dass wir unterschätzen, was es dazu braucht – das Ausmaß an Risiko, Ehrgeiz, Begeisterung, und öffentlichkeitswirksamen Aktionen – um eine Bewegung mit der notwendigen Breite und Tiefe aufzubauen.
Dazu müssen wir uns fragen, wie wir die nächste Phase der Kampagne so groß, so spannend und so dynamisch wie möglich gestalten können. Unserer Erfahrung nach haben Studierende und im Allgemeinen jüngere Menschen mehr Zeit, um sich zu organisieren. Daher wird die Basisarbeit auch weiterhin von jüngeren Freiwilligen gestaltet werden. Auch die DSA hat vor allem jüngere Menschen aus der Arbeiter:innenklasse als Mitglieder. Natürlich haben wir alle nur begrenzt Zeit, aber was wir als Bewegung in unserer Zeit erreichen, hängt vor allem davon ab, wie viel Begeisterung die Kampagne hervorrufen kann. Wenn wir also die Begeisterung und die Energie rund um die Kampagne aufrecht erhalten können, wirkt sich das auf unsere Reichweite und Wirksamkeit aus. Dabei gibt es auch ein sehr taktisches Dilemma: Warten wir als DSA, bis die zukünftige Regierung ihren Plan vorlegt, oder setzen wir unser Organizing direkt fort?
Alle in der DSA verstehen, dass wir jetzt den Druck aufrechterhalten müssen. ber wie das genau aussehen soll, ist aktuell noch ein strategischer Debattenpunkt.
Was sind jetzt die nächsten Schritte für die DSA? Von außen scheint es so, als wäre die größte Debatte momentan die Frage, welche Rolle die DSA einnehmen sollte, um Zohran »verantwortlich« zu halten. Und die Angst, dass er seine Positionen im Amt »verrät«, liegt aus sozialistischer Perspektive ja auch nicht so fern.
Das stimmt. In der DSA gibt es in dieser Debatte im Wesentlichen zwei Seiten. Ich persönlich gehöre zum Flügel der »Massenpolitik«, dessen Position ich in der vorherigen Antwort skizziert habe. Wir wollen keine öffentliche Auseinandersetzung mit Zohran führen zu Dingen, zu denen wir ihn nicht zwingen können. Wir wollen die zugrundeliegenden Kräfteverhältnisse ändern. Das bedeutet nicht, dass wir Zohran nicht kritisieren können – das müssen und werden wir tun. Aber das ist nicht unser primärer Wirkhebel. Es geht nicht in erster Linie um Verantwortlichkeit, sondern um Macht. Wir müssen es ihm ermöglichen, das Richtige zu tun, insbesondere durch erfolgreiches Organizing. Er vertritt sozialistische Politik, aber es gibt alle möglichen Kompromisse, die er notwendigerweise eingehen muss, weil wir den Staat nicht kontrollieren und unsere Macht noch relativ begrenzt ist. Ich denke also, dass wir uns unermüdlich darauf konzentrieren müssen, mehr und mehr Macht von unten aufzubauen, damit wir den Kapitalist:innen und dem Establishment Angst einjagen und so Handlungsräume für Zohran schaffen können. So kann er härter kämpfen und muss weniger Kompromisse eingehen. Die andere Seite der Debatte macht ungefähr ein Viertel der New Yorker DSA-Mitglieder aus, die links der Führung stehen. Sie argumentieren ungefähr wie folgt: »Wir wissen, dass Zohran unter enormen Druck stehen wird. Wir müssen sicherstellen, dass die kollektive Beratung und Macht der DSA ihm dabei helfen, dieses sehr schwierige Gelände zu navigieren. Deshalb wollen wir, dass er auf uns hört, wir wollen mit ihm reden, und wir wollen, dass er die kollektiven Entscheidungen, die wir treffen, respektiert, weil er ein Mitglied unserer Organisation ist.«
Die größte Hürde, um mehr Arbeiter:innen für die DSA zu gewinnen, ist der vorherrschende Zynismus und die Resignation unter so vielen von ihnen. Es wird viel Arbeit und viele Erfolge benötigen, um das zu ändern.
Meiner Meinung nach ist das Problem dieser Argumentation nicht, dass sie falsch ist – darin wird eher ein Idealszenario beschrieben. Sondern ihr liegt eine falsche Machtanalyse zu Grunde. Angenommen, Zohran würde Kathy Hochul bei der nächsten Gouverneurswahl unterstützen, wenn sie einige seiner politischen Ziele übernimmt. Wir könnten dann argumentieren, dass das nicht das ist, was wir als DSA abgestimmt haben und er als sozialistischer Kandidat keine Establishment Politiker:innen unterstützen sollte. Das Problem ist, dass wir einfach nicht stark genug sind, um unserer Position irgendwelche Taten folgen zu lassen. Wir haben etwa 12.000 Mitglieder. Das ist nur ein Bruchteil der Bevölkerung einer Stadt mit 8 Millionen Einwohner:innen. Die DSA spielte eine zentrale Rolle in der Kampagne, insbesondere in der Anfangsphase, aber ohne die Gewerkschaften und Community-Gruppen hätte Zohran nicht gewonnen. Auch sie alle werden Einfluss auf sein Handeln nehmen. Wir als DSA haben weder die Macht noch Legitimität in der breiten Arbeiter:innenklasse, um in ihrem Namen zu sprechen.
Wie kann die DSA in dieser Hinsicht weiter Macht aufbauen?
Ich denke, der beste Weg zu gewinnen und die DSA viel breiter zu etablieren, ist eine möglichst große und ehrgeizige Kampagne wie Our Time, auch wenn es sich dabei nicht offiziell um eine DSA-Kampagne handelt. Wir brauchen eine Kampagne, in der sich normale Arbeiter:innen, die für Zohran gestimmt haben, beteiligen können. Zohran hat zwar die Stimmen der Arbeiter:innen mit einer überwältigenden Mehrheit gewonnen, aber die DSA-Mitglieder sind tendenziell weiß und haben einen Hochschulabschluss. Sie bilden nicht-weiße und »Blue-Collar«[7] Arbeiter:innen weniger ab. Es wird dauern, bis wir die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter:innen sowie einfache Nachbar:innen für die DSA gewinnen. . Die größte Hürde, um mehr Arbeiter:innen für die DSA zu gewinnen, ist der vorherrschende Zynismus und die Resignation unter so vielen von ihnen. Es wird viel Arbeit und viele Erfolge benötigen, um das zu ändern.
- Dieses Interview fand am 12.10.25 statt und wurde für die Verschriftlichung überarbeitet und aus dem Englischen übersetzt. ↑
- Mehr von Eric Blanc auf seinem Blog: https://www.laborpolitics.com/ ↑
- https://cloud.marx21.de/s/WKA7AkWH8m6zRgj ↑
- https://www.laborpolitics.com/p/zohrans-historic-win-16-takeaways ↑
- Anmerkung der Redaktion: »Rank-and-File Police« wurde übersetzt mit »einfachen Polizeibeamt:innen« ↑
- https://www.youtube.com/watch?v=kOQT_4A1eb8 ↑
- »Blue Collar« beschreibt Arbeiter:innen, die hauptsächlich körperliche, manuelle oder handwerkliche Arbeit verrichten, oft in der Produktion, im Bauwesen oder in der Landwirtschaft – im Gegensatz zu »White Collar«-Berufen, die geistige oder Büroarbeit beschreibt. ↑
Foto: Zohran Mamdani at the Resist Fascism Rally in Bryant Park on Oct 27th 2024 via Creative Commons.



